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Pianist Martin Stadtfeld.

Bach-Interpret: Martin Stadtfeld in Wanne-Eickel

Lob der neuen Heimat

Was verschlägt einen 1980 in Koblenz geborenen, im 600-Seelen-Dorf Gackenbach im Westerwald aufgewachsenen und in Frankfurt am Main ausgebildeten Weltklasse-Pianisten mitten ins Herz des Ruhrgebietes, nach Wanne-Eickel? Diese und andere Fragen beantwortete Martin Stadtfeld nun beim freitäglichen Redaktionsfrühstück (2.12.2022) des halloherne-Teams mit entwaffnender Offenheit.

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Erstes Klavier beim Räumungsverkauf erstanden

Pianist Martin Stadtfeld.

Seine künstlerische Laufbahn, die ihn in den ersten Monaten des Jahres 2023 etwa in den Herkulessaal der Münchner Residenz und in die atmosphärische Bremer Glocke führt, im Februar aber auch zum Hemsing-Festival nach Norwegen, bevor er im Mai 2023 eine weitere Japan-Tournee unternimmt, begann mit einem von seinen Eltern beim Räumungsverkauf erstandenen Klavier. Schon für den Siebenjährigen stand danach sein Berufswunsch fest: Konzertpianist.

Jungstudent in Frankfurt

Fleißig erkundete er die Regeln und Geheimnisse von Kontrapunkt und Harmonielehre vor allem am Werk seines Leitsterns Johann Sebastian Bach. Der erste große Glücksfall lässt nicht lange auf sich warten: noch als Gymnasiast wird der 14-Jährige als „Jungstudent“ an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt/Main aufgenommen und kommt in die Klasse des russisch-amerikanischen Professors Lev Natochenny.

Von da an gings steil bergauf mit Martin Stadtfeld: 1997 Sieger beim Rubinstein-Wettbewerb in Paris, 2001 Preisträger des Busoni-Wettbewerbs in Bozen und im Jahr darauf ein von ihm auch heute noch als Sensation empfundener Sieg beim Leipziger Bach-Wettbewerb, der zum Ausgangspunkt einer Karriere wurde, die Martin Stadtfeld heute zu den wichtigsten Festivals und den bedeutenden Konzerthäusern und Orchestern in der ganzen Welt führt.

'Musik steht für Menschlichkeit'

„Musik wirkt sehr unmittelbar auf uns Menschen. Einfache Harmonien können in jedem von uns etwas auslösen. Daher steht Musik für Menschlichkeit, für universelle Gefühle wie Trost, Hoffnung – und auch eine ständige Auseinandersetzung mit uns selbst“ sagt der 42-Jährige, dessen Credo lautet: „Aus dem Alten schöpfen und Neues daraus schaffen.“

Martin Stadtfeld fühlt sich neben der Musik Bachs vor allem den Sonaten Beethovens und der deutschen Romantik verpflichtet, sein Repertoire an Klavierkonzerten reicht freilich von Mozart bis Rachmaninoff. Als zweiten – beruflichen - Glücksfall empfindet er die nunmehr zwanzigjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Michael Brüggemann, dem Deutschland-Chef von Sony Classical. Gleich die erste Aufnahme, Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variationen“, landeten 2003 auf dem ersten Platz der deutschen Klassik-Charts.

CDs und Preise

Klavier-Festivals Ruhr 2020- im Bild: Martin Stadtfeld

Seither sind 25 CDs bei Sony Classical erschienen, preisgekrönt und von der internationalen Kritik gefeiert. Was sich auch darin ausdrückt, dass Martin Stadtfeld vierfacher Träger des „Echo Klassik“ ist, von 1994 bis 2017 einer der bedeutendsten Musikpreise der Welt. Die jüngste CD ist während des zweiten Corona-Lockdown-Jahres entstanden, als die meisten Konzerte abgesagt wurden: deutsche Volkslieder von „Der Mond ist aufgegangen“ und „Es klappert die Mühle“ über „Der Mai ist gekommen“ bis hin zu „Schlafe, mein Prinzchen“. Ein ungewöhnliches Projekt für einen Konzertpianisten, den die Zeitlosigkeit der Lieder berühren: „Volkslieder scheinen einer Art Ur-Ton der menschlichen Seele zu entsprechen.“ Dreißig seiner Lieblingslieder – und die seines Sohnes – hat er für Klavier eingerichtet und bei Sony Classical eingespielt.

Apropos Familie. Sie ist der Grund, warum Martin Stadtfeld vor nunmehr 15 Jahren nach Wanne-Eickel zog. Und damit in eine aus seiner Sicht hochspannende Region, die er heute als seine Heimat empfindet: „Hier ist ein direkter Menschenschlag, der lebt und leben lässt, der Offenheit und Integrationsfähigkeit seit Generationen vorlebt.“

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Mit der Klavierfassung des berühmten „Steigerlieds“ erweist Stadtfeld auf seiner aktuellen CD seiner Wahlheimat Ruhrgebiet Reverenz. In der er freilich eher selten live zu erleben ist, zuletzt vor drei Wochen im Konzerthaus Dortmund. Beim Klavierfestival Ruhr 2023 wird er aber wieder in unserer Region auftreten.

| Autor: Pitt Herrmann