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Neue Kollegen in der Provinz: „Jenny“ Holstenbeck (Tine Scheibe) und Sörensen (Guido Thurk).

Guido Thurk in Bjarne Mädels Rolle

'Sörensen hat Angst' im KuZ

„Meine Ruhe in einem Dorf will ich“: Schon die Autofahrt an die Küste kann einem, den das kleinste Geräusch schier verrückt macht, wie ein endloser Tunnel vorkommen. Sörensen (Guido Thurk), bislang Kriminalhauptkommissar beim Landeskriminalamt Hamburg, leidet unter einer Angststörung: „Das Schlimmste ist immer der nächste Tag“.

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Er hat sich ins hoffentlich friedlich-idyllische Friesland versetzen lassen, nach Katenbüll. Wo er kaum ein Wort mit seinen beiden neuen Kollegen, der Oberkommissarin Jennifer „Jenny“ Holstenbeck (Tine Scheibe) und dem Polizeianwärter Malte Schuster (Tobias Schwieger), gewechselt hat, als das Telefon klingelt: Bürgermeister Heiner Hinrichs (Mike Kühne) sitzt im eigenen Pferdestall – mit drei Einschüssen im Körper. Mit Jesaja-Versen aus der Bibel im Mund, auf die sich Bürgermeister-Gattin Hilde (Annette Weitzmann) keinen Reim machen kann.

Leichen im Keller des Bürgermeisters

„Vielleicht hat man ja als Bürgermeister sowieso Leichen im Keller, sonst wird man das erst gar nicht“: Sörensens erster Weg führt ihn zu einem Freund des Ermordeten, Jens Schäffler (Mike Kühne), Inhaber eines ausgerechnet „Fleischeslust“ genannten industriellen Vieh-Verarbeitungsbetriebes. Als erklärter Vegetarier auf dem Weg zum Veganer ist ihm der joviale Manager von Anfang an unsympathisch. Andererseits ist er im Dorfkrug bei den Bratkartoffeln kompromissbereit: Sie sind mit Speck gebraten. „Schmeckt ja sonst nicht“, weiß der Wirt.

Als Sörensen mit Frieder Marek (Mario Thomanek) spricht, dem geschassten Kurdirektor des benachbarten Küstenstädtchens, wird er mit dem Phänomen der Katenbüller „Musketiere“ konfrontiert: Hinrichs, Schäffler und Düseler hätten den inzwischen dem Alkohol Verfallenen ausgebootet, indem sie ihm Kinderpornofotos untergeschoben haben.

Doch bevor Sörensen dieser neuen Spur nachgehen kann, muss er erst noch der fast 18-jährigen Tochter seiner neuen Kollegin Jenny den Rücken stärken: Lucy Holstenbeck (Friederike Baldin) ist schwanger. Hat aber einen Freund, der zu ihr steht – im Gegensatz zu ihrer heute 35-jährigen Mama, die im gleichen Alter ihre Tochter gebar – und sitzengelassen wurde.

Sodom und Gomorrha

In einer Scheune findet Sörensen jede Menge Material: Kindesmisshandlung. Bengt Düseler und Jan Hinrichs (beide Friederike Baldin) gehören zu den Opfern: Sodom und Gomorrha in Katenbüll! Um den Fall zu lösen, muss Sörensen im wahren Wortsinn über seinen Schatten springen und seine Klaustrophobie überwinden…

Polizeianwärter Malte Schuster (Tobias Schwieger) befragt Hilde Hinrichs (Annette Weitzmann), im Hintergrund links Tine Scheibe und Guido Thurk

Autor Sven Stricker, 1970 in Tönning geboren und in Mülheim an der Ruhr aufgewachsen, studierte Komparatistik, Anglistik und Neuere Geschichte. Seit 2001 arbeitet er als freier Wortregisseur, Bearbeiter und Autor und hat mehrmals den Deutschen Hörbuchpreis gewonnen. Auch „Sörensen hat Angst“ ist 2014 zunächst als Hörspiel herausgekommen – mit Bjarne Mädel als Sprecher. Er überzeugte Sven Stricker, daraus einen Roman zu schreiben. Inzwischen ist die „Sörensen ermittelt“ betitelte Reihe auf vier Bände angewachsen.

Die Verfilmung des Buches, Bjarne Mädels tragikomisch-melancholisches Regiedebüt mit sich selbst in der Titelrolle, gewann 2021 den Deutschen Fernsehkrimipreis sowie den österreichischen Fernsehpreis Romy. Im Jahr darauf wurde der in Potsdam lebende Sven Stricker für das Drehbuch mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Nun hat das Westfälische Landestheater Castrop-Rauxel nach „Der Tatortreiniger“ und „25km/h“ zum dritten Mal eine Vorlage Bjarne Mädels für die Bühne adaptiert – in einer Fassung der Regisseurin Karin Eppler. In der sehr wandlungsfähigen abstrakten Ausstattung von Philipp Kiefer muss ein achtköpfiges Ensemble in 15 Rollen die Film-Bilder u.a. mit Bjarne Mädel, Anne Ratte-Polle, Peter Kurth und dem großartigen Matthias Brandt aus den Köpfen der Zuschauer bekommen.

Guido Thurk und Burghard Braun

Was einschließlich Pause binnen gut zweier Stunden nicht immer gelingt. Aber dank gestandener WLT-Schauspieler in zunehmender Weise: Guido Thurk steht in der Anfangsszene, die auch die Anfahrtsszene in die nordfriesische Provinz ist, auf einem der Kuben, welche mit wenigen Handgriffen die Polizeiwache in ein halbes Dutzend andere Orte verwandeln. Aus dem Off der bekannte Text zur bekannten Handlung. Doch dann löst sich der Darsteller vom Dargestellten, macht – Theater ist immer live – die fatalen physischen (Tinnitus) und psychischen Auswirkungen seiner auch in Katenbüll anhaltenden Angststörung geradezu körperlich spürbar fürs gebannte Parkett.

Karin Eppler ist bemüht, durch zeitlich leicht verzögerte Parallelmontagen Tempo in ihre Inszenierung zu bringen. Und hat im einmal mehr überragenden Burghard Braun einem Garanten dafür, dass der schalkhafte Humor Bjarne Mädels in drei ganz unterschiedlichen Rollen zum Tragen kommt: beim lebensfrohen Pfarrer Mielke ebenso wie beim knapp angebundenen Gastwirt. Aber besonders in den sich wie ein Roter Faden durch die immer kurzweiligere Aufführung ziehenden Telefonate zwischen Vater und Sohn Sörensen.

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Gastspiel am 16. April 2024 im KuZ

Die WLT-Produktion gastiert im Herner Kulturzentrum am Sonntag, 16. April 2024, um 19:30 Uhr, Karten bei Pro Ticket über die Homepage oder die Ticket-Hotline 0231 – 917 22 90.

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  • Dienstag, 16. April 2024, um 19:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann
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