
Islamische Gemeinde Röhlinghausen und das Herner Bündnis
Lesung mit Jürgen Wiebicke
In einer außergewöhnlichen Zeit unter außergewöhnlichen Vorsichtmaßnahmen, konnte die Lesung von Jürgen Wiebicke, kurz vor dem zweiten Lockdown am Donnerstag (29.10.2020) doch noch stattfinden.

Außergewöhnlich war auch die Einladung für den Referenten, über Demokratie zu sprechen. „Ich war vielleicht in Hunderten von Veranstaltungen. Von Linken, von Rechten, von der sogenannten Mitte der Gesellschaft, wurde ich eingeladen, um über Demokratie zu sprechen. Von einer islamischen Gemeinde wurde ich zum ersten Mal eingeladen. Das ist doch ein guter Anfang‘‘, so Jürgen Wiebicke.
Auf die jüngsten Ereignisse, die unsere Gesellschaft spalten und in der Zukunft noch spalten werden, gab es eine Feststellung für alle Demokratiepatrioten: ,,Es gibt viele Freiheiten, wenig Pflichten. Eine grundsätzliche Pflicht, die nicht im Grundgesetz steht und dennoch die Basis dafür ist: Wir müssen uns wechselseitig ertragen. Die ganze Nummer funktioniert nur in Verschiedenheit. Wir haben keinen Anspruch darauf, von den ätzenden Meinungen anderer verschont zu bleiben. Natürlich im Rahmen der Gesetze. Niemand hat das Recht darauf, verschont zu bleiben. Das Bewusstsein für diese Pflicht hat leider arg gelitten. Das ist das Stressige an der Demokratie. Zur Freiheit gehört auch dazu, den anderen auszuhalten.‘‘

Und für diejenigen, die glauben, die Demokratie hat sein Höhepunkt erreicht oder noch schlimmer, alles wäre ganz hoffnungslos, gab er einen wachrüttelnden Hinweis: ,,Es ist falsch, wenn wir glauben, das Beste bereits gesehen zu haben. Stagnation und ein pessimistischer Blick auf die Zukunft schadet auf Dauer nicht nur unserem persönlichen Wohlbefinden sondern auch unserer Demokratie. Demokratie ist darauf angewiesen, dass man daran glaubt, seine Haltung immer verbessern zu können. Die alte Idee von Fortschritt seit der Französischen Revolution, hat bisher alle sozialen Befähigungen beflügelt. Wir haben die Chance, die Dinge die heute nicht gut laufen, morgen zu verbessen. Der Glaube daran ist für die Demokratie überlebenswichtig. Warte nicht auf den großen Wurf. Veränderung beginnt im Kleinen, wir werden nicht sofort die ganze Welt in Bewegung bringen können. Wir müssen nicht das große Ganze verbessern. Wir können damit anfangen, in unserem Stadtteil etwas zu verbessern.“
Einen weiteren Rat gab es für engagierte Menschen: „Die Kraft, für etwas zu sein ist stärker und nachhaltiger, als die Kraft gegen etwas zu sein. Manchmal ist es notwendig, auch gegen etwas zu sein. Sei gelassen im Umgang mit Demokratieverächtern. Populisten setzen darauf, dass sie mit Provokationen und Reaktionen erzielen. Wir sollten uns jedoch nicht zu dauerhafter Empörung anstacheln lassen, sondern gelassen bleiben.“
Die Veranstaltung wurde als Teil des Förderprogramms Komm an NRW, von der Islamischen Gemeinde Röhlinghausen in Kooperation mit dem Herner Bündnis, durchgeführt. „Es war ein sehr informativer Abend. Herr Wiebicke konnte überzeugend die wichtigsten Regeln für ein friedliches Zusammenleben erklären: Man muss andere Meinungen auszuhalten, auch wenn sie ätzend sind. Mit so einer Vorstellung kann ich gut leben‘‘, so Ibrahim Nazik, Imam der Gemeinde.