
Freiwilligendienstler beim LWL berichten von ihren Arbeitsplätzen
Wenn eigene Probleme ganz klein werden
Gelsenkirchen. Was kommt nach der Schule? Viele junge Menschen wissen das selbst kurz vor dem Abschluss noch nicht genau. Um sich beruflich zu orientieren, können sie ein Freiwilliges Soziales (FSJ) oder Ökologisches Jahr (FÖJ) absolvieren. Das ist auch beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) möglich, der den Freiwilligendienst (FSJ, FÖJ) und den Bundesfreiwilligendienst (BFD) in Schulen und Jugendeinrichtungen, in der Pflege sowie im Umwelt- und Naturschutz anbietet. Dies gaben die Verantwortlichen am Freitag (15.5.2020) bekannt.
Zum Beispiel kann man solch einen Freiwilligendienst in Gelsenkirchen leisten. Doch weil in Folge des Corona-Virus in der Förderschule zurzeit kein Unterricht stattfindet, pausieren auch die BFDler. Sich für andere engagieren: Das war für Fabio Schmitz nach seinem Schulabgang ein guter Vorsatz, um sich für den Freiwilligendienst an der LWL-Löchterschule in Gelsenkirchen zu bewerben. Doch so richtig wusste der 19-Jährige anfangs nicht, welche Aufgaben ihn in einer Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung erwarten. Und dann waren da auch noch die Bedenken, ob er das überhaupt schaffe, mit behinderten Kindern richtig umzugehen.
Bei einem Probetag zeigte sich relativ schnell, dass Schmitz hier richtig war und seine Ängste und Vorbehalte völlig unbegründet waren: Mit Einfühlungsvermögen und seiner offenen Art fand der Bufdi (kurz für: Bundesfreiwilligendienstler) schnell einen Zugang zu den Schülern. Bisher war Schmitz insbesondere für Schüler Jannis (Name geändert) zuständig. Er half ihm beim Umziehen für den Sportunterricht, wickelte ihn, reichte ihm das Butterbrot oder unterhielt sich auch einfach nur mit ihm. Er hatte schnell heraus, wie er mit seinem Betreuungskind umgehen sollte. „Manchmal weiß ich das sogar besser als die Lehrer“, sagt er.
Teamwork und Einfühlungsvermögen
Das hätte daran gelegen, dass er ständig im Austausch mit dem 15-Jährigen war, wie er sagt, während die Lehrer den Überblick über die ganze Klasse behalten mussten. „Jannis hat immer sehr viel von sich erzählt. So habe ich kontinuierlich mitbekommen, was gerade bei ihm los war“, sagt Schmitz: „Und Dinge merken, das kann er sich extrem gut.“ An einer ganz bestimmten Tür in der Schule lachte Jannis auch zehn Wochen später noch, wenn beide daran vorbeigingen. „Ich hatte mit dieser Tür einen kleinen Zusammenstoß, als ich mich gerade um Jannis gekümmert hatte“, so Schmitz, der das ohne Jannis' Hinweis längst vergessen hätte. Zusammen mit vier Bufdi-Kollegen, war Fabio Schmitz bisher auch für den Transport von Schülern zuständig.
Sie holten die Schüler von den Schulbussen ab, begleiteten sie in die Klassenräume, zum Sportunterricht oder zu ihren Therapieangeboten. Manchmal war auch Teamarbeit unter den Freiwilligen gefragt, wenn es darum ging, die Schüler aus ihrem Rollstuhl in einen „Stehtrainer“ zu heben. So ein Stehtrainer wird vor allem bei Kindern genutzt, die in der Bewegung und Stabilität eingeschränkt sind. Mit dem Stehtrainer können sie ihre Beine strecken. „Da muss jeder Handgriff sitzen, damit das Kind richtig angeschnallt ist und nicht umfallen kann“, erklärt Schmitz.
Aufgrund der corona-bedingten Schulschließung ist sein Betreuungskind momentan nicht in der Schule, und auch die Budfis pausieren zurzeit. Genau wie seine Kollegen vermisst Schmitz die Arbeit mit den Kindern, die ihm bisher sehr viel Spaß gemacht hat. Im täglichen Umgang lernte er auch viel von Jannis und seinen Mitschülern, zum Beispiel routinierte Abläufe einzuhalten und auf die jeweiligen Einschränkungen der Kinder Rücksicht zu nehmen. „Wenn etwas nicht stimmte, hat Jannis mir das gezeigt oder gesagt“, sagt Schmitz. „Dann habe ich von ihm immer ein lautes 'Falsch' gehört.“
Es war stets ein Lernprozess für beide, sich mit dem jeweils anderen abzustimmen, sich aber auch auf den anderen zu verlassen. Im Sommer geht der Dienst von Schmitz zu Ende. „Die vielen praktischen Erfahrungen hier haben mich ein großes Stück weiter gebracht“, erzählt Schmitz, der sich eine Arbeit mit behinderten Menschen nach seinem BFD gut vorstellen kann. Neben pflegerischen Tätigkeiten hat er an der Löchterschule auch die Therapie- und Sportangebote mitbegleitet. Das hat ihm so gut gefallen, dass er sich vorstellen kann, Rehabilitationspädagogik zu studieren. Und auch für sich persönlich hat der Bufdi viel mitgenommen. „Durch die Arbeit hier habe ich gelernt, was wirklich wichtig ist, nämlich für die Kinder da zu sein, wenn sie Unterstützung brauchen, mitzudenken und Verantwortung zu übernehmem. Viele Probleme, über die man sich selbst manchmal so beklagt, werden hier sehr schnell sehr klein", sagt er.
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