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Der Ball rollt ab Sonntag, 20. November 2022, in Katar - aber wer schaut aus Herne eigentlich dabei zu? (Symbolbild)

Das sagen verschiedene Herner dazu

WM-Boykott: Ja, Nein oder ein bisschen?

In Kürze rollt der Ball bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar - und nur wenige Leute interessiert es, wenn das Eröffnungsspiel zwischen dem Gastgeber und Ecuador am Sonntag, 20. November 2022, um 17 Uhr angepfiffen wird. So hat es zumindest den Eindruck, da keine bisherige WM so viel Diskussionsstoff und Kritik im Vorfeld hervorgerufen hat.

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Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ausgetragen im November und Dezember statt im üblichen Sommer, Unterbrechung der laufenden Ligen im Profifußball, die Vorwürfe von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland sowie Tausende tote Gastarbeiter - die Liste ließe sich noch weiterführen.

In unzähligen Fußballstadien in ganz Europa hielten die Fans daher in den vergangenen Wochen Plakate und Banner mit der Aufschrift „Boycott Qatar“ hoch und drückten so ihre Abneigung gegen das kommende Turnier aus. Die AWO plant ebenfalls zum Zeitpunkt der Eröffnung eine Protestaktion in Herne (halloherne berichtete). Aber wie sieht es bei ein paar bekannten Hernern aus - Boykott: Ja, Nein oder nur ein bisschen?

Die AWO will ein Zeichen gegen die WM in Katar setzen.

'Die Diskussionen hätten früher passieren müssen'

„Ich werde maximal nur die deutschen Spiele schauen", sagt Hans Peter Karpinski, Vorsitzender des Herner Stadtsportbundes (SSB), auf Nachfrage von halloherne. „Allerdings kann ich die aktuellen Diskussionen nicht verstehen - das hätte viel früher passieren müssen. Beispielsweise direkt nach der Vergabe oder als klar war, dass die WM im Winter gespielt werden soll, oder nach Franz Beckenbauers Aussage." Vor ziemlich genau neun Jahren, im November 2013, hatte der „Kaiser“ damals vor mehreren Medien folgenden Satz gesagt: „Also, ich hab noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei rum.“ Keiner der Gastarbeiter wäre an Ketten gefesselt.

Hans-Peter Karpinski, Vorsitzender vom SSB Herne, kritisiert die aus seiner Sicht zu späten Diskussionen um die WM.

„Die Deutschen fangen erst immer um kurz vor Zwölf mit dem Meckern an. Ich hätte mir einen sofortigen Aufschrei gewünscht, nun bringt das nichts mehr", hadert Karpinski mit der Vielzahl an Berichten in den vergangenen Wochen. „Man sieht halt: Geld regiert die Welt. Wenn Gianni Infantino (der Präsident des Weltverbandes FIFA, Anm. d. Red.) sagt, das wird die beste WM aller Zeiten, ist klar: Noch schizophrener geht es nicht."

Verstoß gegen die FIFA-Satzung

Einmal auf Touren, legt Karpinski noch nach: „Katar ist kleiner als das Saarland. Unter normalen Bedingungen hätte so ein Land gar keine Chance, Austragungsland zu werden. Dazu steht in der FIFA-Satzung, dass eine WM im Sommer stattfindet. Die FIFA verstößt daher gegen ihre eigene Satzung und dass es in Katar im Sommer zu heiß ist, ist auch erst zwei Jahre nach der Vergabe aufgefallen."

Die Spieler der Nationen nimmt er übrigens aus der Verpflichtung, die WM zu boykottieren: „In einer relativ kurzen Karriere ist eine WM für jeden persönlich ein Highlight, dazu auch nur alle vier Jahre möglich, da möchte jeder dabei sein. Ihnen kann man keinen Vorwurf machen, nur den Verantwortlichen und den Verbänden.“

Leonidas Exuzidis, zuständig im Kreisschiedsrichterausschuss Herne für die Öffentlichkeitsarbeit, gibt zu, dass er noch gar nicht richtig weiß, ob und was er von den Spielen schauen wird. „Es passt derzeit auch einfach nicht so in den Alltag. Es ist früh dunkel, man hat viele andere Dinge zu tun und der Winter ist einfach keine gute Zeit für eine WM", erläutert der Referee, der selbst Spiele bis zur Regionalliga leitet und seit der aktuellen Saison in der 3. Liga als Assistent eingesetzt wird (halloherne berichtete).

Der Alltag wird nicht nach den Spielen ausgerichtet

„Ich möchte nicht ausschließen, dass ich ein paar Spiele schaue, aber das wird nicht so wie in der Vergangenheit sein. Dabei lege ich mich nicht mal auf die Deutschland-Spiele fest, sondern wenn überhaupt, dann das, was gerade läuft. Ich werde meinen Alltag nicht darauf ausrichten", bekräftigt Exuzidis im Gespräch mit halloherne. Im Sommer dagegen hätte man auch mal mehr Zeit oder vielleicht auch Urlaub, dazu wären die Tage einfach länger und abends noch hell.

Schiedsrichter Leonidas Exuzidis weiß noch nicht, welche Spiele er bei der WM 2022 schauen wird - er wird auch noch auf dem Feld als Referee gebraucht.

Eine Fußballfreie Zeit gibt es für ihn auch nicht: Die Regionalliga West spielt weiter und die Amateurligen sowieso. Somit wird er sowieso in den Wochen bis zur Winterpause noch einige Male selbst auf dem Feld stehen.

Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda.

Auf Nachfrage von halloherne erläuterte Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda: „Extrazeit, wie sonst üblich bei Fußballweltmeisterschaften, werde ich nicht freischaufeln. Wenn sich Gelegenheit ergibt, werde ich aber ein Spiel verfolgen.“

'Kein Gefühl der Vorfreude'

Für Martin Kortmann, Vorsitzender des Sportausschusses, ist es ganz klar, dass er die WM in Katar nicht verfolgen wird. „Ich werde mir kein WM-Spiel ansehen", so Kortmann im Gespräch mit halloherne. Als Gründe nennt er unter anderem die eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland und die Tode der vielen tausenden Gastarbeiter.

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Martin Kortmann verfolgt die WM nicht.

Weiter führt er aus: „Unter diesen Umständen kann sich bei mir kein Gefühl der Vorfreude auf die WM einstellen, wie es bei vorangegangenen Fußballweltmeisterschaften war. Die WM hätte niemals nach Katar gehen dürfen. Außerdem hätte ich mir eine deutlichere Positionierung des DFB gewünscht. Den Sportlern hingegen mache ich keinen Vorwurf, es ist ja verständlich, dass sie sich freuen, bei einem großen Turnier spielen zu können."

| Autor: Marcel Gruteser und Julia Blesgen