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Braucht daheim keinen Fernseher: Christoph Maria Herbst als „Buchspazierer“ Carl Kollhoff.

Herzerwärmende Feelgood-Komödie

Für die ganze Familie: „Der Buchspazierer“

Update, Donnerstag (12.12.2024)

Weiterhin zu sehen im Casablanca Bochum, in Schauburg Dortmund, im Astra Essen und im Metropol Düsseldorf.

Der Kino-Text

Es ist ein beschauliches Leben, das der längst im Rentenalter stehende Carl Kollhoff (Christoph Maria Herbst) führt. Daheim fühlt er sich inmitten seiner großen Bibliothek wohl, die er stets nur am Nachmittag verlässt, um im kleinen Hinterzimmer der Buchhandlung am Stadttor bestellte Exemplare sorgfältig einzupacken, als handele es sich um Geschenke.

Schnitt. Die Grundschullehrerin Degwitz (das Bochumer Schauspielhaus-Ensemblemitglied Mercy Dorcas Otieno) hat im Unterricht so ihre Last mit den unkonzentrierten, ständig unterm Tisch daddelnden Schülern. Nur die neunjährige Schascha (Yuna Bennett), die als Halbwaise bei ihrem Vater lebt, liest lieber Gedrucktes. Gerade nimmt sie Michael Endes Roman „Momo“ gefangen – und das auch noch zur Schlafenszeit.

Carl erkennt seine Buchhandlung nicht mehr wieder

Eines Tages erkennt Carl seine Buchhandlung gar nicht wieder: „Orange Books“ prangt nun über dem Eingang und auch die Innenausstattung hat sich nicht nur farblich stark verändert. Neben dem stark verkleinerten Buchsortiment offeriert die neue Chefin der nun zu einer Hamburger Kette gehörenden Filiale, Frau Jattkoviak (Nikola Kastner), zahlreichen Lifestyle-Schnickschnack für hippe junge Leute.

Dabei, weiß Carl, ist sein beschaulicher Heimatort ein „Dorf der Lesenden“ (gedreht wurde im Sommer 2023 in Velbert-Langenberg). Er bringt am frühen Abend die bestellten Werke persönlich zu den Stammkunden, schließlich hat er diese persönlich empfohlen. Er kennt die Vorlieben „seiner“ Leser, denen er heimlich entsprechende Spitznamen aus dem literarischen Kosmos gegeben hat – wie Frau Langstrumpf (Maren Kroymann), einer ehemaligen Lehrerin, wie Herkules (Tristan Seith), der eigentlich gar nicht lesen kann, und Effi Briest (Hanna Hilsdorf), die sehr unter ihrem cholerischen Gatten (Patrick Berg) leidet.

Junges Mädchen heftet sich an seine Fersen

Seit kurzem heftet sich ein junges Mädchen, die seine Enkelin sein könnte, bei den Botengängen an seine Fersen. Sie nennt Carl, nachdem sie seine Profession herausbekommen hat, den „Buchspazierer“ und begegnet auch allen Kunden mit großer Neugierde. So erfährt Schascha, um die handelt es sich nämlich, einiges über diese. Sie erkennt als erste, dass hinter der Fassade des vornehmen, stets zurückhaltenden Mister Darcy (Edin Hasanovich) ein einsamer Kerl mit großem Herz steckt.

Carl Kollhoff (Christoph Maria Herbst) und seine junge Begleiterin Schascha (Yuna Bennett) in ihrer Lieblings-Eisdiele.

Dabei hat das Mädchen eigene Probleme: ihr Vater (Ronald Zehrfeld) will die Vergangenheit hinter sich lassen, zu der auch Schaschas Lieblingsbuch „Heidi“ gehört, obwohl sie Johanna Spyris Kinderbuch längst entwachsen ist. Handelt es sich doch um das letzte Geschenk ihrer verstorbenen Mutter. Als ihr darob sogleich eifersüchtiger Vater, der am Bau arbeitet, mitbekommt, dass Schascha beinahe täglich am frühen Abend Carl auf seinem Buch-Spaziergang begleitet, verpasst er diesem eine – im Film deutlich abgeschwächte – Lektion.

Was Carl noch mehr zu schaffen macht: Er verliert seinen Nebenjob, der für ihn längst zur Hauptbeschäftigung seines Lebens geworden ist. Zumal ihm seine „Laufkundschaft“ sehr ans Herz gewachsen ist. Schascha, sich selbstbewusst über das Kontaktverbot des Vaters hinwegsetzend, schafft die Wende, die freilich so nicht im Buche steht, dem gleichnamigen Bestseller-Roman von Carsten Henn, der seit seinem Erscheinen im November 2020 über 500.000 Leser begeistert hat.

98-minütige Komödie für alle ab sechs Jahren

Die 98-minütige Feelgood-Komödie für alle ab sechs Jahren von Andi Rogenhagen und Ngo The Chau hat nicht nur Episoden wie den im Moviepark Bottrop gedrehten Freizeitpark-Ausflug hinzuerfunden, sondern dem Buchspazierer auch eine Vergangenheit angedichtet. Das dürfte ganz im Sinne Henns sein, der bei der NRW-Premiere in der Essener Lichtburg nur ein Manko erkannte – dass dieser tolle, großartig besetzte Film für die ganze Familie wie im Fluge vergeht.

Dennoch sei allen die Lektüre des von Piper edierten 220-seitigen Romans ans Herz gelegt. Der übrigens ein reales Vorbild hat: die Buchhandlung Backhaus in Aachen, die in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum feiert und bereits viermal mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet worden ist, offeriert die persönliche Auslieferung durch einen „Buchspazierer“, der mit einem großen Rucksack durch die Kaiserstadt geht.

Die Leinwand-Adaption, uraufgeführt am 1. Oktober 2024 auf dem Filmfest Hamburg, markiert das Kinoregiedebüt von Ngo The Chau, einem 1977 im vietnamesischen Hanoi geborenen Absolventen der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, der für seine TV-Arbeiten zahlreiche Preise erhielt. Zum Kinostart am 10. Oktober 2024 läuft „Der Buchspazierer“ in der Filmwelt Herne, im Casablanca Bochum, in der Schauburg Dortmund, in der Schauburg Gelsenkirchen, im Astra Essen sowie im Metropol Düsseldorf.

Mittwoch, 9. Oktober 2024 | Autor: Pitt Herrmann