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'Die Wand' im Rottstr5Theater: Lea Kallmeier vor Marlen Haushofers Wand, die eigentlich ein seelischer Zustand ist.

Marlen Haushofers Roman an der Rottstraße

Lea Kallmeier glänzt in „Die Wand“

Eine namenlose Frau (Lea Kallmeier) ist mit Freunden und deren Hund Luchs zum Wochenendausflug in eine Berghütte gefahren. Hugo und Luise wollen schnell noch ein paar Lebensmittel aus dem nächsten Dorf holen. Als die beiden auch am nächsten Morgen noch nicht zurückgekehrt sind, macht sich die Frau mit dem vorauseilenden Vierbeiner entlang eines Bachlaufes talwärts auf den Weg. An einem leichten Feldüberhang jault Luchs auf und prallt zurück. Vorsichtig tastet sich die Frau an besagte Stelle heran – und stößt auf eine unsichtbare Wand.

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Draußen vor der Wand herrscht völliger Stillstand, vor einer Nachbarhütte scheinen zwei Menschen beim Wasserschöpfen mitten in der Bewegung versteinert worden zu sein – obwohl das Wasser nach wie vor fließt. Drinnen erwacht der Überlebenswille der Zurückgelassenen, die sogleich beginnt, eine Art Tagebuch zu führen. Bald kann sie sich um eine kleine Menagerie kümmern: eine auf den Namen Bella getaufte trächtige Kuh wird im nächsten Jahr ein Stierkalb zur Welt bringen wie auch eine zugelaufene Katze. Zuletzt kommt mitten im Winter noch eine im Kreise ihrer Artgenossen als Außenseiter bekämpfte Albino-Krähe hinzu.

'Die Wand' im Rottstr5Theater: Lea Kallmeier hat am Rottstr5Theater nichts mehr von der mondänen Städterin der Vorlage, die sich gezwungenermaßen in das einfache, physisch wie psychisch herausfordernde Landleben eingewöhnt.

Glücklicher Sommer

Phasen des physischen, die Frau muss zum eigenen Überleben in felsigem Untergrund Kartoffeln pflanzen und im tiefsten Schnee auf die Jagd gehen, und psychischen Zusammenbuchs folgen glückliche Sommer-Wochen auf einer um einiges höher gelegenen Almhütte. Die Heuernte im Juli sowie die anschließende Obst- und Kartoffelernte versöhnen sie mit ihrer immer selbstverständlicheren Umgebung. Doch dann stirbt Luchs – und zum ersten Mal nach langer Zeit fühlt sich die Frau ganz allein. Um dann doch noch von einem Mann gefunden zu werden...

Marlen Haushofers 1963 erschienener und mit dem Arthur Schnitzler-Preis ausgezeichneter Roman „Die Wand“ gilt mittlerweile als Kultbuch der Frauenbewegung und liegt in mehr als 20 Sprachen übersetzt vor. Dabei ist die Gedankenwelt der österreichischen Schriftstellerin Marlen Haushofer (1920-1970) in ihrem fünften Werk, das Elke Heidenreich zu den zehn wichtigsten Büchern in ihrem Leben zählt, mit „Küchenphilosophie“ noch freundlich umschrieben.

Seelischer Zustand

Die Wand ist für die Autorin Marlen Haushofer „eigentlich ein seelischer Zustand, der nach außen plötzlich sichtbar wird. Haben wir nicht überall Wände aufgerichtet? Trägt nicht jeder von uns eine Wand, zusammengesetzt aus Vorurteilen, vor sich her?“ Seit seiner Veröffentlichung hat der Roman viele Lesarten und Interpretationen erfahren, so in der Verfilmung des Österreichers Julian Roman Pölsler („Polt“-Krimis) 2012 mit Martina Gedeck in der Hauptrolle.

Noch im gleichen Jahr, Uraufführungs-Premiere war am 6. Dezember 2012 in der Regie ihres Ensemble-Kollegen Christian Nickel, verkörperte Dorothee Hartinger die Protagonistin ihrer eigenen Monologfassung auf der Feststiege des Wiener Burgtheaters. Um die Jahrtausendwende Peter Steins „Gretchen“ in seiner monumentalen „Faust“-Inszenierung und seit 2002 Mitglied im Ensemble des Wiener Burgtheaters, erzählt Dorothee Hartinger im Gegensatz zur literarischen Vorlage das Geschehen chronologisch.

O-Text und Verfilmung

In Alexander Ritters Inszenierung, die am 3. Dezember 2021 am Rottstr5 Theater Bochum Premiere feierte, findet sich einiges wieder von der kongenialen Leinwand-Adaption, angefangen vom Krächzen der Krähen, die um die Jagdhütte flattern. „Ich bin ganz allein…“: Lea Kallmeier betritt den kargen, nur mit einem Stuhl und einer Waschschüssel ausgestatteten Bühnenraum in ruralem Outfit mit einer flackernden Kerze. Sie hat nichts mehr von der mondänen Städterin der Vorlage, die sich gezwungenermaßen in das einfache, physisch wie psychisch herausfordernde Landleben eingewöhnt.

Alexander Ritter, neben Oliver Paolo Thomas künstlerischer Leiter der ambitioniertesten Off-Bühne des Reviers, streut in seiner 75-minütigen Inszenierung immer wieder Originaltext Haushofers aus dem Off ein. „Ausbrechen oder wahnsinnig werden“: Lea Kallmeier kommt zumeist mit sparsamster Gestik und Mimik aus, unterbricht ihre hochkonzentrierte Ich-Erzählung aber mehrfach durch expressive choreographische Elemente in Spiegelung der Gemütsverfassung ihrer Figur. Höhepunkt, das sei noch verraten, ist Lea Kallmeiers actionreiche Schilderung der Nacht, in der Bella ein Kalb zur Welt bringt.

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Ort und Karten

Die 75-minütige Inszenierung Alexander Ritters wieder am Freitag, 9. Februar 2024, am Freitag, 22. März 2024 sowie am Sonntag, 28. April 2024 jeweils um 19:30 Uhr im Rottstr5Theater am Rande des Bochumer Bermuda-Dreiecks zu sehen. Karten unter rottstr.de oder Tel 0163 – 761 50 71. Normalpreis inklusive einem Freigetränk und Programmheft: 17 Euro. Ermäßigter Preis inklusive einem Programmheft: 10 Euro.

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  • Freitag, 9. Februar 2024, um 19:30 Uhr
  • Freitag, 22. März 2024, um 19:30 Uhr
Montag, 5. Februar 2024 | Autor: Pitt Herrmann