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Kreuzweg-Ausstellung in der Schlosskapaelle.

Eine Kolumne von Hans-Jürgen Jaworski

Karfreitag - Eher ein heller Tag

Für viele der Zeitgenossen, die noch etwas mit dem Karfreitag anfangen können, ist dieser Tag ein trüber, dunkler Tag - verständlicherweise, geht es doch ums Leiden und Sterben. Und das Virus in dieser Zeit, das unser Leben einengt und gefährdet und dadurch uns unsere Vergänglichkeit, die wir sonst gerne verdrängen, so deutlich vor Augen führt, verstärkt gewiss noch dieses Gefühl.

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Aber wie muss dieser Tag erst für die Jünger Jesu gewesen sein? Eine Katastrophe.

Alle ihre Hoffnungen und auch Träume dahin. Derjenige, dem sie vertrauten und dem sie nachfolgten, der „Worte des ewigen Lebens“ und heilende Kräfte hatte, der krepierte elendig am Kreuz. Dazu die Angst, als seine Anhänger auch verfolgt zu werden. Deshalb verstecken sie sich, gehen sie in den totalen Lockdown.

Wir stehen geschichtlich und persönlich an einer anderen Stelle als die Jünger. Wir blicken zurück, wir gedenken. Dennoch ist es nicht unwichtig, in welcher Weise, mit welcher Brille wir das tun.

Wir können den Karfreitag aus historischem, politischen, moralischen, juristischem oder auch medizinischem Blickwinkel betrachten, und dann werden wir zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen. Aber heller wird dadurch dieser Tag nicht, auch wird sich uns seine Bedeutung nicht wirklich erschließen.

Kreuzweg auf der Hoppenbruchhalde Herten

Wir sollten deshalb diesen besonderen Tag mit einer Brille ansehen, die aus den beiden Wörtern „für mich“ besteht. Dann werden wir die Lichtstrahlen erkennen, die von diesem Geschehen bis in die heutige Zeit reichen. Deutlich wird das an den Worten, die Jesus am Kreuz spricht.

Solidarität und Empahthie

In seiner Not schreit der Gekreuzigte: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Da leidet einer wirklich, nicht nur eine menschliche Hülle, ein Scheinleib. Da schaut einer nicht nur in die tiefste Tiefe des menschlichen Lebens. Da ist einer mittendrin. Tiefer und verlassener geht es nicht. Kein irgendwo in den unendlichen Weiten des Universums thronender Gott, sondern einer, der in diesem Mann von Nazareth bei denen ist, die leiden, um die es dunkel wird und die sich nicht nur von der Welt, auch noch von Gott verlassen fühlen. Wenn ich das mit der Brille „für mich“ betrachte, bedeutet das: Niemand, auch ich nicht, muss kaputtgehen an Verlassenheit und Dunkelheit, selbst die Gottverlassenheit hat nicht mehr das letzte Wort für mich.

Liebe und Barmherzigkeit

Weiter betet der Gekreuzigte für seine Peiniger und Henker: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Für diese Liebe, die mehr ist als Sympathie und Freundschaft, gibt es ein besonderes Wort: Agape. Das ist die voraussetzungslose Liebe, die zum Leben und zum Lieben verhilft. Sie liebt nicht erst denjenigen, der liebenswürdig ist, sie macht vielmehr liebenswürdig - ausnahmslos. Sie ist im Spiel, wenn es um Feindes- und Nächstenliebe, um Gnade und Barmherzigkeit, wenn es um Vergebung und einen Neuanfang geht. Konkret: Niemand, auch ich nicht, muss kaputtgehen an seinen verkorksten Wegen, an seinem zweckorientierten Gehorsam, auch nicht an seiner verborgenen oder offenbaren, wissentlichen oder unwissentlichen Schuld.

Niemand, auch nicht ich, muss verzweifeln an sich selbst und deshalb auch nicht an den anderen. Hass und Verbitterung haben nicht das letzte Wort.

Hoffnung und Ewigkeit

Einem der Verbrecher, die neben ihm gekreuzigt sind, sagt Jesus: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Ein ungeheures Versprechen. Oder nur eine Vertröstung aufs Jenseits, wenn hier alles aus ist? Was da passierte, war kein billiger Automatismus der sogenannten letzten Stunde; denn zuvor sagte dieser Mann zu seinem spottenden Kollegen: „Fürchtest du dich nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind…“ Und dann sagt er zu Jesus: „Gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Da lügt sich jemand nichts mehr in Tasche im Blick auf sein Leben. Da klärt einer das Verhältnis zu sich selber, zu seiner Geschichte. Da klärt einer das Verhältnis zu seinem Schöpfer, zur letzten Instanz. Und dafür ist es nie zu spät. Und das gilt seitdem für immer und ewig: Niemand, auch nicht ich, ist ein hoffnungsloser Fall. Einmal wird das „letzte Stündlein“ schlagen.

Aber das ist immer noch nicht der letzte Akkord.

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Durch diese Brille „für mich“ besehen ist also Karfreitag ein heller, fast ein strahlender Tag, der dann durch Ostern gegen jeden Anschein und gegen unsere Erfahrung bestätig wird.

| Autor: Hans-Jürgen Jaworski