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Kolumne zu Pfingsten 2020

verwalten wir die Asche

Anstatt das Feuer zu entfachen...

Gottes Geist setzt uns in Bewegung / nach Grömitz und Fehmarn / Husum und Föhr / nach Salzburg und München / Er macht uns zu zeugen / seiner Menschenfreundlichkeit / in den Staus auf der A1 / und am Frankfurter Kreuz.

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Dieses Gedicht ist fast 40 Jahre alt. Heutzutage ist die Bewegung noch sehr viel größer als damals und die Staus bedeutend zahlreicher und länger (sogar unter Corona) Man könnte meinen, das Pfingstfest sei einst von der Touristikbranche erfunden worden. Aber das ist es auf keinen Fall - gegen jeden noch so mächtigen Anschein. Deshalb rufe ich hiermit ins Gedächtnis: Das erste Pfingsten geschah vor rund 2000 Jahren, und die Bibel, Apostelgeschichte 2, berichtet darüber. Die Jünger Jesu mußten erst einmal Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt verkraften; eigentlich verstanden sie gar nichts. Wie konnten sie auch, wir verstehen es ja auch genauso wenig! Sie hatten sich mehr oder weniger verschüchtert zurückgezogen, einige von ihnen leckten noch immer ihre Wunden. Aber plötzlich, als sie gerade alle zusammen waren, wurden sie erfüllt vom Geist Gottes; und zum Zeichen dafür sah man Feuerzungen über ihren Köpfen tänzeln. Jetzt kam etwas in Bewegung: aus denen, die die Klappe hielten, wurden Leute, die keineAngst mehr hatten, den Mund aufzumachen; aus zurückgezogenen Angsthasen wurden mutige Bekenner, die die Öffentlichkeit suchten. Obwohl die Feuerzungen über ihren Köpfen zu sehen waren, müßte man wohl sagen: ihnen wurde „Feuer unterm Hintern“ gemacht. Pfingsten ist das Fest der Begeisterung, der Bewegung und des Bewegtseins, es ist das Fest des Neuanfangens und Neudurchstartens. Es geht ums Wachwerden und Erweckung, ums Entflammtwerden und Brennen. Und weil durch diese bewegten und entflammten Jüngern dann die ersten christlichen Gemeinden entstanden sind, wird Pfingsten auch „Geburtstag der Kirche“ genannt.

Die Kurzform der Erklärung muss jetzt reichen. Allerdings reicht sie auch schon dafür, dass einem die Frage kommt, wo denn dieses pfingstliche Bewegtsein geblieben sein mag. Vielleicht hat es sich ja wirklich auf die Autobahnen hin verlagert?

Schon Sören Kierkegaard (1813-55), der dänische Philosoph und Theologe, konstatierte in seiner Zeit in Anlehnung an die alte Pfingstgeschichte :“Christentum ist Brandstiftung“. Es verändere den Einzelnen und die Gesellschaft. Aber alles, was er zu sehen glaubte, war: alles sei beim alten geblieben, es habe nur den Namen „christlich“ angenommen. Aus Brandstiftern seien Feuerwehrleute geworden. Oder wir könnten es mit der obigen Kunstkarte ausdrücken: anstatt das Feuer zu entfachen, verwalten wir die Asche. Ich kann mir denken, daß sich so mancher jetzt schadenfroh die Hände reibt und denkt: Das habe ich doch schon immer gesagt!

Vorsicht! Man kann ja nur eine Sache verstehen, wenn man sich auf diese Sache ein Stück einläßt. Von außen sehen alle Kirchenfenster nur grau aus, erst wenn man die Kirche betritt, sieht man die wunderbaren stahlenden Farben und erkennt man die Motive. Dass man sich einlassen muß, ist ein Erkenntnisprinzip. Und das gilt in besonderer Weise für das Pfingstgeschehen. Insofern ist Pfingsten auch so etwas wie das Fest der (persönlichen) Einlassung. Ohne Einlassung keine Bewegung. Um welche Bewegung geht es eigentlich?

Es geht um das Bewegtwerden zu Glaube, Liebe, Hoffnung hin und es geht um das Bewegtwerden durch Glaube, Liebe, Hoffnung hin zu den Menschen. Und das geschieht immer nur in der Mitte des einzelnen Lebens, im Innern, es geschieht nicht durch äußere Maßnahmen. Es ist nicht die Folge von Betriebsamkeit jeglicher Art. Da kann vor Ort viel los sein, und dennoch ist niemand wirklich Feuer und Flamme, geschieht keine Verwandlung, erwächst kein Neues.

Insofern macht es immer noch oder erst recht Sinn, das alte Gebet zu sprechen und zu singen „Veni, creator spiritus“ (Komm, Schöpfergeist). Denn dieser Geist schafft Neues aus Trümmern, entzündet in der Dunkelheit eine lodernde Flamme, wo nur noch ein glimmender Docht war. In seinem lyrischen Drama „Spiel um Job“ hat der amerikanische Dramtiker Archibald MacLeish (1892-1982) die Leidensgeschichte des alttestamentlichen Hiob in die heutige Zeit übertragen. Am Ende des Dramas, das Land verwüstet, die Stadt zerstört, sagt Hiobs Frau Sarah auf den Trümmern in der Dunkelheit zu Hiob: Blas auf die Kohle des Herzens.

Die Kerzen in Kirchen sind aus.

Die Sterne am Himmel sind fahl.

Blas auf die Kohle des Herzens-

Und wir werden sehn übers Mal….

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Wo das geschieht, ist Pfingsten, zumindest ein wenig. In diesem Sinne…

| Quelle: Hans-Jürgen Jaworski