Stück der Saison am Castroper WLT
Kleists 'Zerbrochner Krug'
In Heinrich von Kleists 1808 am Hoftheater Weimar uraufgeführtem Lustspiel „Der zerbrochne Krug“, das jetzt allerorten auf den Spielplänen steht, weil der Klassiker Thema im nordrhein-westfälischen Zentralabitur der Jahre 2026 und 2027 ist, wird im ausgehenden 17. Jahrhundert Gerichtstag gehalten im fiktiven Dorf Huisum in der niederländischen Provinz Utrecht.
Ort des Geschehens in der Inszenierung des scheidenden WLT-Intendanten Ralf Ebeling, die am Samstag (18.10.2025) in der Stadthalle Castrop-Rauxel Premiere feierte, ist freilich das mit Pokalschränken nobilitierte Vereinsheim des Fußball-C-Kreisligisten 1. FC Husum unserer Tage.
Running Gag auf flinken Beinen
In dem der Schreiber Licht (Running Gag auf zwei flinken Beinen: Jan-Heinrich Kroll) erst einmal die Überreste der letzten Fete aus dem Weg räumen muss, bevor der Dorfrichter Adam (einmal mehr eine Paraderolle für Guido Thurk, dem HB-Männchen im Ensemble) seines Amtes walten kann – barhäuptig und arg zerkratzt, aber zum Glück ohne Klumpfuß.
Denn, das darf nach mehr als zweihundert Jahren verraten werden, müsste er eigentlich sich selbst den Prozess machen statt Ruprecht (Vincent John), dem Verlobten Eves (Lesley-Ann Eisenhardt). Den sein voreingenommener Vater Veit Tümpel (Mike Kühne) unsanft vorführt, welcher der Anklage glaubt, nach der Ruprecht besagten Krug zerbrochen haben soll, als er von Eves Mutter Marthe Rull (Arikia Orbán) nachts scheinbar in flagranti in der Kammer seiner Liebsten erwischt, durchs Fenster flüchtete.
Zu allem Unglück schaut auch noch Adams Vorgesetzter, Gerichtsrat Walter (auch in silberglänzenden Sportschuhen souverän wie gewohnt: Burghard Braun), vorbei und zeigt sich höchst verwundert über den Verlauf der Gerichtsverhandlung, in der Adam jedes Mittel recht erscheint, seine Haut zu retten – bis zum Auftritt einer Zeugin, Frau Brigitte (Carolin Leweling), die Adams Perücke im Spalier unter Eves Fenster gefunden hat. Auch sie hat die Ausstatterin Clara Eigeldinger ins Fußballdress gezwungen und damit einen zu Beginn noch allgemein erheiternden Einfall ad absurdum geführt.
Scherben im Schuhkarton
Ralf Ebeling, der vor über 20 Jahren – damals noch als Gast – mit Kleist („Prinz Friedrich von Homburg“) sein Regiedebüt am Westfälischen Landestheater gab, hat im Gegensatz zur schrillen Dortmunder „Mysterie-Seifenoper“ der Regisseurin Lola Fuchs den „Krug“, dessen Scherben übrigens in einem Schuhkarton versteckt bleiben, weitgehend konventionell inszeniert – auch was die Sprache betrifft. Was den Gymnasiasten zupasskommen wird, die sich eh‘ mit literarischen Texten schwertun und es so leichter haben, sich mit dem Stoff und seiner Umsetzung auf der Bühne auseinanderzusetzen.
Die Übertragung in unsere Zeit geschieht zum einen durch die auf Dauer alberne Kostümierung des achtköpfigen Ensembles und zum anderen durch die Aufwertung des eigentlichen Opfers der durch einen Kupferstich von Le Veau (1782) offenbar historisch beglaubigten Geschichte: Lesley-Ann Eisenhardts Eve spricht am Ende einen Monolog, den der im Programmheft glatt unterschlagene Dramaturg Christian Scholze aus dem Variant, der ursprünglichen Fassung der letzten Auftritte, destilliert und nicht unerheblich ergänzt hat. In dem es um die drohende Kriegsdienst-Einberufung Ruprechts nach Batavia (damals Niederländisch-Indien, heute Indonesien) geht, die Eve durch einen Besuch beim Dorfrichter abzuwenden trachtete.
Besondere Triggerwarnung
Vor allem aber um Eves körperliche und seelische Verletzungen, weshalb das WLT auch eine Triggerwarnung ausgesprochen hat vor „sexualisierter Gewalt, Vergewaltigung und Traumatisierung“ im hinzuerfundenen Text. Die der Autor unnötig findet, die aber wohl aus rechtlichen Gründen heutzutage sein muss: „Der Besuch der Aufführung erfolgt auf eigene Verantwortung.“
Karten unter Tel. 02305 - 978020. Die weiteren Aufführungen im Revier:
- Freitag, 14. November 2025, 19:30 Uhr Theater Marl
- Samstag, 15. November 2025, 20 Uhr WLT-Studio Castrop-Rauxel
- Sonntag, 16. November 2025, 18 Uhr WLT-Studio Castrop-Rauxel
- Donnerstag, 27. November 2025, 19:30 Uhr Ruhrfestspielhaus Recklinghausen
Weitere Termine (1) anzeigen...
- Sonntag, 16. November 2025, um 18 Uhr