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Roland Riebeling ist in Bochum zurück mit „Dädalus und Ikarus“ von Dario Fo.

Brillantes Solo von Roland Riebeling

Dädalus und Ikarus

Das tragische Ende der Ikarus-Sage kennen die Meisten zumindest grob: Aus Hochmut fliegt dieser zur Sonne und stürzt ab, als seine menschengemachten Schwingen unter der Hitze schmelzen. Doch wenn es um den Ausgangspunkt der einst von Ovid aufgeschriebenen Legende geht, um Ikarus‘ Vater Dädalus, ist die Geschichte oft weit weniger geläufig: Aus Zorn sperrt König Minos den versessenen Erfinder Dädalus und seinen Sohn Ikarus in jenes Labyrinth ein, das Dädalus selbst entworfen und errichtet hat. Gemeinsam suchen Dädalus und Ikarus nach dem Ausgang, stolpern in Falle um Falle, verlaufen sich vor die Hörner ihres furchterregenden Mitgefangenen Minotaurus.

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In „Dädalus und Ikarus“, 1980 veröffentlicht in der Sammlung „Storia della Tigre e altre storie“ von vier Monologen, wobei die „Geschichte einer Tigerin“ in der deutschen Übersetzung von Peter O. Chotjewitz die bekannteste ist, bedient sich der 2016 im Alter von 90 Jahren verstorbene italienische Literaturnobelpreisträger Dario Fo diesem Mythos, verblüffte aber das Publikum seines Mailänder Piccolo Teatro bei der Uraufführung in der Spielzeit 1979/80 mit einer sehr eigenen, modernen und zuweilen derben Interpretation der fantastischen Ereignisse. In der sich Ikarus als Figur des Widerstands (gegen seinen Vater) exponiert.

Am Prinz Regent Theater schlüpft mit Robert Riebeling ein sinnlicher, aber auch mit Slapstick brillierender Schauspieler in ein Dutzend Rollen.

„Wie leben in Zeiten von Krisen?“ In einer erläuternden Vorrede, einer Art Prolog, hat Dario Fo die Legende um Vater und Sohn in einen neuen Kontext gestellt: Statt wie Ovid die Folgen des Hochmuts zu thematisieren, fragt der frühere PCI-Kommunist und spätere Movimento 5 Stelle-Aktivist Dario Fo nach den Auswirkungen einer nicht abreißenden Kette von politischen, gesellschaftlichen und sozialen Krisen auf die Menschen. Und hinterfragt damit den Freiheitsbegriff überhaupt: Es gibt keine Insel der Glücksseligkeit, es sei denn, man erschafft sie sich selbst.

42 Jahre später scheint „Dedalo e Icaro“ aktueller denn je. In der einschließlich Pause fast zweistündigen Inszenierung von Alexander Vaassen am Prinz Regent Theater, dem bemerkenswerten Regiedebüt des Essener Folkwang-Studenten, zieht ein TV-bekannter Bochum-Rückkehrer alle Register: Roland Riebeling. Schwarze Hose, nackter Oberkörper unterm schwarzen Sakko: Von 2010 bis 2018 Ensemblemitglied am Schauspielhaus in der Intendanz Anselm Webers und seit 2018 einem großen Publikum bekannt als Assistent Norbert Jütte der Kölner „Tatort“-Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk, verkörpert der einstige Absolvent der Westfälischen Schauspielschule Bochum alle Rollen samt die des Erzählers: Der 44-jährige Essener ist Vater, Sohn und wutschnaubender Stier.

Ein Pantomime mit imaginierten Requisiten auf nackter Bühne, der zur tragbaren Soundmaschine Sirtaki tanzt: die Legende spielt schließlich in Griechenland. „Oh Vater, wir sind im Kreis gelaufen“: Selbst in der für PRT-Verhältnisse ungewöhnlichen Pause gönnt sich Roland Riebeling keine solche, sondern schreitet barfuß die Bühne ab, konzentriert sich auf den zweiten Teil des enormen Textkonvoluts. In dem er zu Panflöten-Popmusik sogar die Vögel darstellt, die Dädalus mit einem Spiegel anlocken will. Der begnadete Slapsticker verwandelt sich einen Augenblick später in den König der Lüfte: Adlerfedern sollen den Titelfiguren zum Ausbruch verhelfen.

Passt zum gegenwärtigen horriblen Weltgeschehen: Als Hintergrundgeräusch läuft ständig Terror und Krieg mit, sei es in der Stadt, die vom Turm des labyrinthischen Gefängnisses aus sichtbar wird, sei es auf der von Bauern und Fischern bewohnten Insel, auf der Dädalus und Ikarus schließlich landen. In den 1980er Jahren wurden am Schauspielhaus Bochum nicht weniger als sieben Fo-Stücke inszeniert, darunter 1981 die Deutsche Erstaufführung von „Hohn der Angst“. Aber auch in den Neunzigern gabs bemerkenswerte Erfolge – mit dem Wanne-Eickeler Schauspieler Volker Mosebach in „Der Teufelsschiss“ und „Die Tigergeschichte“. Und das Prinz Regent Theater landete 1997 mit „Offene Zweierbeziehung“ einen 2017 wiederaufgenommen Dauerbrenner. Im Rottstr5Theater schließlich kam 2012 „Tag des Zorns“ heraus: Bochum bleibt ein gutes Pflaster für Dario Fos prononcierte und dabei stets höchst unterhaltsame Stücke.

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Die nächsten Vorstellungen: Am Mittwoch, 26. Oktober 2022, und am Samstag, 29. Oktober 2022, jeweils um 19:30 Uhr, am Sonntag, 30. Oktober 2022, und am Sonntag, 6. November 2022, jeweils um 18 Uhr, am Samstag, 3. Dezember 2022, um 19:30 Uhr sowie am Sonntag, 4. Dezember 2022, um 18 Uhr im Prinz Regent Theater Bochum. Karten unter prinzregenttheater.de oder Tel 0234 – 77 11 17.

Vergangene Termine (4) anzeigen...
  • Mittwoch, 26. Oktober 2022, um 19:30 Uhr
  • Mittwoch, 26. Oktober 2022, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 29. Oktober 2022, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 30. Oktober 2022, um 18 Uhr
Vergangene Termine (3) anzeigen...
  • Sonntag, 6. November 2022, um 18 Uhr
  • Samstag, 3. Dezember 2022, um 19 Uhr
  • Sonntag, 4. Dezember 2022, um 18 Uhr
| Quelle: Pitt Herrmann
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