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Vornweg beim Widerstand gegen die Bagger: Bruno Manser.

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Die Stimme des Regenwaldes

Im Jahr 1984 reist der 29-jährige Schweizer Umweltaktivist Bruno Manser (Sven Schelke) in den Dschungel von Sarawak im malaysischen Teil der Insel Borneo. In einem der ältesten Regenwälder der Welt ist er auf der Suche nach einem der letzten Nomadenvölker der Erde: den Penan. Er will das Basler Büro gegen ein Leben eintauschen, wie es die Menschen führten, bevor Industrialisierung und Konsumrausch ihren Lebensalltag prägten. Und rettet sich vor Wildtieren mit dem Spiel auf seiner Blockflöte, das ihm auch bei der Kontaktaufnahme mit Einheimischen hilft.

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Manser trifft nach abenteuerlicher Suche auf eine Penan-Sippe und folgt ihr in respektvoller Distanz, um ihre Lebensweise zu studieren. Es gelingt ihm allmählich, ihr Vertrauen zu gewinnen. Häuptling Along Sega (Nick Kelesan) nimmt den Fremden schließlich wie einen Sohn unter seine Fittiche und bringt ihm alles bei, was er für ein Leben im Dschungel braucht. Eine junge Penan-Frau, Ubung (Elizabeth Ballang), verliebt sich in den Weißen, doch Manser hält sich zurück: Er wird nicht für immer in Malaysia bleiben (seine Schweizer Frau bleibt ihm Film unerwähnt).

Auf dem Weg in ein neues Jagdgebiet entdecken die Penan 1987 eine gewaltige Rodung: Mit dem Export von Tropenholz nach Europa soll Malaysia nach dem Willen der Regierung zu einer Industrienation aufsteigen. Manser überzeugt Häuptling Sega und die Penan, für ihr Land zu kämpfen. Gemeinsam mit 45 weiteren Stämmen beginnen sie, 23 Holzfällerstraßen zu blockieren. Auf diese Weise gelingt es ihnen, einen Großteil der malaysischen Holzindustrie stillzulegen. Das weckt die Aufmerksamkeit der Medien, allen voran die des jungen Journalisten James Carter-Long (Matthew Croeley), selbst Sohn eines britischen Kolonialbeamten, der sich Manser als ein Sprachrohr anbietet.

Ubung mit Familie im Sarawah-Dschungel.

Nachdem Malaysias Geheimdienstchef Robert Chang (David Ka Shing Tse) 50.000 US-Dollar Kopfgeld auf den Schweizer ausgesetzt hat, ist Manser gezwungen, sich im Dschungel zu verstecken. Er wird von einer Giftschlange gebissen und von Ubung gesund pflegt: Nun kann Manser seine Gefühle für sie nicht mehr länger unterdrücken. Ein blutiger Kampf der Penan gegen die Staatsmacht, welche die indigenen Nomaden wie Tiere behandelt, beginnt – und Bruno Manser, zwischenzeitlich verhaftet, erkennt, dass er den Ureinwohnern nur helfen kann, wenn er den Kampf von der Schweiz aus internationalisiert. Moralisch unterstützt von seinem Vater (Daniel Ludwig), einem Chemiker in Diensten des Pharmaherstellers Sandoz.

1990 fordert Manser, der mit seinem Freund Roger Graf (Benjamin Mathis) einen Fonds zur Rettung des Regenwaldes gegründet hat, dass die Europäische Union einen Importstopp von Tropenholz erlässt. Denn er hat von Häuptling Along Sega deprimierende Nachrichten erhalten: Die Abholzung schreite stetig voran und viele Penan würden durch ein staatliches Siedlungsprogramm, das unter „Entwicklungshilfe“ firmiert, dazu verführt, den Dschungel zu verlassen – so auch Ubung. Mansers letzte Hoffnung ist eine spektakuläre Aktion beim G7-Gipfeltreffen in München, doch die kommerziellen Interessen besiegen den Menschen- und damit auch den Klimaschutz.

Neue Hoffnung keimt auf, als der Uno-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali ihn zur Mitarbeit bei der „International Tropical Timber Organization“ einlädt. Die Unterorganisation der Vereinten Nationen bemüht sich um einen Zertifizierungsstandard, welcher Kriterien zur nachhaltigen Abholzung definiert und fördert. Auf diese Weise ließen sich geschützte Zonen für die Penan und andere Urvölker fordern. 1999, nach acht Jahren, muss Bruno Manser erkennen, dass auch hier die Lobbyisten der Tropenholz-Produzenten den stärkeren Arm haben. Roger Graf und weitere Mitstreiter steigen aus und Manser entschließt sich, zu den Penan zurückzukehren, obwohl er in Malaysia noch immer Staatsfeind Nummer Eins ist...

Paradise War – The Story of Bruno Manser

Niklaus Hilber hat in „Paradise War – The Story of Bruno Manser“, so der Originaltitel des 141-minütigen Films, der am 26. September 2019 beim Filmfest Zürich uraufgeführt wurde und am 22. Oktober 2020 in die deutschen Kinos gekommen ist, einen Stoff verfilmt, den Warner Brothers bereits in den 1990er Jahren produzieren wollte, aber an der Ablehnung des Drehbuchs durch Bruno Manser scheiterte. Der ist 2005 offiziell als verschollen erklärt worden, nachdem er während eines von ihm angeregten Kartierungsprojektes spurlos im Dschungel verschwand.

Gedreht wurde in Indonesien mit Penan aus Malaysia, die teilweise Bruno Manser noch persönlich gekannt haben wie Nick Kelesan, vermutlich 1965 im Regenwald von Sarawah geboren. Von dort stammt auch die 1996 geborene Kindergärtnerin Elizabeth Ballang. „Die Stimme des Regenwaldes“ geht über ein klassisches Biopic hinaus. Zum einen, weil die in den Tagebüchern Mansers verschwiegene Liebesgeschichte mit Ubung breiten Raum einnimmt und weil Fakten wie die Begegnung mit dem Uno-Generalsekretär zeitlich angepasst worden sind: Manser traf in Wirklichkeit Boutros-Ghalis Nachfolger Kofi Annan.

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Zum anderen, weil der Regisseur in dieser David-gegen-Goliath-Geschichte Stellung bezieht und Partei ergreift – gegen den Kapitalismus, die Globalisierung und das Politik-Versagen. Niklaus Hilber betreibt aber keine Schwarzweißmalerei: sein Film legt den Finger in die Wunde, zeigt aber nicht mit dem Finger auf jemanden. Zumal wir alle im Kino-Parkett als potentielle Abnehmer von Tropenholz gefordert sind, einen eigenen Beitrag zur Rettung des Regenwaldes und damit der indigenen Völker beizutragen. Die phantastischen Aufnahmen des deutschen Kameramannes Matthias Reisser wirken am besten auf einer großen Kino-Leinwand, bei uns zu sehen im Casablanca Bochum sowie im Rio Essen.

| Autor: Pitt Herrmann
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