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Covid-19? Abstände einhalten und andere mit Masken schützen? - Quatsch!

Eine Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Corona-Pulverfass

Stand Samstag (1.08.2020) haben wir in Deutschland nach Johns Hopkins Universität (JHU) 210.676 Infektionen mit SARS-CoV 2 verifiziert. Davon sind 192.451 Personen genesen und 9.153 gestorben. Bleiben also noch 9.072 aktuell erkrankte, die das Virus verbreiten könnten. Nur, diese 9.072 Menschen sind bekannt und befinden sich in Quarantäne, können also für eine flächenhafte Verbreitung des Virus nicht ursächlich sein. Trotzdem werden Fallzahlen-Anstiege in zahlreichen Gemeinden beobachtet, in Ost und West, Nord und Süd. Dabei handelt es sich keineswegs um importierte Infektionen. Nach Auskunft des RKI hat sich der größte Teil der Betroffenen in Deutschland angesteckt, Fälle von Reiserückkehrern machen kaum mehr als 10 Prozent aus.

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Woher kommen also die Ausbrüche allenthalben?

Fakt ist: Getestet werden innerhalb Deutschlands im Wesentlichen nur die Menschen, die Symptome entwickeln und deren Kontaktpersonen, die ermittelt werden können. Daneben gibt es aber mit größter Wahrscheinlichkeit multiple Ausbrüche, die keiner bemerkt, weil die Betroffenen keine Symptome zeigen. Ausgelöst werden sie von Personen, die symptomlos aber infektiös sind. Aufgrund der sommerlichen Temperaturen halten sich die Menschen viel im Freien und relativ selten mit anderen in geschlossenen Räumen auf. Dadurch wird ein großer Teil dieser Infektionsketten wieder abreißen und verdämmern. Das Problem sind derzeit nicht die bekannten Infektiösen, sondern diejenigen, die anonym ohne Symptome sind, sich aber leichtfertig unters Volk begeben, Abstände nicht einhalten und sich und andere nicht mit Masken schützen. Deutschland-, ja europaweit besteht derzeit eine Art infektiöses Grundrauschen. Bei einem R-Faktor um 1 ändert das zwar seine moderate „Lautstärke“ kaum, bleibt jedoch immer vernehmlich und kann bei mangelnder Vorsicht zu einem Donnergrollen, wenn nicht gar zu einer Explosion anschwellen.

Wo zu Beginn der Krise bei den politischen Entscheidungsträgern noch konsequente Entschlossenheit herrschte, macht sich – auch unter dem Druck der Wirtschaft und der Spaßgesellschaft - zunehmend der „schwedische Schlendrian“ breit. Reiserückkehrer können sich jetzt zwar, sogar kostenlos, testen lassen. Verpflichtend ist das aber nicht. Ob verschreckt vom virusgebeutelten Wolfgangsee oder verkatert von den Corona-Partys auf Malle – sie brauchen einen Test nur zu machen, wenn sie Lust dazu haben. Und den bekommen sie auch nicht gleich am Flughafen oder am Bahnhof und schon gar nicht an der Landesgrenze, sondern müssen sich beim Hausarzt melden. Nur, wer explizit aus Risikogebieten kommt, kann – muss aber nicht - sich unmittelbar am Flughafen testen lassen. Eine wirksame Kontrolle der alternativen 14-tägigen Quarantäne gibt es nicht. Keine Kommune ist in der Lage, weder rechtlich noch faktisch, das Reiseverhalten ihrer Bürger zu überwachen. Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, tendiert für Quarantänemuffel gegen Null. Fast ist es wieder so, wie zu Beginn der Pandemie, als Fluggäste aus China und dem Iran einfach so einreisen konnten. Hotspots wie Ischgl wurden sogar über Wochen von den Behörden ignoriert.

Die Kontrollen der Maskenpflicht in Supermärkten, Bussen und Bahnen kann man ebenfalls nur als lausig bezeichnen. Deshalb halten sich immer weniger Bürger daran. Bestenfalls lassen diese Schlaumeier die Maske lässig unter dem Kinn baumeln, um sie bei einer Kontrolle schnell aufsetzen zu können.

Muss man den politischen Entscheidungsträgern denn immer wieder aufs neue in Stammbuch schreiben, dass nicht die verantwortungsvollen 60 Prozent der Bürger mit Sozialkompetenz das Problem sind, sondern der egoistische oder schlicht dämliche Rest? Die reagieren bekanntlich nur, wenn die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, gegen 100 Prozent tendiert. Natürlich schreien sie darüber Zeter und Mordio, randalieren in den Innenstädten von Frankfurt oder Stuttgart oder demonstrieren sogar in Berlin für angebliche Grundrechte. Gerade das scheint aber unsere derzeit nach Urlaubsruhe gierenden Politiker in ihrer Entschlossenheit zu lähmen.

Leider schwächelt auch die Corona-App. Lange von der Regierung als Allzweckwaffe im Kampf gegen die Pandemie gepriesen, zeigen sich jetzt erhebliche technische Mängel. Neben dem wesentlichen Geburtsfehler, dass das Warn-Tool nur auf neueren Smartphones läuft, schien es auf i-Phones und einigen Android-Geräten gar nicht richtig zu funktionieren. Offensichtlich scheinen in der Vorstellungswelt von twitternden Politikern und Dax-Vorständen nur Konsumenten vorzukommen, die ihren IT-Bestand halbjährlich auf den neuesten Stand zu bringen pflegen. Kein Wunder, dass die Nutzerzahlen der App seit rund einem Monat bei um die 15 Millionen dümpeln. Forscher sprechen ihr zwar auch so einen Nutzen zu. Aber als schlagkräftiges Werkzeug gegen die Pandemie fällt das Tool aus. Die Infektionsketten müssen die Gesundheitsämter weiterhin vor allem händisch nachverfolgen.

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Ich bin sehr besorgt, dass der nachlassende Wille, sich mit voller Kraft gegen die Ausbreitung des Virus zu stemmen, in Politik und Bevölkerung erlahmt und der Kampf gegen das Virus sukzessive eher zäher als leichter wird. Übertragungen, das weiß man inzwischen, finden vor allem in geschlossenen Räumen statt. Wenn sich die Aktivitäten vieler Menschen, die jetzt draußen stattfinden, im kühlen Herbst wieder in Innenräume verlagern, kann sich das derzeit noch moderate Infektionsgeschehen als Pulverfass erweisen, das uns dann gewaltig um die Ohren fliegt - europaweit. Die Folgen eines erneut erforderlichen internationalen Lockdowns mag ich mir noch gar nicht ausmalen.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey