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Die Lebenssituation junger Menschen müsse nun verstärkte Aufmerksamkeit bekommen.

Diskussion der Caritas zur Kinder- und Jugendhilfe in der Pandemie

Krisen abfangen - Gefährdungen vermeiden

Begegnung, Bindung, Bildung – diese drei Begriffe fallen häufig, wenn es um die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie geht. Im Mittelpunkt der Online-Diskussion des Diözesancaritasverbandes Münster steht: „Was brauchen Kinder und Jugendliche jetzt?“ Während die Politik überwiegend die Bildung betont, erkennen die Experten erhebliche „Bindungslücken“ im sozialen Leben junger Menschen, für die eine Antwort gefunden werden müsse.

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Für Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann ist klar: „Der Lebenssituation junger Menschen jetzt verstärkte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, stellt neue Fragen gesellschaftlicher Solidarität."

„Zwei Milliarden Euro stehen im Bundesprogramm „Aufholen nach Corona“ bereit, um Lernrückständen zu begegnen sowie Schulsozialarbeit und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche zu stärken. Aufgeteilt auf Bundesländer und Jugendamtsbezirke relativiert sich die große Summe schnell, berichtet Lorenz Bahr, Leiter des LVR-Landesjungendamtes Rheinland und Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG).

„Nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, meint Marion Schulte aus dem Fachbereich Hilfen zur Erziehung beim Diözesancaritasverband Münster. Holland investiere acht Milliarden Euro in ein vergleichbares Programm – das entspräche umgerechnet auf Deutschland einer Summe von 40 Milliarden.

Lorenz Bahr stören der leistungsorientierte Begriff „Aufholen“ und die Ausrichtung des Bundesprogramms: „Statt Bildungslücken sollten Bindungslücken’ im Vordergrund stehen.“ Seine Einschätzung stützt Bahr auf eine bundesweite Befragung der 559 Jugendämter in Deutschland.

Demnach habe sich die Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus prekären Verhältnissen, mit Sucht-Problemen oder psychischen Erkrankungen in der Pandemie weiter verschärft. Außerdem seien die Fallzahlen von häuslicher Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erheblich gestiegen. Die Umfrage zeige darüber hinaus eine Verschlechterung der schulischen Teilhabe. „Viele Kinder und Jugendliche sind gedanklich aus dem Unterricht ausgestiegen“, sagt Bahr mit Verweis auf eine aktuelle Veröffentlichung der Leopoldina.

Grundsätzlich sei es wichtig, neben der Bildung den Fokus auch auf Beziehung zu legen, erklärt der Leiter der der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Caritasverbandes Castrop-Rauxel, Norbert Köring. Familien waren und sind durch die Corona-Pandemie immer noch emotional sehr gefordert. Vielfach sei es zu Spannungen im Zusammenleben gekommen.“ Aber: Ohne eine gute Beziehung im Elternhaus gibt es auch keine gute Bildung.“

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben Kinder und Jugendliche psychisch sehr belastet. Etwa ein Drittel der Kinder reagiert auf diesen Stress mit negativen Verhaltensänderungen. „Jetzt, wo aufgrund der niedrigen Inzidenzwerte ein gesellschaftliches Durchatmen zu spüren ist, wird die Hilfe in der Beratungsstelle vermehrt gesucht. Unsere Kapazitäten reichen aber nicht aus, so dass die Wartezeiten ansteigen“, so Köring.

Zudem hätten Kinder und Jugendliche Ängste entwickelt. Sie seien stark verunsichert, vermieden Sozialkontakte, weil sie dabei ein unangenehmes Gefühl hätten, betont Norbert Köring. „Daher ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche jetzt Unterstützung bekommen, damit zum Beispiel der Schuleinstieg nach den Ferien gelingt, weil dann der Kontakt für die Kinder und Jugendlichen wieder normal sein wird.“ So gebe es in der Beratungsstelle etwa eine „Corona-Gruppe“, in der Kinder lernen, ihre Ängste im sozialen Miteinander zu überwinden.

Weiter hat sich bei Kindern und Jugendlichen eine riskante Nutzung von Online-Spielen in der Hochphase der Pandemie-Zeit entwickelt. Eltern werden in der Beratungsstelle gestärkt, dagegen zu steuern und wieder gemeinsame Absprachen für den Medienkonsum mit ihren Kindern zu treffen und durchzusetzen.

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Die Caritas trete dringend dafür ein, Totalschließungen von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie von Kitas und Schulen künftig zu vermeiden, erklärt Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann: „Allerdings muss dafür in den Gesundheitsschutz deutlich mehr investiert werden, um die noch nicht geimpften Gruppen besonders zu schützen."

| Quelle: Dekanat Emschertal