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Die Kellnerin Seraphine (Martina Gedeck) umsorgt den schüchternen Schriftsteller Jakob Windisch (Joachim Król) liebevoll.

Joachim Króls Komödien-Erfolg in TV und Stream

Rossini oder: Die mörderische Frage . . .

Der Schwabinger Nobel-Italiener „Romagna Antica“, in dem in den 1970er Jahren Rainer Werner Fassbinder verkehrte und eine Dekade später Regisseur Helmut Dietl und Produzent Bernd Eichinger („Der bewegte Mann“ mit Joachim Król als Mann im Schrank) zu den Stammgästen gehörte, ist das Vorbild für das im gleichen Münchner Promi-Stadtteil angesiedelte Restaurant „Rossini”, das den Namen seines Prinzipals Paolo (Mario Adorf in einer Paraderolle) trägt. Hier trifft sich die Münchner Schicki-Micki-Welt, weil die Schönen und Reichen ganz ungestört unter sich bleiben können.

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Und das soll auch so bleiben, weshalb unerwünschte (Zaun-) Gäste brutal abgewimmelt werden. Jeden Abend spielt sich das gleiche Ritual ab, stets wird die gleiche Frage gestellt: 'Wer schläft mit wem?' Dass daraus am Ende gar eine mörderische Frage wird, der die schöne Valerie (Gudrun Landgrebe) zum Opfer fällt, ist gänzlich Nebensache. Und dient nur dazu, das immerwährende „Rossini“-Karussell am Laufen zu halten.

Schneewittchen kommt ins Spiel

Ihren Platz der von mehreren Männern umschwärmten Schönen der Nacht nimmt sogleich ein neuer Stern, „Schneewittchen“ (Veronica Ferres), ein, die in ihrer ganzen Pracht bewundert werden darf. Sie verkörpert eine Schauspielerin, welche aus der alternativen Kindertheater-Szene ausbrechen will und sich besinnungs- wie bedingungslos zum internationalen Filmstar hinaufzuvögeln gedenkt – so zielstrebig wie unverhohlen.

Der Star-Regisseur Uhu Zigeuner (Götz George als Alter ego Helmut Dietls) versagt kläglich im Bett der geilen Klatschreporterin Charlotte Sanders (Hannelore Hoger), der bankrotte Produzent Oskar Reiter (Heiner Lauterbach als Alter ego des Produzenten Bernd Eichinger) müht sich vergeblich um „Schneewittchen“ und der Frauenarzt Dr. Sigi Gelber (Armin Rohde ganz in seinem Element) hofft vergeblich, von den Brotkrumen der unter Verstopfungsproblemen leidenden Märchenprinzessin etwas abzubekommen. Nur der „Rossini“-Wirt Paolo kommt bei ihr zum Zuge, aber die zunächst so kitschig-schöne Liebesgeschichte endet tragisch: Der blonde Rauschegoldengel verwandelt sich im Handumdrehen in ein kokettes Biest.

Schicki-Micki-Gesellschaft im „Rossini“, v.l. Armin Rohde, Gudrun Landgrebe, Heiner Lauterbach, Hannelore Hoger und Jan Josef Liefers.

Sozusagen im Nebenzimmer spielt sich die schönste Liebesgeschichte ab – zwischen Seraphine, der kleinen, bescheidenen Kellnerin des Nobelrestaurants (Martina Gedeck), und dem introvertiert-schüchternen, ja geradezu verstört wirkenden Erfolgsschriftsteller Jakob Windisch (der Herner Schauspieler Joachim Król in seiner bis dahin besten Rolle als Alter ego Patrick Süßkinds), der den Trubel im Gastraum tunlichst meidet.

Schöne heile Welt des schönen Scheins: Da kommen Frauen, die sich bei Armin Rohde mehr oder minder auf Druck ihrer finanzstarken Männer operieren lassen wollen, da schauen Sternchen vorbei auf der Suche nach ihrer ersten großen Leinwandrolle (Meret Becker gibt eine Lesbe, die es in dieser Macho-Gesellschaft doppelt schwer hat), da werden zwischen Antipasti und Grappa Millionenverträge aufgesetzt und gleich wieder zerrissen...

Kunstvoll miteinander verschachtelt

Die Geschichten in Harald Dietls Porträt der Münchner Schickeria sind aufgereiht wie Perlen an einer Schnur, bisweilen auch so kunstvoll miteinander verschachtelt, dass sie Stoff für eine ganze (TV-) Serie böten. Es geht stets um Geld und Macht, hingegen wird über Kunst kein Wort verloren. Noch eine Dietl-Story, die das Leben schreibt: Jan Josef Liefers spielt eine Art Chauffeur, Sekretär und Mädchen für alles beim Produzenten Oskar Reiter. Ausgerechnet auf der Herrentoilette entpuppt er sich als wahrer Poet, indem er regelrechte Meisterwerke verfasst für Buchwidmungen, um die potenten Geldgeber („Sparkassen-Fuzzis“) im Auftrag ihrer Gattinnen betteln.

Durch all’ diese Beziehungskisten zieht sich wie ein Roter Faden das vehemente Sträuben Jakob Windischs, der Verfilmung seines Millionensellers „Die Loreley“ (alias „Das Parfüm“) durch den bankrotten Produzenten und den impotenten Regisseur zuzustimmen. Das alles wird, da können die Kritiker schreiben, was sie wollen, mit feinem Humor und eben nicht mit schenkelklopfendem Gaudium erzählt: „Rossini“ ist eine der besten satirischen Komödien des deutschen Nachkriegsfilms, bei der sicherlich die „Baby Schimmerlos“-Serie mit Franz-Xaver Kroetz Pate gestanden hat. Ein Sonderlob auch für Kameramann Gernot Roll.

Die Klatschreporterin Charlotte Sanders (Hannelore Hoger) will Jakob Windisch (Joachim Król) aus der Reserve locken.

Uraufgeführt am 22. Januar 1997 im Mathäser Filmpalast München parallel zum Wettbewerb um den Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken, gehörte der knapp zweistündige Film 1997 in Deutschland mit 3,2 Millionen Kinobesuchern zu den erfolgreichsten Leinwandstreifen des Jahres. Die TV-Erstausstrahlung erfolgte am 11. Oktober 1998 beim koproduzierenden Privatsender Sat 1.

Viele Auszeichnungen

Die lange Reihe der Auszeichnungen begann 1996 mit drei Bayerischen Filmpreisen für Helmut Dietl (Beste Regie), Heiner Lauterbach (Bester Darsteller) und Jan Josef Liefers (Bester Nachwuchsdarsteller). 1997 folgten der Gilde-Filmpreis in Silber (Bester deutscher Film) der Arbeitsgemeinschaft deutscher Filmkunsttheater, der „Bambi“ des Burda-Verlags und der Ernst-Lubitsch-Preis. Als Krönung gabs auf der Berlinale beim Deutschen Filmpreis 1997 gleich vier Filmbänder in Gold für den Besten Film, für Helmut Dietl (Beste Regie) und Ignez Regnier (Bester Schnitt) sowie für Martina Gedeck (Darstellerische Leistungen).

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„Rossini oder: Die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ läuft am Donnerstag, 23. November 2023, zur Prime-Time um 20.15 Uhr im Dritten Programm des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) und kann bei Magenta TV gestreamt werden.

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  • Donnerstag, 23. November 2023, um 20:15 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann