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Bernd Elgeti zeigt Regisseur Christoph Eder den Caspar-David-Friedrich-Blick auf Göhren.

Kino-Tour mit Regisseur Christoph Eder

Neu im Kino: Wem gehört mein Dorf?

Christoph Eder, Sohn des ortsansässigen Tischlermeisters, ist in seinen Heimatort, das beliebte Ostseebad Göhren auf Rügen, zurückgekehrt. Dem Absolventen der Bauhaus-Universität Weimar (Medienkunst) und der Filmuniversität Babelsberg (Regie) öffneten sich daher viele Türen für sein Dokfilmprojekt „Wem gehört mein Dorf?“, das am 18. Januar 2021 beim Saarbrückener Filmfestivals Max Ophüls Preis uraufgeführt wurde. Bereits 2017 mit dem Nachwuchspreis Kontakt der Mitteldeutschen Medienförderung sowie 2019 auf der Dokfilm Leipzig mit dem Germany Works-in-Progress-Prize ausgezeichnet, gabs jüngst auf dem 20. NaturVision Filmfestival Ludwigsburg 2021 den Sonderpreis der Jury „Umdenken“.

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Amateuraufnahmen belegen eine unbeschwerte Kindheit an seinen beiden Lieblingsorten, dem Waldgebiet Nordhang und dem Südstrand. Der Wald ist inzwischen gerodet, um dem auf dem Grundstück eines nach der Wende flugs abgerissenen Erholungsheims des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes der DDR errichteten Waldhotel freie Sicht auf die Promenade mit der neuen Seebrücke zu ermöglichen. Und dem Südstrand soll es nun an den Kragen gehen: hier entsteht das Resort Santa Royale, ein mit 2,5 Millionen Euro vom Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern gefördertes Wellness-Hotel.

„Die Vier von der Stange“ planen bereits das nächste große Ding im idyllischen Ostseebad.

„Herr Horst kauft sich ein Dorf“ lautete der Titel eines „Zeit“-Dossiers am 14. April 2016, Christoph Eders 96-minütiger Film setzt die Recherchen der Hamburger Journalisten bis in unsere Gegenwart fort. Der inzwischen 71-jährige Multimillionär Wilfried Horst, Sohn eines Bergarbeiters und einer Zigarrenmacherin aus Bad Oeynhausen, ist auf seinem ersten Ausflug in die neuen Bundesländer ins damals arg verschlafene, wie von einem Grauschleier überzogene Göhren gekommen und hat gleich das große Geschäft gewittert. Der charismatische Menschenfischer verstand es, mit Hilfe des Gemeinderates Häuser, Hotels, Geschäfte und Restaurants zu erwerben.

„Die Vier von der Stange“ wird das Quartett, das ihm in den parlamentarischen Gremien die Stange gehalten hat, im Volksmund genannt. Als Herr Horst die Gemeinde beim Bau eines Personenaufzuges zum Waldhotel und dem Bau eines Parkhauses übervorteilte, berichteten gleich mehrere Fernsehanstalten über den bauernschlauen Kapitalisten aus dem Westen, der seine Steuern nach wie vor in Nordrhein-Westfalen bezahlt. Nach dem Rücktritt des von Wilfried Horst erst geförderten und dann bekämpften parteilosen Wolfgang Pester als ehrenamtlicher Bürgermeister blieb Gesche Krohne von der Wählergruppe „Gemeinsam für Göhren“ einsame Ruferin im Gemeinderat gegen die Investitionsvorhaben und deren politische Unterstützer, allen voran die Geschäftsleute Markus Pigard (Sportkneipe und Buden an der Strandpromenade) und Klaus Möller (Diskothek „Zum Lotsen“).

Nadine Förster und ihr Vater Bernd Elgeti setzen sich an die Spitze einer Bürgerinitiative zur Rettung der letzten unberührten Küste und des einzigartigen, malerischen Naturschutzgebietes, das einst auch Caspar David Friedrich inspirierte. Und in dem nun landwirtschaftliche Nutzfläche in Baugebiet umgewandelt werden soll. Zur Kommunalwahl am 26. Mai 2019 tritt die Partei „Bürger für Göhren“ an und gewinnt auf Anhieb vier Mandate. Auch der 72-jährige Bernd Elgeti (CDU) wird erstmals gewählt, sodass der neue Bürgermeister Torsten Döring (SPD) auf eine Mehrheit im Kampf gegen Gentrifizierung und Turbo-Tourismus, die Göhrener Saison dauert ganze drei Sommermonate, bauen kann. Einer der ersten Beschlüsse: Verbot der Umwidmung von Miet- in Eigentumswohnungen. Damit hat das Gemeinwohl noch nicht gegen den Kapitalismus gesiegt: längst genehmigte Bauprojekte wie das Akzent Wellness-Spa-Resort neben dem Waldhotel lassen sich nicht mehr stoppen und der Herr Horst zahlt seine Steuern immer noch in Bad Oeynhausen…

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„Wem gehört mein Dorf?“ ist ein sehr persönlicher Film über das Wesen der Demokratie und den langen Atem, den Bürger in ihr benötigen. Christoph Eder, und das ist ihm hoch anzurechnen, lässt beide Seiten zu Wort kommen, obwohl er seine Sympathien für die Argumente Nadine Försters und Bernd Elgetis keineswegs verhehlt. Er zeigt, dass politisches Engagement auf kommunaler Ebene etwas bewegen kann. Strukturwandel und Naturschutz unter einen Hut zu bringen, erscheint als Quadratur des Kreises. Aber es kann gelingen, wirtschaftliche Interessen unter das Primat der Ressourcenschonung und der Nachhaltigkeit zu stellen. Mallorca und andere Touristen-Hotspots begeben sich gerade auf den richtigen Weg, der da lautet: Weniger ist mehr. Christoph Eder befindet sich seit dem Kinostart am 12. August 2021 auf Promotions-Tour, nach Nordrhein-Westfalen kommt er jetzt zweimal: Am 18. August 2021 in die Filmpalette Köln und am 19. August 2021 ins Bambi Düsseldorf.

| Quelle: Pitt Herrmann