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Fred Frith schläft gern auf längeren Zugfahrten zwischen zwei Auftritten.

Die Welt des Fred Frith nun digital

'Step Across the Border'

Dem am 17. Februar 1949 im Heathfield, East Sussex, geborenen Jeremy Webster „Fred” Frith, seines Zeichens britischer Komponist, Improvisator, Sänger, Multi-Instrumentalist und kalifornischer Hochschullehrer, haben die beiden deutschen Dokumentaristen Nicolas Humbert und Werner Penzel 1990 einen hoch artifiziellen und vielfach ausgezeichneten Film gewidmet, den die renommierte französische Filmzeitschrift „Cahiers du cinéma“ im Jahr 2000 nach einer Kritikerumfrage auf die Liste der 100 wichtigsten Filme der Filmgeschichte gesetzt hat. Er kommt nun, frisch restauriert und digitalisiert, am 19. Juni 2025 wieder in unsere Kinos.

Schmetterlingseffekt

Der 2019 in New York verstorbene litauisch-amerikanische Filmregisseur Jonas Mekas stellt, kaum hat sich Fred Frith auf einer nicht näher gezeigten Unterlage im Sonnenschein gerekelt und einige Songs kurz angesummt, den 1972 vom US-Meteorologen Edward N. Lorenz publizierten Schmetterlingseffekt vor: „Wenn ein Schmetterling irgendwo in China im Wind flattert, beeinflusst das alles andere auf der Welt. Dieses kleine Flattern ist mit allem anderen auf der Welt verbunden. Jede kleinste Aktion, so unbedeutend und unsichtbar sie auch sein mag, ist von diesem Flügelschlag beeinflusst.“

Freie Assoziation

Damit wird die Methodik dieses 90-minütigen Films deutlich, der am 14. Januar 1990 bei den 25. Solothurner Filmtagen uraufgeführt wurde, seine Deutsche Erstaufführung am 11. Februar 1990 im Forum der 40. Berlinale hatte, am 27. September 1990 in den Kinos startete und am 22. Oktober 2000 im hr-Fernsehen des Hessischen Rundfunks erst ausgestrahlt wurde: das Prinzip der aus dem Free Jazz stammenden freien musikalischen Assoziation wird auf das Medium Film übertragen, sowohl handwerklich als auch ästhetisch.

Drehzeit drei Jahre

Zwischen 1987 und 1990 ist ein kleines Filmteam Fred Frith und seinen Mitstreitern wie Joey Baron, Tim Hodgkinson und Lawrence Wright nach Japan (Tokyo, Osaka, Kyoto), in die USA (New York City) und quer durch Europa (Verona, St. Remy de Provence, Leipzig, London, Yorkshire, Zürich und Bern) gefolgt. Nicht nur zu spontanen Sessions und großen Konzerten, sondern auch zu Proben, in Restaurants oder die Trommelmanufaktur von Daihachi Oguchi und Familie.

Fred Frith lebt mit der Fotografin Heike Liss und seinen zwei Kindern Finn und Lucia in Kalifornien.

Es geht naturgemäß um Musik, wobei sich Frith keinen Illusionen hingibt, dass (seine) Musik die Welt verändern könnte. Aber auch um die Ansichten zum Verhältnis von Kunst und Gesellschaft so unterschiedlicher Charaktere wie des sowjetischen Filmemachers Andrei Arsenjewitsch Tarkowski oder des französischen Fotografen und „Magnum“-Gründers Henri Cartier-Bresson.

Instrumentalisierte Snacks

Gesprochen wird wenig, erklärt nichts, aber aufschlussreich gezeigt, das Probieren zu zweit, das Improvisieren auf bayerischen Bierfässern zu dritt oder Privates vom Einkaufen über das Spiel mit dem Kind mit der Rassel bis hin zur Geburtstagstorte. Selbst auf Schalen verteilte asiatische Snacks können im wahren Wortsinn instrumentalisiert werden. Durchgängiges Motiv ist die Bewegung, das Reisen, mit statischer Kamera (Oscar Salgado) am Flussufer, am Schienenstrang oder auf den Autoverkehr aus der Vogelperspektive. Oder mit subjektiver Kamera aus dem Zugfenster heraus. Einmal knattert sogar ein Trabi durchs Bild.

Am Ende philosophiert der 2019 in Kanada verstorbene Robert Frank, ein schweizerisch-amerikanischer Fotograf und Filmemacher deutsch-jüdischer Herkunft, an der Tür eines fahrenden Vorortzuges über das Reisen in permanenter, gegenwärtiger Bewegung. „Step Across the Border“ ist also viel mehr als ein Musikfilm – und für die, die sich auf ihn einlassen, ein Ereignis. Auch und gerade 35 Jahre nach der Uraufführung.

„Step Across the Border“ läuft im Casablanca Bochum am Freitag, 20. Juni 2025, und Samstag, 21. Juni 2025, jeweils um 22.15 Uhr, in der Essener Galerie Cinema am Freitag, 20. Juni 2025, und am Dienstag, 24. Juni 2025, jeweils um 20.30 Uhr sowie im Atelier Düsseldorf.

Juni
20
HEUTE
Freitag, 20. Juni 2025, um 22:15 Uhr
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  • Samstag, 21. Juni 2025, um 22:15 Uhr
  • Dienstag, 24. Juni 2025, um 20:30 Uhr
Mittwoch, 18. Juni 2025 | Autor: Pitt Herrmann