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Uggels sind die Ureinwohner des Steinzeitplaneten Uggel.

Weltraum-Oper des Pangalaktischen Theaters

Die Eigentumshöhle

Der liebe Gott macht Urlaub auf dem Steinzeitplaneten Uggel. Dort bewohnt er eine Höhle, die er mit einer kreisförmigen Platte schließen kann. Welche nicht zufällig der Himmelsscheibe von Nebra nachempfunden – einer Wegmarke der Sesshaftigkeit des Menschen. Als ihn zwei Ur-Uggels beim Yoga mit Angelika stören, weil sie sich im breiten Ruhrpott-Platt lautstark darüber ärgern, dass ihre Feuersteine keine Funken sprühen, schenkt er ihnen kurzerhand das Feuer – und löst damit versehentlich eine Blitzrevolution aus.

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Dagegen herrscht auf dem Planeten Uila herrliche Ruhe. Seit dem großen Zeitriss (im Vorläufer-Drama „Das Zeitrad“) verbringt Mtoktok Johannson, als Zeitfahrer von Uila zuständig für den Fortlauf der Zeit, sein Leben in absoluter Zeitlosigkeit. Freilich fühlt er sich abgehängt und verlassen, nicht zuletzt, weil seine Rente so knapp ist, dass er sich nur Reisen mit dem Finger auf der Landkarte leisten kann. Weshalb sich der Kleinstgrundbesitzer darüber Gedanken macht, seine finanzielle Lage zu verbessern nach dem Motto „Eigentum verpflichtet“ – es zu hegen und zu pflegen, es nötigenfalls zu verteidigen und jedenfalls auszubauen.

Betongold heißt das Zauberwort

Wie man am großen Rad des Kapitalismus dreht, kann Mtoktok Johannson von seiner Tochter Meijnen lernen, die sich mit ihrer Idee der FeelGood-Platten mit einem Schlag in die Businesswelt katapultierte an der Seite ihres Lebensgefährten, des Zeitradmechnanikers Hans Olo. Nun kann sie im intergalaktischen Diner „Mampf-Ort and Sons“ Hof halten, sogar das Zasta-Magazine wartet mit einer Titelstory auf. Betongold heißt das neue Zauberwort, Investitionen in Immobilien werfen den größten Profit ab – und schon beklagen sich die Ur-Uggels über die Gentrifizierung ihres intergalaktischen Atolls, auf dem sie kaum mehr bezahlbare Höhlen finden. Was hat ein gewisser Schleicher mit den miesen Deals, welche das pangalaktische Gleichgewicht gehörig ins Wanken bringen, zu tun? Und wer ist eigentlich Mad Igel?

Der einsame Mtoktok Johannson in unwirtlicher Umgebung.

Eine Weltraum-Oper mit Masken und Puppen aufzuführen in diesen unseren pandemischen Zeiten, ist auch für das in Essen beheimatete, aber mit drei Hernern „bestückte“ Pangalaktische Theater eine multimediale Herausforderung. So musste die Uraufführung des zweiten, von der Fidena Bochum geförderten Stücks „Die Eigentumshöhle“ Ende 2020 im Netz als VoD-Stream bei Twitch stattfinden. Nach einer Privataufführung diesen Sommer in einem Herner Garten konnte jetzt endlich die Leinwand-Premiere erfolgen - im Prenzlberger Programmkino Krokodil im Rahmen des Internationalen Festivals des zeitgenössischen Figuren- und Objekttheaters „Theater der Dinge“ in Berlin, das sich heuer unter dem Motto „Die Welt ohne uns“ mit dem Ende des Anthropozäns beschäftigte.

Drei Herner im Aufgebot

Mit Nadia Ihjeij, Absolventin des Studienganges Zeitgenössische Puppenspielkunst an der renommierten Berliner Ernst Busch-Hochschule, mit dem Videokünstler und Filmemacher Patrick Praschma sowie dem Schauspieler Till Beckmann konnten sich gleich drei Herner dem Applaus des begeisterten Berliner Publikums stellen neben dem Dortmunder Lichtdesigner Moritz Bütow, der auch die Renegade-Arbeiten in den Flottmann-Hallen ausgestaltet, der Grafikdesignerin und Bühnenbildnerin Britta Wagner und dem Dortmunder (Theater-) Musiker Tommy Finke.

Schon das erste Projekt des Pangalaktischen Theaters, „Das Zeitrad – Die unglaublichen Abenteuer von Meijnen und Mtoktok Johannson in der Galaxie von Uila und drumherum“, war bei der Premiere 2019 im Bochumer Prinz Regent Theater im Rahmen des Fidena-Wettbewerbs um den Fritz Wortelmann-Preis ein enormer Publikumserfolg: Auf dem Planeten Uila läuft alles nach Plan – immer. Denn Mtoktok Johannson geht seiner Arbeit jeden Tag aufs Neue gewissenhaft nach. Als jedoch seine Tochter Meijnen bemerkt, dass für ihn ein Urlaub längst überfällig wäre, schickt sie ihn in die Ferien, mit dem Versprechen, sich währenddessen ums Zeitrad zu kümmern. Das jedoch scheint schwieriger als erwartet. Denn auch der Rat der Zeit hat ein Auge auf die Geschehnisse Ulias…

Uraufführung als Live-Stream

„Die Eigentumshöhle“, der zweite, weitaus politischere Teil der Weltraum-Oper, konnte im vergangenen Jahr Corona-bedingt nicht als Schauspiel produziert werden, weshalb sich das sechsköpfige Team für eine Zwitterlösung entschied: die Uraufführung als Live-Stream, spätere Aufführungen als Film. Mit Informationen rund ums Thema Wohnungsmarkt gefüttert vom in Berlin und Essen situierten Recherchekollektiv „correctiv“ ging das sechsköpfige Team daran, mit Materialien vom Flohmarkt, aber auch Alltagsgegenständen wie Milchtüten und Klopapier-Rollen eine Recycling-Galaxie zu erschaffen, die – und das ist ein absolutes Kompliment – an die Bilderwelten des Defa-Animationsfilmers Kurt Weiler erinnert, der in den 1970er und 1980er Jahren mit Filmen wie „Die Suche nach dem Vogel Tulipan“ oder „Die Geschichte von Kalif Storch“ weltweit Preise einheimste.

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Auf das an den Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ erinnernde Intro folgt eine launig-schräge, ironische, ungemein witzige siebzigminütige Hommage an Star Wars mit zahlreichen SciFi-Verweisen. Die kreative Mischung aus Film und Theater, aus Puppen- und Schauspiel samt einer Making-of-Szene in einem Green-Screen-Setting begeistert – und macht Lust auf mehr. Die dritte Produktion des Pangalaktischen Theaters soll, so es die Corona-Pandemie zulässt, wieder ein Schauspiel werden – mit multimedialer Begleitung versteht sich.

| Autor: Pitt Herrmann