halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Rosalinde (Anna Tabea Stockbrügger) als ungarische Gräfin und ihr Gatte Gabriel von Eisenstein (William Hauf) als Marquis Renard.

Studenten spielen David Gieselmanns Überschreibung

'Die Fledermaus' fast ohne Johann Strauß

Johann Strauß, so geht die Mär, soll seine am 5. April 1874 in Wien uraufgeführte „Königin der Operette“ binnen 43 Tagen in absoluter Zurückgezogenheit und im tranceähnlichen Zustand zu Notenpapier gebracht haben. Sie reüssierte übrigens erst richtig in der Fremde, bei den Piefkes in Hamburg und Berlin.

Anzeige: DRK 2024 - Job - PFK Pool

Was auch damit zusammenhängt, dass schon damals der Offenbach-Librettist Richard Genée und Johann Strauß der verlogenen Wiener Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten haben, über den diese alles andere als erfreut war. Und das vor allem mit Extempores, die, Metternichs Zensoren sei gedankt, seit Nestroys Zeiten ganz in der Tradition des Wiener Volkstheaters stehen.

Neue Dialogfassung mit einem anderen Finale

Für die queere Inszenierung seines Freundes Maximilian von Mayenburg am Schauspiel Graz hat David Gieselmann aus dem Libretto der „Champagner-Oper“ von Carl Haffner und Richard Genée 2019 eine neue Dialogfassung mit verändertem Finale geformt. Gabriel von Eisenstein (William Hauf) muss ins Gefängnis, weshalb er seinen Anwalt Dr. Blind (hier kein „Stotterbock“: Justus Rosenkranz) übel beschimpft. Als ihn sein Freund, der Notar Dr. Falke (Linet Arndt), mit zum Ball des russischen Prinzen Orlofsky (Sarah Flechtker) nimmt, kann sich Eisensteins Gattin Rosalinde (Anna Tabea Stockbrügger) ihrem Liebhaber Alfred (Camillo Guthmann) widmen.

Der vom Gefängnisdirektor Frank (Anton Engelmann) als Eisenstein verhaftet wird. Nun kann auch Rosalinde zum Ball, auf dem sich bereits ihre Bedienstete Adele (Salome Zehnder) mit ihrer Schwester Ida (Lena-Sophie Baer) vergnügt. Verkleidet als ungarische Gräfin erkennt sie in Marquis Renard ihren Gatten und luchst dem notorischen Verführer seine Taschenuhr ab. Falkes Rache der Fledermaus für eine drei Jahre zurückliegende Demütigung beschränkt sich bei Gieselmann freilich nicht auf Eisenstein: Er verkündet, allen Gästen Gift in den Champagner gemischt zu haben…

Sprachlich näher in der Gegenwart

Die Überschreibung des Hamburger Dramatikers bringt den Stoff nicht nur sprachlich näher an unsere Gegenwart, sondern eröffnet besonders den Frauenfiguren neue Perspektiven. Katharina Birch hat dieses Fest einer gelangweilt-gesättigten Gesellschaft, die stets auf der Suche nach dem ultimativen Kick ist, als Stoff gewählt für die jährliche Bochumer Inszenierung mit dem dritten Jahrgang des Studiengangs Schauspiel der Folkwang-Universität. Weil sie, so die Regisseurin (zuletzt in Bochum „Die Schöne und das Biest“ und „Der Struwwelpeter“) gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, im Schauspiel-Bereich nichts Passendes fand, um den elf Studierenden gleichwertige Rollen anbieten zu können.

Hoch her geht’s auf dem Ball des Prinzen Orlofsky (v. li.) Justus Rosenkranz, Camillo Guthmann, Lena-Sophie Baer, Sarah Flechtker, Paula Julie Pitsch, Tom Gerhartz und Salome Zehnder.

„Schlag nach bei Shakespeare!“ möchte man der gebürtigen Berlinerin mit Cole Porter zurufen, die studentischen Aufführungen an der Königsallee und im Schlossparks Weitmar haben in den vergangenen Jahrzehnten Dutzende Talente hervorgebracht, die den Ruhm der Shakespeare-Stadt Bochum bis heute befeuern.

Nun also eine Fledermaus fast ohne Johann Strauß mit einigen entschlackten Ohrwürmern und beim Ball im zweiten Akt Extempores (Herbert Grönemeyer, Leonard Bernstein) vom Band. Dafür mit einer Anleihe an Dieter Roths dadaistisches Monodram „Murmel, Murmel“, das 2018 in Herbert Fritschs Berliner Volksbühnen-Inszenierung an der Bochumer „Kö“ gastierte.

Musikalische Talente

Das spielwütig-engagierte Ensemble auf der nur aus einer überdimensionierten Fliege bestehenden Drehbühne, vom Ausstatter-Duo Georg & Paul (Eva Henschkowski und Lolita Hindenberg) in moderne Kostüme unter schrägen Frisuren gesteckt, noch zu nennen Tom Gerhartz als Gefängniswärter Frosch und Paula Julie Pitsch, offenbart durchaus auch musikalische Talente, sängerisch vor allem Salome Zehnder und instrumental Sarah Flechtker mit ihrem Trompetensolo. Nach 80 Minuten ist der turbulente Spaß ohne vierte Wand schon wieder vorbei.

Die nächsten Vorstellungen in den Kammerspielen des Schauspielhauses Bochum:

  • Mittwoch, 17. April 2024, 19.30 Uhr
  • Mittwoch, 24. April 2024, 19.30 Uhr (mit Einführung um 19 Uhr)
  • Freitag, 3. Mai 2024, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 12. Mai 2024, 19 Uhr (mit Einführung um 18.30 Uhr)
  • Freitag, 17. Mai 2024, 19.30 Uhr (mit Einführung um 19 Uhr)
Anzeige: Spielwahnsinn 2024

Karten unter schauspielhausbochum.de oder an der Theaterkasse unter Tel. 0234 – 33 33 55 55.

Mai
3
Freitag
Freitag, 3. Mai 2024, um 19:30 Uhr Schauspielhaus Bochum , Königsallee 15 , 44789 Bochum Karten unter schauspielhausbochum.de oder an der Theaterkasse unter Tel. 0234 – 33 33 55 55.
Weitere Termine (2) anzeigen...
  • Sonntag, 12. Mai 2024, um 19 Uhr
  • Freitag, 17. Mai 2024, um 19:30 Uhr
Vergangene Termine (2) anzeigen...
  • Mittwoch, 17. April 2024, um 19:30 Uhr
  • Mittwoch, 24. April 2024, um 19:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann
Stellenanzeigen: Jobs in Herne