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Das Video vom Polizeieinsatz in der Wanner Lindenstraße mit den Beamten und Tarzan Kilic (vorne).

Herner (49) schildert die eskalierte Situation

Polizeieinsatz: Jetzt spricht der Beteiligte

Es war der Aufreger des vergangenen Wochenendes: Bei einem Polizeieinsatz am Freitag (29.5.2020) in Wanne an der Lindenstraße, welcher mit Handyvideos von Anwohnern teils dokumentiert und ins Internet gestellt wurde, kam es zu Diskussionen und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Polizeibeamten und einem Mann sowie einer Frau (halloherne berichtete). Im Gespräch mit der halloherne-Redaktion schildert der Beteiligte Tarzan Kilic den Ablauf der Situation aus seiner Sicht und spricht über weitere Hintergründe und Vorwürfe.

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„Ich selbst habe um 20:43 Uhr die Polizei gerufen, weil in der Wohnung meiner Schwester, die mit meinem Neffen zusammenlebt, Schwierigkeiten aufgrund seines Alkoholproblems auftraten. Sie leidet darunter, ich war nur vor der Haustüre und habe zu ihr gesagt: Lass uns das mit der Polizei klären“, berichtet Kilic. Er sei dann auf die Straße gelaufen, um den Streifenwagen zu empfangen. „Ich habe aus der Entfernung schon gewunken und als der Wagen angekommen war, meinen Namen gerufen, dass ich die Polizei verständigt habe. An der Autotür habe ich nicht gerappelt.“

Im Anschluss sei die „Scheiße“ dann los gegangen. Nicht in den Videos zu sehen sind Beruhigungsversuche der Beamten, die es gegeben haben soll. Dafür ist dort zu sehen und zu hören, wie die Beamten mehrmals „Halten Sie Abstand“ und „Legen Sie sich auf den Boden“ laut rufen. Diesen Aufforderungen kam Kilic nicht nach. Er hält dagegen: „Die Polizisten haben nicht gefragt, was überhaupt passiert ist und hielten mich für den Verdächtigen. Aber warum sollte ich, wenn ich etwas getan hätte, selbst die Polizei rufen?“

Ferner wollte er nach eigenen Angaben nur seine Schwester Beser O. beschützen, die im weiteren Verlauf der Situation von den Beamten geschubst und von einem Schlagstock getroffen wurde. Nach Angaben von Kilic hat die 66-Jährige deshalb im Gesicht geblutet und in den vergangenen Tagen Probleme, den Vorfall zu verarbeiten.

Als Reaktion wurde gegen die Beamten Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Zugleich läuft ein Verfahren gegen die Geschwister wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Als in solchen Fällen üblicher Vorgang hat das Polizeipräsidium Essen die Ermittlungen über den Einsatz aus Neutralitätsgründen übernommen.

Nochmal, so sagt Kilic, wird eine ähnliche Situation nicht mehr vorkommen. „Ich würde die Polizei nicht mehr rufen, da so etwas nicht vorkommen kann. Ich schere nicht alle über einen Kamm, da nicht alle Polizisten so sind, aber sie vertreten das Land. Diejenigen, die vor Ort waren, sind Schläger“, regt sich der Herner auf.

"Froh über die Videos"

Überhaupt sei er froh, dass die aufgenommenen Videos existieren und öffentlich gemacht wurden. „Damit bin ich sehr zufrieden, sonst hätte ich keine Chance meine Unschuld zu beweisen“, erläutert der Beteiligte. „Es ist zwar brutal, aber man sieht eben, was passiert ist.“ Er hat für Samstag, 6. Juni 2020, einen Termin bei seinem Anwalt vereinbart, um rechtlich gegen den Vorfall vorzugehen.

Vorgehen will er auch gegen diverse Berichterstattung in Onlinemedien, die ihn unter anderem mit der Mitgliedschaft im Motorradklub Bandidos zusammenbringt. „Mit dem Rockermilieu habe ich nichts zu tun, das ist Rufmord in meinen Augen“, bekräftigt der Familienvater und streitet diese Vorwürfe ab. „Da wurden viele Dinge aus meiner Vergangenheit dargestellt, die nicht stimmen oder lange her sind.“ Die Polizei Essen nahm gegenüber der Redaktion am Donnerstagmittag (4.6.2020) dazu Stellung und berichtete über den Stand der Ermittlungen (halloherne berichtete).

Verletzungen hat er eigenen Angaben zufolge nicht vom Einsatz davongetragen. „Ich hatte aber das Knie eines Polizisten auf dem Rücken und habe keine Luft mehr bekommen. Ich habe gedacht, ich sterbe“, klagt der 49-Jährige. Eine ärztliche Untersuchung auf der Wache lehnte das Geschwisterpaar laut Mitteilung der Polizei am Abend des Vorfalls ab.

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Die Kommentare einiger Videozuschauer, die ein strengeres Vorgehen der Polizei gefordert haben, sieht er locker: „Jeder darf sich sein eigenes Urteil bilden. Wichtig ist, dass alle sehen, was passiert ist.“ Die Videos selbst schaut er lieber gar nicht mehr an.

| Autor: Marcel Gruteser