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Mason Manning und Rita Duclos in „On Rebuilding Laughter“.

Künstlerische Bilanz der Ära Bridget Breiner

„Signaturen“ am Ballett im Revier

Mit Signaturen verabschiedet sich das 14-köpfige Ballett im Revier vom Gelsenkirchener Publikum und zieht noch einmal künstlerische Bilanz mit acht ganz unterschiedlichen Handschriften von sieben namhaften Choreografen, die der mit ihrer Chefin zum Saisonende nach Karlsruhe wechselnden Compagnie Bridget Breiners freundschaftlich verbunden sind und es in den vergangenen sieben Jahren am Kennedyplatz künstlerisch mitgeprägt haben. Durch den verletzungsbedingten Ausfall des Protagonisten Paul Calderone musste das Programm der Premiere am Samstag (8.6.2019) kurzfristig geändert werden. Für das Schluss-Duett aus Breiners Sommernachtstraum und Marco Goeckes Solo Äffi rückt mit dem von Bridgett Zehr getanzten Solo Der sterbende Schwan von Michel Fokines zur Musik von Camille Saint-Saens eine heute nostalgisch anmutende, 1907 für die Tänzerin Anna Pawlowa entstandene Choreographie ins gut zweistündige Programm: ein Traum in Weiß auf Spitze, immer noch sehr anrührend. Wie aus der Zeit gefallen auch der anmutige Auftakt mit dem Divertissiment aus dem ersten Akt „Schwanensee“, ein Pas de six der Folkwang-Professorin Lynne R. Charles von 2015 für das Slowenische Nationalballett Ljubljana.

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Die ganze Breite des Spektrums des Ballett im Revier von Klassik über Neoklassik bis hin zur Moderne offenbart das energiegeladene Stück „… with the lights on“ des ehemaligen Mannheimer Ballettintendanten Kevin O’Day zum treibenden Percussions-Rhythmus der US-Komponistin Julia Wolfe: witzig-surreale Körper-Slapstick. Die erste von drei Uraufführungen dieses bei aller Kleinteiligkeit großen Abschiedsabends steuert Bridget Breiner bei: Francesca Berruto, Rita Duclos und Bridgett Zehr zeigen in Fleeting (Flüchtig) fließende, höchst artifiziell immer neu kombinierte Pas de trois zu einem vom russischen Bass Boris Shtokolov interpretierten Lied Anton Rubinsteins. Vor der Pause eine weitere Uraufführung mit den Ensemblestück Thirteen des israelischen Choreographen, Komponisten und Rockmusikers Amos Ben-Tal: Ordnung und Ausbruch, Konformität und Indvidualität zu einer absichtsvoll unterbrochenen Melange eigener Klänge mit höfischer Barockmusik Georg Friedrich Händels.

Großes Finale in „Dawn of an Announced End“ von Benvindo Fonseca.

On Rebuilding Laughter, die dritte Uraufführung, stammt vom Brasilianer Renato Paroni de Castro, der als Ballettmeister und Choreograph (Die Architektur der Liebe) das Ballett im Revier mitgeprägt hat: Rita Duclos, Sara Zinna, Valentin Juteau und Mason Manning tanzen in leuchtend orangefarbenen Kostümen zum Cembalokontert f-Moll von Johann Sebastian Bach in der Keyboard-Interpretation der Deutschen Kammerphilharmonie mit David Fray. Die dreiteilige, die Musikfarbe von fröhlich zu melancholisch wechselnde Choreographie vereint klassischen Tanz mit einer unkonventionellen, bisweilen grotesk anmutenden Bewegungssprache. Und erinnert an einen Fellini-Film, als eine Frau als ganz in Schwarz gekleideter Priester mit breitkrempigem Hut zweimal den Bühnenhintergrund durchmisst. Für die äußerst erfolgreiche Ära der Ballettdirektorin Bridget Breiner steht auch ihr zweiter Beitrag zu den Signaturen, „Grand Parade du Funk“ aus ihrem ersten für das MiR kreierten Abend: Lucia Solari und José Urrutia bilden ein rhythmisch-witziges Duo in sportivem Blau zur jazzigen Convergence-Komposition Chris Brubecks in der Interpretation von Paul Freeman mit dem Tschechischen Nationalorchester.

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Ein aberwitzig-virtuoses, auch mimisch expressiven Duett leitet das große Finale ein: In Ring Them Bells des designierten Ballettdirektors der Staatsoper Hannover, Marco Goecke, tanzt Francesca Berruto zu Liza Minellis Interpretation des gleichnamigen Broadway-Showstoppers aus Bob Fosses Musicalfilm-Hommage Liza with a Z, auf einem Skateboard liegend umrundet von Louiz Rodrigues. Und dann – Ludwig van Beethoven, mit Kent Nagano am Pult des Montreal Symphony Orchestra. Benvindo Fonseca hat mit Dawn of an Announced End ein hochenergetisches Ensemblestück auf das Allegro Molto, den dynamischen letzten Satz der 2. Sinfonie, choreographiert: Immer mehr Mitglieder der Breiner-Compagnie kommen auf die Bühne, am Ende alle mit Ausnahme des verletzten Paul Calderone. Ovationen für die Tänzer und fünf der sieben „Signaturen“-Choreographen, naturgemäß. Den Abschiedsschmerz können sie freilich nicht überdecken. Bleibt nur noch die Benefiz-Gala zugunsten der MiR-Stiftung am 6. Juli 2019 um 19:30 Uhr im Großen Haus.

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  • Donnerstag, 21. März 2019, um 18 Uhr
  • Freitag, 14. Juni 2019, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 23. Juni 2019, um 18 Uhr
  • Samstag, 29. Juni 2019, um 19:30 Uhr
| Quelle: Pitt Herrmann