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Der Künstler Richard (Lambert Wilson) will den jungen Marokkaner Malik (Habib Adda) in einem Bildertransport versteckt nach Deutschland schmuggeln.

Angelina Maccarones „Klandestin“

Multiperspektivischer Polit-Thriller

Der auf dem Kunstmarkt der britischen Hauptstadt nur mäßig erfolgreiche Künstler Richard (Lambert Wilson), der sich daher London nicht mehr leisten kann, lebt seit geraumer Zeit in der marokkanischen Hafenstadt Tanger. Seine deutsche Freundin Tilda aus längst vergangenen Hippie-Zeiten, Mathilda Marquardt (Barbara Sukowa), die Karriere gemacht hat und inzwischen für eine konservative Partei im Europaparlament sitzt, hat für ihn in Frankfurt/Main eine Ausstellung organisiert, auf die Richard große Hoffnungen nicht zuletzt finanzieller Art setzt.

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Aber auch emotional ist der Maler euphorisiert – vom jungen Marokkaner Malik (Habib Adda), der ihm Modell sitzt und von einem besseren Leben in Europa träumt. Und das nicht nur aus Eigennutz: Wenn er wie erhofft Karriere als Rapper macht, kann er seine Familie daheim unterstützen. Nachdem ein Visum-Antrag für Malik abschlägig beschieden wurde, versteckt Richard den Jungen beim Kunst-Transfer zwischen seinen großformatigen Bildern im selbst gesteuerten Transporter und schmuggelt ihn über die gut bewachte EU-Außengrenze nach Deutschland.

Wo er Malik, für den Richard weit mehr als nur Freundschaft empfindet, mangels Alternative zunächst bei Tilda in Frankfurt am Main unterbringt. Und damit ausgerechnet bei einer Politikerin, die sich in der Vergangenheit mit fremdenfeindlichen Äußerungen profiliert und so den Sprung nach Brüssel und Straßburg geschafft hat. Da Richard gleich nach London weiterreisen muss und Mathilda beruflich viel unterwegs ist, darf Malik das luxuriöse Loft nicht verlassen.

Auf Dauer lässt sich Maliks illegaler Aufenthalt nicht verbergen, zumindest nicht gegenüber Mathildas Assistentin, der Juristin Amina El Hazzaz (Banafshe Hourmazdi). Sie ist zunächst wenig erfreut, mit einem jungen Landsmann konfrontiert zu werden, ist sie doch darum bemüht, ihre marokkanischen Wurzeln hinter sich zu lassen, um endlich als vollwertiges Mitglied der deutschen Gesellschaft anerkannt zu werden. Nun ist Amina, die drei europäische Sprachen fließend spricht, Arabisch aber nur gebrochen, höchst unfreiwillig als „kulturelle Vermittlerin“ gefragt.

Und Malik? Ist Richard dankbar für alles, mehr aber auch nicht. Er sucht den Kontakt mit einem in Berlin lebenden Onkel, um dem Goldenen Käfig zu entkommen. Zumal Richards Vernissage abgesagt wird, nachdem der Frankfurter Galerist einen Schlaganfall erlitten hat und sein Kompagnon Paul (Tony Nakajima) kein Interesse an den Old-School-Gemälden hat. Malik reißt aus und setzt sich in den nächsten Zug nach Berlin. Wo er bei einer Ausweiskontrolle als potentieller Terrorist verhaftet wird. Mathilda setzt alle Hebel in Bewegung, um einen Skandal zu verhindern…

Spannender Ethno- und Polit-Thriller

Angelina Maccarone erzählt „Klandestin“ aus vier unterschiedlichen Perspektiven – und das nacheinander. Ihre multi-perspektivischen Erzählweise, bei der wir die Geschehnisse jeweils durch die Augen einer anderen beteiligten Person erleben, führt zur erheblichen Überlänge von mehr als zwei Stunden. Die der immer wieder aufs Neue überraschte Kinobesucher aber gar nicht so empfindet, weil er nach und nach verstehen lernt, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt.

Die Europaabgeordnete Mathilda Marquardt (Barbara Sukowa) und ihre Assistentin, die Juristin Amina El Hazzaz (Banafshe Hourmazdi).

So enthüllt der spannenden Ethno- und Polit-Thriller nach und nach die Geheimnisse, Sehnsüchte und Verstrickungen ihres Protagonisten-Quartetts, die nicht gegensätzlicher sein könnten. Und die doch eines eint: die Suche nach individueller Anerkennung und nach gesellschaftlicher Zugehörigkeit sowie die Hoffnung auf Liebe. Apropos: Katharina Schüttler ist in einer prägnanten Nebenrolle zu erleben als Politikerin Sibylle, der „Ex“ von Mathildas neuer Sekretärin Amina.

Gedreht vom 14. Dezember 2022 bis zum 31. März 2023 in Tanger, Frankfurt/Main und hessischem Umland sowie in Mitteldeutschland ist der 124-minütige Film am 1. Juli 2024 auf dem Filmfest München uraufgeführt worden. Bereits 2017 ausgezeichnet mit dem Deutschen Drehbuchpreis „LOLA“ für das „Beste unverfilmte Drehbuch“ gabs auf dem Festival des Deutschen Films 2024 in Ludwigshafen die Auszeichnung als „Bester Film“ und beim „Hamburg International Queer Film Festival“ die „Globola“ als „Bester Spielfilm“. Zudem wurde Barbara Sukowa beim Hessischen Film- und Kinopreis mit dem Ehrenpreis des Ministerpräsidenten ausgezeichnet. Bei uns zu sehen in der Galerie Cinema Essen und im Bambi Düsseldorf.

Dienstag, 6. Mai 2025 | Autor: Pitt Herrmann