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Unerwartete Wendungen im Aalto-Musiktheater

'L’amant anonyme' in Essen

In Joseph Bolognes heiter-harmloser kammermusikalischer Komödie „L’amant anonyme“, 1780 im Privattheater von Madame de Montesson, der Gattin von Louis Philippe d'Orléans, vor geladenen adligen Gästen in Paris uraufgeführt, ist Valcour (George Vîrban) ratlos. Er kann seiner vor Kurzem verwitweten Freundin Léontine (Lisa Wittig) nur anonyme Briefe, Blumensträuße und Geschenke schicken, ihr aber nicht persönlich seine Liebe gestehen.

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Diese hat sich von der hektischen Großstadt auf ihr im Essener Aalto-Theater recht düsteres, kaltes Landschloss (Ausstatter Ivan Ivanov nutzt Frank Philipp Schlößmanns Bühne aus der 2021er Mozart-Produktion „La finta giardiniera“) zurückgezogen und weiß zunächst nicht so recht, ob sie sich über die Liebesbeweise eines Unbekannten freuen oder ärgern soll.

Die Chance zur Offenbarung

Nur Valcours Freund Ophémon (Tobias Greenhalgh) kennt dessen wahre Identität und sieht die Chance zur Offenbarung gekommen bei der kurz bevorstehenden Hochzeit von Jeannette (Natalija Radosavljevic alternierend mit Natalia Labourdette) und Colin (Aljoscha Lennert). Denn nach und nach zeigt sich auch Léontine geschmeichelt von der ihr täglich zuteilwerdenden Aufmerksamkeit und sie beauftragt Ophémon, ein Rendez-vous mit ihrem Verehrer zu arrangieren. Am nicht unerwarteten glücklichen Ende feiern zwei Paare die Macht der Liebe…

Als der aus Guadeloupe stammende Joseph Bologne (1739 oder 1745-1799) diese zweiaktige Comédie mêlée d'ariettes („Komödie mit kleinen Liedern“) komponierte auf ein Libretto von François-Georges Fouques Deshayes, genannt „Desfontaines“, war der „Chevalier de Saint-Georges“ eine der prominentesten Figuren der Pariser Kulturszene und der Adelsgesellschaft – aufgrund seiner Hautfarbe, aber auch seiner zahlreichen Talente: Geiger, Fechter, Komponist, Dirigent und Offizier.

Die junge Braut Jeannette (Natalija Radosavljevic) staunt über dies ungewöhnliche Hochzeitsgeschenk eines anonymen Gönners.

Nach seinem Tod aber verschwand er ebenso in der Versenkung wie seine liebreizende frühklassische Komödie über Versteckspiele, Verwirrungen, vertauschte Identitäten und das hoffnungslose, aber hartnäckige Werben um die Liebe.

Große Ensembleszenen und bunte Divertissements

Trotz schwelgerischer Duette, großer Ensembleszenen und bunter Divertissements unter der musikalischen Leitung von Wolfram-Maria Märtig, 1. Kapellmeister am Aalto-Theater, ist „L’amant anonyme“ nicht abendfüllend, weshalb mit der ungarischen Regisseurin und Lehrbeauftragten an der Berliner Universität der Künste, Zsófia Geréb, eine vielgefragte Spezialistin für Inszenierungen mit „zeitgemäßer Relevanz“ (so Donizettis „Don Paquale“ vor Jahresfrist in Gelsenkirchen) verpflichtet wurde.

In die Comédie mêlée ist mit „Unerwartete Wendungen“ ein von Alvaro Schoeck inszeniertes und vom jungen Düsseldorfer Komponisten SJ Hanke musikalisch ergänztes Beteiligungsprojekt („Aalto:StartUp“) integriert worden. Naturgemäß nichts für Opern-Puristen, die am liebsten nur Bekanntes aufgewärmt bekommen wollen. Weshalb selbst die Premierenvorstellung am Samstag (16.3.2024) große Lücken im Parkett aufwies.

Zwei Poetry Slammer tragen Texte vor

Aber ‘was für Neugierige und, so die Hoffnung, für junge Neulinge: Die beiden heimischen Poetry Slammer Jule Weber („Nichts berührt, nichts geht vergessen“) und Jan Seglitz alias Jay Nightwind („Darf ich dich vielleicht lieben?“) tragen als „Spoken Word Artists“ eigene Texte vor, die Interessierte auch im oberen Foyer nachlesen oder mit dem Handy fotografieren können. Fünf Urban-Street-Dancer präsentieren den in Rokokokostümen steckenden Hochzeitern Styles wie Breakdance, Krumping und Robot. Schließlich hängen im Foyer und an einer Wand des Landsitzes Léontines auf der stets rotierenden Drehbühne ausdrucksstarke Aufnahmen emotionaler menschlicher Situationen, die im Rahmen eines Workshops zusammen mit Profi-Fotografen entstanden sind.

„L’amant anonyme oder Unerwartete Wendungen“ ist ein sicherlich umstrittenes, bei den häufigen Unterbrechungen der Komödienhandlung nicht immer gelungenes Experiment binnen zweier höchst abwechslungsreicher und sehr wohl inspirierender Stunden. Angereichert mit Christina Clark und Rainer Maria Röhr als in das Bühnengeschehen eingreifende Zuschauer, mit einem vielköpfigen Jungen Chor und einem Seniorinnen-Quartett. Und den um die Schlagwerker Patrick Andersson und Oliver Kerstan verstärkten Essener Philharmonikern, die einmal mehr musikalisch nichts zu wünschen übrig lassen. Die weiteren Vorstellungen:

  • Donnerstag, 21. März 2024, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 14. April 2024, 16.30 Uhr
  • Samstag, 20. April 2024, 19 Uhr, Nachgespräch in der Aalto-Cafeteria
  • Freitag, 3. Mai 2024, 19.30 Uhr
  • Mittwoch, 15. Mai 2024, 19.30 Uhr
  • Freitag, 7. Juni 2024, 19.30 Uhr

Einführung jeweils 45 Minuten der Vorstellung. Montag, 22. April 2024, 19.30 Uhr, Blaue Stunde. Das neue Format fasst kleinformatige, vielgestaltige, besondere Abende außerhalb des Vorstellungsbetriebs auf der großen Bühne zusammen. Jeweils montags werden die großen Musiktheaterpremieren künstlerisch reflektiert.

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Infos zu den Tickets

Karten sind erhältlich im Ticket-Center der TUP, II. Hagen 2 in der Essener City, an der Kasse des Aalto-Theaters, Opernplatz 10, online unter theater-essen.de oder unter Tel 0201 - 81 22 200.

Mai
3
Freitag
Freitag, 3. Mai 2024, um 19:30 Uhr Aalto-Musiktheater , Opernplatz 10 , 45128 Essen Karten sind erhältlich im Ticket-Center der TUP, II. Hagen 2 in der Essener City, an der Kasse des Aalto-Theaters, Opernplatz 10, online unter theater-essen.de oder unter Tel 0201 - 81 22 200.
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  • Mittwoch, 15. Mai 2024, um 19:30 Uhr
  • Freitag, 7. Juni 2024, um 19:30 Uhr
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  • Donnerstag, 21. März 2024, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 14. April 2024, um 16:30 Uhr
  • Samstag, 20. April 2024, um 19 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann