180.000 € Entschädigung für Ex-Chefarzt
Recklinghausen / Marl / Herne. Das Arbeitsgericht Herne hat am Dienstag (9.9.2014) das Klinikum Vest gGmbH zur Zahlung von 180.000 Euro "Karenzentschädigung" an den ehemaligen Chefarzt der Unfallchirurgie im Marler Paracelsus-Krankenhauses, Dr. Thomas Gausepohl, verurteilt. Nach der Fusion der Marler Klinik und des Recklinghäuser Knappschafts-Krankenhauses zum Klinikum Vest u.a. mit dem Ziel, die Marler Unfallchirurgie in das Traumazentrum Recklinghausen mit Chefarzt Prof. Büsing zu integrieren, wäre aus Kostengründen für den Marler Unfallchirurgen keine Chefarztstelle in Recklinghausen mehr möglich gewesen.
Das Angebot, als Leitender Oberarzt weiterzumachen, hatte Dr. Gausepohl, seit 1. Januar 2014 Chefarzt in Wetzlar, abgelehnt. So waren sich beide Seiten schließlich einig, am 20. September 2013 einen Auflösungsvertrag mit der Karenzentschädigung von 180.000 Euro als Ausgleich für ein "nachvertragliches Wettbewerbsverbot" zu schließen. Dieser Vertrag, so Klinikanwalt Jürgen Masling und Peter Hutmacher vom Klinikum, beinhaltete aber auch "Eckpunkte" wie eine ordentliche Übergabe und eine Einarbeitung von Prof. Büsing. Punkte, die der scheidende Chefarzt später einfach ignoriert habe.
Der Klinik-Anwalt sprach in der Verhandlung vor der Kammer von Richterin Große-Wilde in diesem Zusammenhang sogar von einer "Unverschämtheit, wie ich sie noch nie erlebt habe. Das hatte mit einer ordnungsgemäßen Übergabe nichts mehr zu tun" und "so verlässt man keinen Arbeitsplatz, an dem man jahrelang bis zu 450.000 Euro verdient hat." Der Chefarzt selbst sei im letzten Quartal 2013 sogar teilweise in Urlaub gewesen, so dass wegen der gleichzeiztigen Urlaubsabwesenheit weiterer Ärzte der Dienst kaum noch hätte aufrechterhalten werden können.
Dabei sei ein wirtschaftlicher Schaden von mindestens 480.000 Euro entstanden. Erschwerend sei noch dazugekommen, dass Oberarzt Dr. Frank Hoffmann nach einer Erkrankung im Herbst 2013 auch nur kurze Zeit wiedergekommen sei, in dieser Phase einigen Assistenten noch zum Urlaub verholfen habe, dann ebenfalls gekündigt habe und als Chefarzt nach Gronau gegangen sei. Die vereinbarte Einarbeitung von Prof. Büsing habe der Marler Chefarzt Mitte Oktober knapp einen Monat nach Vertragsabschluss am 16. Oktober schriftlich abgelehnt. Der Allgemeinchirurg, so war es geplant, sollte die Marler Abteilung bis zum Umzug Mitte 2014 weiter leiten, wobei es nach wie vor eine unfallchirurgische Ambulanz in Marl gibt.
Der von Rechtsanwalt Marc Rumpenhorst vertretene Mediziner sah den Sachverhalt verständlicherweise ganz anders. Nicht ein Patient, so Dr. Gausepohl, sei in der Übergangszeit "unverrichteter Dinge wieder nach Hause gegangen." Und zu der im Auflösungsvertrag angeführten "Einarbeitung und Übergabe" an Prof. Büsing habe Dr. Gausepohl nie eine Mitteilung erhalten. Außerdem sei der Arbeitgeber und nicht der Chefarzt für die personelle Ausstattung zuständig und hätte beispielsweise Abteilungsärzte aus dem Urlaub zurükholen können.
Bei diesem Verfahrensstand wiederholte das Gericht noch einmal seinen Vorschlag aus dem Gütetermin im Frühjahr, mit 110.000 Euro fast zwei Drittel der eingeklagten 180.000 Euro an den Kläger zu zahlen. Anderenfalls müsse das Klinikum den behaupteten Schaden in jedem Einzelfall anhand der sogenannten "Case-Mix-Punkte" (Fallzahlen und Fallschwere) nachweisen.
Doch beide Seiten beharrten auf ihren Standpunkten, wobei das Klinikum sogar die eingeklagte Karenzentschädigung im Wege der Widerklage als Wiedergutmachung für den entstandenen wirtschaftlichen Schaden gegen Dr. Gausepohl geltend machte. Diesen Punkt hatte das beklagte Klinikum aber in seinen umfangreichen Schriftsätzen wohl so ungenügend aufgearbeitet, wie im Urteil nachzulesen sein dürfte, dass die Kammer die Widerklage abwies und dem Kläger die Karenzentschädigung im vollen Umfang zusprach. Bei einem Streitwert von immerhin 360.000 Euro für das Klinikum (Verfahrens-und eigene Anwaltskosten) kein preiswertes Vergnügen. (AZ 3 Ca 203/14)