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„Man mag solche Leute nicht“ ist sich Luc Teichmann (Dominik Dos-Reis) sicher, weshalb er mit seiner Liebe zu Ash nicht hausieren geht.

Dominik Dos-Reis begeistert

Theresia Walsers 'Eschenliebe'

Alexandras „Mein Freund, der Baum“ erklingt aus dem Off, als ein völlig derangierter Dominik Dos-Reis mit zwei Kanistern ins Bochumer Kellertheater Oval Office stürmt: Er hat die „Fünf“ verpasst und musste zu Fuß die Wasserbehälter schleppen…

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Luc Teichmann arbeitet bei Metz & Co in der Versicherungsabteilung, wo er tagein, tagaus „Schadakten“ prüft in einer Welt, deren Schäden ständig größer werden und die eigentlich kaum mehr versicherbar ist. Das Verhältnis zum Abteilungsleiter Trout, dessen auf der Herrentoilette zum besten gegebene „Fäkalweisheiten“ ihn tierisch nerven, und seinen Kollegen ist eher distanziert. So sticht ihm stets Alberts „Hosenproblem“ ins Auge: die Bundfalten blähen sein ausladendes Becken.

Und die Frau Lefsky will ihn immer wieder zu einer gemeinsamen Reise in den Schwarzwald verführen, wo sie doch die grausligen Kuckucksuhren herstellen. Um sich alle vom Leib zu halten und nicht als Einzelgänger aufzufallen, erzählt Luc oft Geschichten, die er in der Straßenbahn aufgeschnappt hat, und gibt sie als seine eigenen Erlebnisse aus.

Dass er in Wahrheit seit einiger Zeit verliebt ist in einen Baum, eine Esche am Stadtrand, die er zärtlich Ash nennt, verschweigt er seinem Umfeld – zu groß ist die Angst, auf Unverständnis, Spott oder gar Ablehnung zu stoßen. Gleichzeitig kreisen sein Denken und Fühlen nur noch um Ash, die in Gefahr ist. Dieser Sommer ist besonders heiß und trocken, „Sahara-Staub“ weht durch die Straßen, und Ash verliert viel zu früh ihr Laub.

Ist Luc Teichmann (Dominik Dos-Reis) aufgrund unverarbeiteter Kindheitserlebnisse zum Baum-Liebhaber geworden, wie seine Kollegin Lefsky vermutet?

Jeden Abend steigt Luc mit zwei Eimern Wasser in die Tram-Linie 5, um Ash zu bewässern. Als ihm ausgerechnet am letzten Tag der Sommerferien sein Kollege Albert begegnet, gerät Luc in Erklärungsnot: Soll er sich ihm gegenüber „outen“ und anderntags im Büro womöglich einen Skandal riskieren oder seine „Neigung“ weiter für sich behalten?

„Ein Mann wie ein Baum“ ist eine gesellschaftlich anerkannte Redewendung. Aber gilt das gleiche auch für „Ein Mann, verliebt in einen Baum“? Geschlechterrollen, sexuelle Identität, soziale Zwänge und ökologische Katastrophen: Mit leichter Hand verwebt Theresia Walser in ihrem Monolog „Eschenliebe“ schwere Themen zu einer tragischen „Comédie humaine“, die tradierte Wahrnehmungsmuster gründlich hinterfragt.

Die Freiburger Dramatikerin hat ihr Monodrama dem luxemburgischen Schauspieler Steve Karier, zwischen 1995 und 2000 Ensemblemitglied am Schauspielhaus Bochum, auf den Leib geschrieben. Das Auftragswerk für das Kunstfest Weimar 2023 und das Festival Fundamental erlebte am 11. Juni 2023 in der Banannefabrik Luxembourg-Bonnevoie seine Uraufführung unter der Regie von Daliah Kentges.

Nun hat der Bochumer Regieassistent Albrecht Schroeder das „Stück für einen Schauspieler und einen Baum“ am Schauspielhaus Bochum inszeniert in der Ausstattung von Isabela Voicu (Bühne) und Jana Kuhlemeier (Kostüm) mit einem überragend präsenten Dominik Dos-Reis, der in der intimen Atmosphäre des Oval Office in und mit dem Publikum spielt. Und sich nach fulminanten fünfzig Minuten und Georg Friedrich Händels Krönungshymne „Zadok The Priest“ von 1727, zuletzt im vergangenen Jahr für King Charles III. in Westminster zelebriert, mit Mark Fosters „Au Revoir“ vom enthusiasmierten Publikum verabschiedet.

Nach der Premiere fielen die meisten Vorstellungen aus dispositorischen Gründen aus, obwohl die Ulrich Rasches Inszenierung von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ mit Dominik Dos-Reis als Pozzo auf die nächste Spielzeit verschoben worden ist. Das nennt man doppeltes Pech – fürs Publikum. Der gebürtige Niederösterreicher des Jahrgangs 1993 spielte während seines Wiener Schauspiel-Studiums u.a. am Burgtheater in „Radetzkymarsch“ unter der Regie des Bochumer Schauspielhaus-Intendanten Johan Simons, der ihn 2018 in sein Ensemble holte. Dominik Dos-Reis wurde 2023 im Rahmen des Berliner Theatertreffens mit dem Alfred-Kerr-Darstellerpreis ausgezeichnet. Im selben Jahr folgten die Auszeichnung „Nachwuchsschauspieler des Jahres“ des Fachmagazins „Theater heute“ und der Bochumer Theaterpreis in der Kategorie „Nachwuchs“.

Die vorerst letzte Vorstellung ist am Freitag, 31. Mai 2024, um 20 Uhr im Oval Office des Schauspielhauses Bochum. Es gilt die Regelung „Pay what you want“. „Eschenliebe“ wird ab Herbst 2024 an der Bochumer Königsallee wiederaufgenommen.

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  • Freitag, 31. Mai 2024, um 20 Uhr
Freitag, 31. Mai 2024 | Autor: Pitt Herrmann