
Roman des Bochumer SZ-Autors Klute nominiert
Das Herz, ein bewegtes Kerlchen
„Was dann nachher so schön fliegt“: So lautet der Titel des Roman-Erstlings des Bochumer SZ-Redakteurs Hilmar Klute, der sich jetzt auf der 'short list' zum Literaturpreis Ruhrgebiet 2020 befindet. Damit zählt dieser Entwicklungsroman zu den fünf in der engeren Auswahl befindlichen Werken, die der Kommunalverband Ruhrgebiet (RVR) nominiert hat. Am Freitag, 4. September 2020, wird die Auswahl-Jury ihre Entscheidung bekannt geben. Erstmals in der Geschichte des Preises wird ein Roman ausgezeichnet, die bisherige Würdigung einer Lebensleistung entfällt.
„Mein Herz war ohnehin ein verwegenes Kerlchen geworden, mit einem Flügel in einer unmöglichen Liebe, mit dem anderen im Reich der Poesie.“ So beschreibt Ich-Erzähler Volker gegen Ende des knapp 360-Seiten-Buches seine eigene Situation und Gefühlswelt. In Bochum, auch die Geburtsstadt des arrivierten Autors, absolviert er seinen Zivildienst und erhält eine Einladung zu einem Poeten-Treffen Gleichgesinnter in Berlin. Hier trifft er auf Katja, beginnt eine Affäre, das Verliebtsein aber fehlt. Es sind skurrile Typen, die ihm begegnen und sich an der Spree die Nächte um die Ohren schlagen.
Für sensitive Leser ist es teils starker Tobak, den Klute beim Beschreiben der Parallel-Welten Altenheim und angehendes Poetentum verwendet. Hilmar Klute, Anfang Fünfzig, hat sich als Verantwortlicher und hauptsächlicher Verfasser der SZ-Vorzeigekolumne „Das Streiflicht“ unzweifelhaft einen guten Ruf erarbeitet. Diese Glossen erweisen ihn als vorzüglichen Schreiber und Formulierer mit viel Bildung, aber auch Humor und oft sehr feiner Ironie. Doch ob es um unwürdige Zustände in der Altenbetreuung geht oder um Mobbing unter Homosexuellen, hier nennt er Dinge beim Namen, die mitunter nichts für zart besaitete Gemüter sind. Seine Kenntnisse der Literaturszene Mitte der 1980er Jahre im Ruhrgebiet sind enorm und sehr frappierend, wohl auch ein Grund für die Nominierung aus Essen.
Der 20-jährige Volker wird seinen Weg in die Welt der Dichtung finden. Auf seine ganz ureigene Weise, ohne vorgefertigte Schablonen und ohne Bezug auf hehre Vorbilder. Denn Klutes Roman endet mit einem Paradoxon, aber einem, das Selbstbewusstsein und frohen Mut mit einer Prise Eigensinn zeigt. So befremdlich manche Schilderungen auch sein mögen, ein Schlüsselort im Berlin zwischen Brecht-Haus und Bülowbogen ist die Dachterrasse bei Karstadt am Neuköllner Hermannplatz. Wie der heutige Wahl-Berliner Klute verrät, ist es obendrein ein touristischer Geheimtipp – zumindest solange nicht der zur Zeit heiß diskutierte Retro-Umbau beginnt.
Klute, der selbst autobiographische Züge in seinem Erstlingswerk gesteht, hat den im Berliner Galiani-Verlag erschienen Roman bereits im Literaturhaus Herne vorgestellt. Zur Eröffnung der unter dem Motto „Zukunft ist Herkunft“ vom 25. September bis 10. Oktober 2020 stattfindenden Literaturtagen Recklinghausen stellt er am 25. September 2020 um 19.30 Uhr im Rathaus auch seinen zweiten großen Wurf „Oberkampf“ vor, moderiert von Antje Deistler. Tickets unter Tel. 02361 – 180 52 730.