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Mit zunehmender Grandezza spielt Irina (Greta Bohacek) ihre Rolle in einem schrecklich schönen Untergangsszenario auf Leben und Tod.

Sekten-Horror auf griechischer Insel

A Pure Place

„Aus Erde und Dreck wuchs ein Mädchen. Anders als alle anderen. Ihre Zähne waren weiß wie Schnee. Ihr Name war Hygeia“: Dieses paradiesische Märchen eines Mädchens reinen Herzens erzählt Irina (die bereits 20-jährige Greta Bohacek) ihren jungen Leidensgenossen, die im weitverzweigten Kellerverließ einer hochherrschaftlichen Villa im Dreck hausen. Unter ihnen auch Irinas jüngerer Bruder Paul (der 14-jährige Claude Heinrich begeistert in seiner ersten Hauptrolle), der wie alle anderen Kinder unter der Aufsicht des gefühllosen Albrich (Daniel Fripan) Schweine hüten und aus deren Fett Seife herstellen muss.

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In einer griechischen Kleinstadt hatten sich die Geschwister und ihre alleinerziehende Mutter (Chara Mata Giannatou) mit Mundraub und kleineren Diebstählen über Wasser gehalten, bis sie beim Spielen am Strand einem soignierten Herrn in heller Kleidung auffielen. Dieser, der skrupellose Sektenführer Fust (der belgische Genrestar Sam Louwyck), hat die beiden auf seine Insel entführt. Dort wird der Göttin der Reinheit, Hygeias, gehuldigt: Äußere Sauberkeit führe, so der Glaube, zu innerer Reinheit. Erwünschter Nebeneffekt: mit der Seifenproduktion, die auf dem Festland Abnehmer findet, wird Geld verdient. Schließlich haben Fusts Eltern (Adrian Frieling und Vasiliki Troufakou) ihrem Sohn keine Reichtümer hinterlassen.

Der abgründige Meister der Marionetten: Sektenführer Fust (Sam Louwyck) weiß, wie man Menschen beeindrucken kann, die nach Erlösung suchen.

Seiner bisherigen Favoritin Maria (Lena Lauzemis) überdrüssig, sieht sich Fust unter den „Erstlingen“ nach einer Nachfolgerin für die Rolle der Hygeia beim Mysterienspiel um. Und entdeckt bei einer feierlichen Präsentation der neuen Seifenproduktion, die einer religiösen Prozession gleichkommt, Irina, welcher er den Aufstieg in die helle Welt der „zweiten Stufe“ anbietet. Trotz großer Bedenken ihres Bruders folgt Maria begeistert dem Guru ans Licht, was freilich auch an Siegfried (Daniel Sträßer) liegt, ihrem gutaussehenden Partner auf den Brettern. Paul erinnert seine Schwester vergeblich an ihren Schwur, sich niemals von ihm zu trennen.

Irina lässt sich blenden von der Reinheit und dem luxuriösen Leben in der Villa, dem Paul nur aus der Ferne heimlich – und mit geballter Faust in der Tasche – zuschauen kann. Ihm ist das manipulative Wesen des Sektenführers bewusst („faulige Scheiße“) und er fürchtet nicht zu Unrecht, dass seiner Schwester Gefahr droht. Die Verblendete trinkt sogar das Badewasser des Meisters, um diesem zu gefallen. Und zeigt sich nur kurz irritiert, als Fusts Adlatus Lehder (Wolfgang Czeczor) kleine Ferkel, Pauls Spielgefährten, auf der Terrasse der Villa bei einer festlichen Tafel erschießen lässt, um diesen vor den Augen seiner Schwester zu demütigen.

„Wir sind der Dreck“: Paul verspricht den Kellerbewohnern, sich mutig dem mächtigen Fust entgegenzustellen und organisiert einen Kinder-Kreuzzug. Doch dabei gerät er in die Gewalt des Gurus: Albrich soll ihn auf offener See mit einem Bolzenschussgerät töten. Stattdessen bringt er Paul in der Bar bei Maria unter, die sich aufs Festland retten konnte. Noch ist Irina nicht in Sicherheit…

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„A Pure Place“, nach seinem vielfach preisgekrönten Debüt „Der Bunker“ (2015) der zweite Spielfilm des Deutsch-Griechen Nikias Chryssos, ist eine ziemlich krude Mischung aus reichlich spekulativem Sekten-Horror, griechischer Mythologie und abgrundtiefen deutschen Märchen für Erwachsene. Entstanden bereits 2019 ist der Neunzigminüter coronabedingt erst am 4. Juli 2021 auf dem Filmfest München uraufgeführt worden, er kommt am 25. November 2021 in die Kinos, bei uns zu sehen im Capitol Bochum.

| Autor: Pitt Herrmann