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Zehn Jahre Pflege-Charta.

Zehn Jahre Pflege-Charta

Am 5. Mai war Vatertag, am 8. Mai Muttertag. Es gibt einen Tag der Jogginghose, des Handtuchs ... und seit 1967 gibt es jedes Jahr, am 12. Mai, den Internationalen Tag der Pflege. Zu diesem Tag hatte das Evangelische Johanneswerk am Mittwoch (11.5.2016) zur Regionalkonferenz eingeladen. Wer im Alter an körperlichen Gebrechen leidet oder geistig abbaut, braucht Hilfe – im eigenen Haushalt oder durch Betreuung in einem Pflegeheim.

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v.l. Margret Springkämper, Andreas Eckhardt, Marc Opitz.

Dazu ist vor zehn Jahren die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen verabschiedet worden. In ihren acht Artikeln spiegeln sich die Rechte der angesprochenen Menschen wider. Es geht zum Beispiel um das Recht auf Selbstbestimmung, auf Privatheit, auf Teilhabe am sozialen Leben und auf ein Sterben in Würde. Sie ist von Vertretern aus allen Bereichen der Pflege und der Selbsthilfe erarbeitet worden und wurde 2005 vom Bundes-Familien-Ministerium und dem Gesundheitsministerium verabschiedet.

Andreas Eckhardt, Regional-Geschäftsführer des Johanneswerkes: "Für uns bedeutete das Unterzeichnen, dass wir uns genau überlegen, was heißt Selbstbestimmung im Stationären, was heißt Privatheit denn konkret?"

Mit diesen Fragen habe man sich in den letzten Jahren viel beschäftigt, unter Einbeziehung von Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen. Andreas Eckhardt: "Der Umzug in eine stationäre Einrichtung ist ja erstmal etwas Gewöhnungsbedürftiges. Unser Auftrag ist es, möglichst viel Normalität wieder zum Leben zu erwecken."

Zehn Jahre Pflege-Charta.

Sven-Eric Leichner, Assistent des Geschäftsführers, bestätigte: "Ja, wir haben uns sehr intensiv damit beschäftigt, zu übersetzen: Was heißt es im echten Leben, wenn da steht Privatheit." Marc Opitz, Leiter des Ludwig-Steil-Hauses an der Hirtenstraße: "Für uns fängt Privatheit schon damit an, dass wir an einem Bewohnern-Zimmer anklopfen und auch abwarten bis jemand herein sagt. Als wir begonnen haben uns mit der Charta zu beschäftigen, wurde uns klar, dass wir in unserem Alltag in vielen Punkten der Charta gerecht wurden." Trotzdem befürwortet er die Charta, da sie zur Sensibilisierung beitrage.

Opitz machte am Beispiel Selbstbestimmung klar, wie damit im Heim umgegangen wird: "Wenn wir einen Bewohner haben, der zum Beispiel Alkoholiker ist, dann haben wir seine, bei uns weitergelebte Sucht, zu akzeptieren." Diese Umsetzung auszuhalten, sei zu Anfang nicht jedem Mitarbeiter leicht gefallen. "Der Mensch ist selbstbestimmt - er bestimmt wann und wie viel er trinken möchte. Auch bei uns."

Dazu zählt auch, dass die Bewohner nicht automatisch geduzt werden. Margret Springkämper, Leiterin des Eva-von-Thiele-Winckler-Hauses: "Das ist heute natürlich nicht mehr üblich oder gewünscht. Gleichwohl gibt es Krankheitsbilder, die das erfordern. Bei demenziell veränderten Bewohnern kann es sein, dass sie auf ihren Nachnamen gar nicht mehr reagieren. Hier ist die Ansprache mit dem Vornamen hilfreich."

Gleiches gelte für Fixierungs-Patienten. Fixierungen wurden in der Vergangenheit oft mit der Angst begründet, dass die Person fallen könnte. "Wir verzichten heute weitgehend auf Fixierung. Bei Bewohnern, die gerne mal aus ihrem Bett steigen und spazieren gehen, benutzen wir Niedrigflurbetten und legen eventuell noch eine Matratze vor das Bett. Wenn jemand wirklich fällt, dann fällt er weich." Bewohner, die vielleicht immer wieder versuchen aus ihren Rollstühlen auszusteigen, werden so gestellt, dass das Personal sie im Blick hat. Für Springkämper ist es "eine furchtbare Vorstellung, irgendwohin zu wollen, und nicht zu können, weil ich angeschnallt bin. Das bedeutet natürlich gleichzeitig, dass es unter Umständen zu einem Sturz kommen kann, da wir nicht immer daneben stehen können."

Andreas Eckhardt: "Die Charta zwingt uns immer wieder zu überlegen was wir tun und wie. Wir stellen heute bei Einstellungen andere Fragen als vor 10-20 Jahren. Es kommt uns darauf an, dass die Bewerber bereit sind, ihr Handeln zu reflektieren. Es geht nicht um absolute Sicherheit vor einem Sturz, sondern darum, dem Menschen mit seinen Bedürfnissen, seinem Bewegungsdrang die größtmögliche Freiheit zu gewähren." "Da ist es eine große Hilfe, dass all diese Inhalte heute schon in der Ausbildung zur Pflegefachkraft vermittelt werden", sagte Opitz.

Um die palliative Begleitung, das Sterben und den Tod geht es im achten Artikel. "Natürlich wird bei uns auch gestorben. Aber wir bemühen uns, dass es in einem würdevollen Rahmen passieren kann", sagte Springkämper. "Mit palliativer Begleitung und Schmerztherapeuten."

Das ab 2018 geltende Recht aller Bewohner auf ein Einzelzimmer sieht Springkämper gelassen: "Wer aber danach sagt, ich will mir weiterhin mit meiner Freundin ein Zimmer teilen, dem wird das möglich gemacht. Wir werden 20 Prozent an Doppelzimmer behalten. Wir haben etliche Menschen die Hand in Hand in den Speisesaal kommen und weiterhin zusammenleben möchten."

Springkämper: "Viele Bewohner sehen das Heim als ihr zu Hause an. Das ist für uns ein schönes Lob."

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Hintergrund: Der internationale Aktionstag Tag der Pflege wird in Deutschland seit 1967 am Geburtstag, 12. Mai 1980, von Florence Nightingale begangen. Dass sich die Pflege überhaupt als eigenständiger Beruf etablieren konnte, ist unter anderem ihr zu verdanken. Nightingale entwickelte Ausbildungsstandards zur gezielten Ausbildung von Pflegepersonal und legte damit den Grundstein zur Etablierung der Pflege.

| Autor: Carola Quickels
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