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Hans-Jürgen Jaworski.

Eine Kolumne von Hans-Jürgen Jaworski

An einem Tisch sitzen

Meine Enkelin Elisa hat heute Geburtstag. Eine Feier wie sonst üblich ist jetzt natürlich nicht drin. Besonders für die Großeltern, die zur Risikogruppe gehören, gilt: Bitte zuhause bleiben!

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Deshalb wurde vor Tagen die Idee geboren, daß ein Pizza-Service den Großeltern Punkt 18 Uhr ihre Wunschpizza bringt. Dann können wir- sichtbar verbunden durchs Internet- uns über den 15“Bildschirm zuprosten und eine virtuelle Mahlgemeinschaft bilden. Ich wollte entweder eine Pizza Diabolo oder eine Frutti di Mare. Aber dann dachte ich, als Theologe eine Diabolo…ne, geht nicht. Also, Frutti di Mare. Ist auch biblischer. Meeresfrüchte spielen in der Bibel immer wieder eine gewisse Rolle…Petrus war bekanntlich Fischer in seinem ersten Beruf.

Ich erzählte unserem Cool-Cats-Zeichner Jörg von dieser fantastischen Idee. Sein cooler Kommentar:“Klar, Pizza-Brotbrechen!“

Genau:„Brotbrechen“ ist das Stichwort dieses Tages; denn der heutige Tag, also der Gründonnerstag, ist der Tag als Jesus zum letzten Mal mit seinen Jüngern vor seiner Gefangennahme das Brot gebrochen hatte: „Und als sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach`s und gab`s ihnen…“

Auf dieses Geschehen basiert unser Abendmahl, und der Gründonnerstag ist quasi dessen „Geburtstag“. Deshalb würde an diesem Tag normalerweise ein besonderer Gottesdienst gefeiert werden. Geht aber leider nicht, und es ist unsinnig, das Abendmahl jetzt virtuell zu feiern,das heißt über den Bildschirm zu sehen, wie einer feiert. Beim Abendmahl geht es in erster Linie um Gemeinschaft. Das ist sein großes Thema und Anliegen. Das gemeinsame Essen ist seit der Antike immer ein Zeichen für Verbundenheit und Gemeinschaft gewesen. Man sitzt an einem Tisch. Versöhnung ist jedoch immer die Voraussetzung dafür. Verfeindete sitzen eben nicht an einem Tisch.

Im Sinne der Gemeinschaft zu handeln, wird während dieser Krise immer wieder angemahnt. In der Tat gibt es gute Beispiele im derzeitigen Alltag für Hilfsbereitschaft und für das „Teilen des Brotes“. Aber leider auch für das Gegenteil, noch aus der Krise und der Not der Menschen Kapital zu schlagen. Und wenn man an die sogenannte Weltgemeinschaft denkt, dann ist leicht festzustellen, daß immer weniger geteilt, jedoch umso mehr ausgebeutet wird.

Die Botschaft dieses Tages dazu wäre: Wer mit seinem Schöpfer versöhnt ist, kann auch mit seinen Mitgeschöpfen, ja, mit der ganzen Schöpfung versöhnt sein. Ich weiß, das ist ein steiler Satz. Aber im Mikro-Kosmos unserer Herzen kann dessen Wahrheit Wirklichkeit werden.

Der heutige 9. April 2020 ist allerdings (nicht als Gründonnerstag) in anderer Hinsicht ein besonderer Tag. Heute vor 75 Jahren ist der lutherische Theologe Dietrich Bonhoeffer als profilierter Vertreter des Widerstandes gegen das Nazi-Regime im Kz Flossenbürg hingerichtet worden. Er ist nur 39 Jahre alt geworden. Abgesehen davon, dass es in seinen theologischen Arbeiten fundamental um Gemeinschaft und Gemeinde ging, hat er es geschafft, in seinen Schriften und gerade auch in seinen Briefen aus der Gefangenschaft Hoffnung und Zuversicht zu verbreiten. Im Dezember 1944 schrieb er einen letzten Brief an seine Verlobte, er hatte wahrscheinlich die Ahnung, dass er sie nicht mehr wiedersehen würde. Darin schrieb er das Gedicht, was mittlerweile die ganze Welt umspannt: Von guten Mächten

Daraus einige Zeilen (der ganze Text findet sich mannigfach im Internet): „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. / Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. / Noch will das Alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last. / Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Selen das Heil, für das du uns geschaffen hast…/ Lass warm und hell die Kerzen heute flammen, die du in unsre Dunkelheit gebracht, / führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen! Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht…

Allen, die in diesen Tagen unter Trennung, Einsamkeit und Gebrechen leiden oder die trauern um geliebtes Leben, wünsche ich die Kraft, die aus diesen Zeilen spricht.

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Und meinem Geburtstags-Enkelkind (aber auch allen anderen heutigen Geburtstagskindern) wünsche ich für das neue Lebensjahr, dass sie von „guten Mächten „ geborgen sein mögen.

| Quelle: Hans-Jürgen Jaworski