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v.li. Zeynep Topal, Gareth Charles, Jubril Sulaimon und Svea Kirschmeier, Hintergrund Dennis Brzoska

Großartige Musik-Produktion des Theater Kohlenpott

Flottmann Open Air: „Ich bin Liebe“

„Man kann Pfannkuchen lieben – und seine Mutter. Man kann das aber nicht vergleichen“ sagt Jubril in „Ich bin Liebe“, einem Theaterstück von Frank Hörner und Manuel Moser (Text), Jerome Vazhayil (Songtexte) und Sebastian Maier (Musik). Die Produktion des Theater Kohlenpott Herne ist am 13. März 2020 in den Flottmannhallen uraufgeführt worden – als letzte Live-Inszenierung vor der coronabedingten Zwangspause.

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Die fiktive Pop-Band „People of Love“.

Eine Light-Show kündigt den bevorstehenden Auftritt der fünfköpfigen Pop-Gruppe „People of Love“ an. Die Bühne der Ausstatterin Stefanie Stuhldreier ist richtig kuschelig: Vorn an der Rampe die Reihe der Standmikrophone für das Gesangs-Quartett, hinten das mächtige Schlagzeug-Konglomerat des Drummers „Käpt'n“ Dennis Brzoska. Und dazwischen eine richtige Snoozle-Zone mit einem Berg weicher Kissen. Gareth Charles, Svea Kirschmeier, Jubril Sulaimon und Zeynep Topal kriechen aus dem theaternebelumwaberten Bühnen-Orkus auf die Bretter – und legen gleich mächtig los. Dabei entblößt Gareth ein T-Shirt mit dem Porträt Zeyneps, was seine Angebetete nicht witzig findet: „Wir sind nicht zusammen“ stellt sie den anderen Bandmitgliedern gegenüber unmissverständlich fest. Was sogleich Gareths lautstarkes Kontra provoziert: ein Streit auf offener Bühne coram publico geht gar nicht!

Andererseits war für die anderen drei bisher völlig klar, dass Zeynep und Gareth ein Paar sind. Und so entspannt sich alsbald ein munterer Austausch darüber, was jeder über die große Gefühle und euphorische Stimmungen hervorbringende Liebe denkt, welche Erfahrungen mit den sprichwörtlichen Schmetterlingen im Bauch bisher gemacht worden sind und welche Hoffnungen mit der einzigen großen Liebe, sollte es sie überhaupt geben, verbunden sind. Fünf junge Menschen, fünf ganz unterschiedliche, individuelle Perspektiven auf das „die schönste Sache der Welt“ genannte Mysterium. Und das mit fetziger Musik (Sebastian Maier) zu deutschen Liedtexten (Jerome Vazhayil und Ensemble) über die vielfältigen Facetten der Liebe.

Zu der als andere Seite einer Medaille freilich auch die Eifersucht gehört – mit Regieassistentin Emily Leimbach als Groupie, die kurzerhand die Bühne entert und für einige hormonelle Ausschläge sorgt. Mit entsprechenden Folgen für die Band, die mehrfach kurz vor dem Abbruch des Konzerts steht. Aber dann erinnern sich die einen an die kindliche Geborgenheit unter dem Schirm bedingungsloser Elternliebe, besinnen sich andere auf erste romantische „Twilight“-Erfahrungen in frühester Jugend – und die Stimmungskanone Jubril, selbst dem gröbsten Gefühlschaos entwachsen als glücklicher Familienvater, jammt auf der Djembé-Trommel aus seiner nigerianischen Heimat mit dem Käpt'n.

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Ich bin Liebe ein Musikstück vom Theaterkohlenpott.

Popmusik wird ein wenig mit Weltmusik unterfüttert, eine kleine Geschichte der Liebe von der Steinzeit bis heute hintergründig-witzig erzählt und mit reichlich Slapstick unterfüttert – und der Kommerzkitsch unserer Tage mit Whitney Houston belegt. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Die darauf folgenden Liebes-, Trennungs- und Schmerzgeschichten aus der Feder von „Kohlenpott“-Leiter Frank Hörner, der auch Regie führt, und seines Kölner Comedia-Kollegen Manuel Moser jedenfalls sind bei aller Ironie auch sehr wahrhaftig. Und die Live-Musik hat allein die stehenden Ovationen nach pausenlosen achtzig Minuten hoch verdient. Was die großgewachsene Svea Kirschmeier, wie Gareth Charles Kölnerin und erstmals am Theater Kohlenpott, am Saxophon, an der Gitarre und an der Mundharmonika zustande bringt, ist großartig – im Zusammenspiel mit Käpt'n Dennis Brzoska und nicht minder als Solistin. Gibt es ein anderes Theaterstück, in dem eine junge Frau ihren in etwa gleichaltrigen Bandkollegen allein mit den Klängen ihres Saxophons zu trösten weiß?

| Quelle: Pitt Herrmann