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Die cool cats zum Kapp-Putsch.

Was wäre wenn - eine etwas zynische Betrachtung

Man stelle sich vor, wir hätten nicht das Jahr 2020 sondern 100 Jahre früher, also 1920: Der erste Weltkrieg war gerade vorbei. In Deutschland herrschten chaotische politische Bedingungen. Die Vorläufer der AfD und der Linkspartei, Nazis und Stalinisten, hätten noch keine „Kreide geschluckt und würden ungeniert aufeinander eindreschen und sich gegenseitig erschießen.

Vor dem Berliner Reichstag ereignete sich am 13. Januar 1920 ein Blutbad: Bei Protesten der Kommunisten gegen die Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes wurden mal eben 42 Demonstranten von der Sicherheitswehr erschossen und 105 verwundet. Der von Rechtsradikalen verübte sogenannte Kapp-Putsch brachte das republikanische Deutsche Reich an den Rand eines Bürgerkrieges. Einheiten der Reichswehr marschierten im Ruhrgebiet ein, um den kommunistischen Ruhraufstand niederzuschlagen, der als Reaktion auf den Kapp-Putsch ausgebrochen war. Es herrschte die Zeit der Hyperinflation, in der ein heutiges Blatt Klopapier von Aldi vermutlich mehr wert war als ein damaliger Geldschein über 1 Billion Mark.

Die „Spanische Grippe“ mit weltweit circa 50 Mio. Toten war noch nicht ganz abgeklungen. Sie war immerhin gerecht und machte keinen Unterschied zwischen Alten und Jungen, Armen und Reichen. Viren als Krankheitserreger hatte es zwar schon immer gegeben. Nur sie waren als solche nicht bekannt, geschweige denn, dass systematisch Impfstoffe hätten entwickelt werden können. Die Entdeckung des Penizillins und anderer Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionen lag noch in weiter Ferne.

Das, was wir heute „Gesundheitssystem“ nennen, gab es allenfalls in rudimentären Spuren. Die Menschen dieser Zeit waren durch Krieg und Kaiserzeit, Pest, Cholera, Tuberkulose, Syphilis und Influenza abgehärtet. Die Säuglings- bzw. Kindersterblichkeit bis zum 5. Jahr lag bei gut 20 Prozent. Man pflegte im Durchschnitt nur circa 50 Jahre alt zu werden. Das soziale Gefälle zwischen Adel und Volk, Reichen und Armen war gewaltig.

Kurz, es herrschten im Vergleich zu heute geradezu chaotische politische, wirtschaftliche, soziale und medizinische Bedingungen. Was wäre geschehen, wenn in dieser Zeit das Corona-Virus SARS-CoV-2 aufgetaucht wäre? Ein Virus, das im Wesentlichen nur Alte und Gesundheitsgeschwächte bedroht, Junge und Gesunde aber fast unbehelligt lässt. Ich bin sicher, man hätte für den aktuellen Hype allenfalls ein Kopfschütteln übrig gehabt.

Vermutlich hätte es auch Hamsterkäufe gegeben – durch Kranken- und Rentenversicherungen. Sie hätten durch das Aussterben ihrer „Hauptrisiken“ derartige Kosteneinsparungen erfahren, dass sie aus dem Feiern nicht mehr herausgekommen wären. Bei Aldi, Lidl etc. wären statt Klopapier- und Konserven- wohl eher die Sekt- und Champagner-Vorräte gestürmt worden.

Wir haben uns seit 1945 in 75 friedlichen Nachkriegsjahren daran gewöhnt, dass es nicht nur in Europa, sondern in den meisten Ländern dieser Erde Gesundheitssysteme gibt, die, auch wenn es da teils dramatische Unterschiede gibt, den Menschen eine medizinische Versorgung und ein gesundheitliches Management bieten. Selbst in unterentwickelten Regionen gelingt es, schreckliche Seuchen, wie z.B. Ebola, nach relativ kurzer Zeit unter Kontrolle zu bringen.

Diese aktuelle Covid-19 Pandemie wird uns eine Zeitlang ärgern. Besonders meine Altersgruppe, also die 65 bis 90 Jährigen wird ein wenig ausgedünnt werden. Aber selbst das wird nicht reichen, um bei den einschlägigen Versicherungen Glücksgefühle zu erzeugen.

Die werden sich eher bei den Pharmakonzernen einstellen, die als erste einen wirksamen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 anbieten können. Wenn dann auch noch die allgemeine Impfskepsis insbesondere gegen Grippe rückläufig wäre, hätte das ganze Theater am Ende vielleicht auch etwas Gutes zutage gebracht.

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Donnerstag, 12. März 2020 | Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey