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'Ich bin dein Mensch': Alma (Maren Eggert, li) und ihr perfekter Androide Tom (Dan Stevens, re.) denken sich gemeinsame Erinnerungen aus, die es nie gegeben hat.

Deutscher Beitrag für den Auslands-Oscar

'Ich bin dein Mensch'

Um Forschungsgelder für ihre wissenschaftliche Untersuchungen der sumerischen Keilschrift am Berliner Pergamonmuseum zu bekommen, ist die Anthropologin Alma (Maren Eggert) freilich nur sehr widerwillig bereit, an einem Projekt der Firma Terracena teilzunehmen. Begleitet von einer Mitarbeiterin des Unternehmens (Sandra Hüller), welche für die von ihr entwickelten Maschinen eine behördliche Zulassung erwirken will, soll sich die frisch von Julian (Hans Löw) getrennte Single-Frau drei Wochen lang von einem ganz auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen humanoiden Roboter verwöhnen lassen. Und das durchaus nicht nur verbal: „Deine Augen sind wie zwei Bergseen, in denen ich versinken möchte.“

Tom (der britische „Downton Abbey“-Protagonist Dan Stevens) ist eine hochentwickelte Maschine in Menschengestalt, dessen künstliche Intelligenz darauf programmiert ist, für Alma den perfekten und noch dazu attraktiven Lebenspartner abzugeben. Und falls es doch einmal zu Missverständnissen zwischen Mensch und Roboter kommen sollte, stünde besagte namenlose Mitarbeiterin auch als Beziehungscoach zur Verfügung. Nach im übrigen durchaus gegenseitigen Eingewöhnungsschwierigkeiten, die auch damit zusammenhängen, dass Alma auch nach der für sie schmerzlichen Trennung von Julian, dessen neue Liebe auch noch schwanger ist, an der Idee einer romantischen Beziehung zwischen Menschen festhält, kommen sich beide näher.

'Ich bin dein Mensch': Die Mitarbeiterin des Terrareca-Konzerns (Sandra Hüller) mit dem perfekt auf weibliche Bedürfnisse programmierten Androiden Tom (Dan Stevens).

Obwohl für Alma klar ist, dass Tom sie nur aufgrund seiner Programmierung glücklich machen könnte, erfüllt dieser ihre Wünsche und Sehnsüchte, noch bevor sie zur Sprache gekommen sind. Apropos: Toms wundervoller britischer Akzent macht ihn auch dem Kino-Publikum sofort sympathisch. Alma verliebt sich geradezu zwangsläufig – und bei vollem Verstand – in ihn: Liebe müsste doch mehr sein als ein komplexer, auf Lernfähigkeit getrimmter Algorithmus? Als Tom sich ihrem sexuellen Begehren versagt, spricht sich Alma im Gutachten für ihrem Dekan Roger (Falilou Seck) gegen die Zulassung von Robotern als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft aus. Und das vor allem aus nicht eingestandener persönlicher Betroffenheit und der Erkenntnis, dass künstliche Gefährten eines Tages die ihnen in jeder Hinsicht unterlegenen Menschen überflüssig machen könnten.

Nach Ablauf der drei Wochen nimmt Alma Urlaub im dänischen Kongsmark, dem idyllischen Ort ihrer ersten, naturgemäß unglücklichen Jugendliebe. Zu ihr gesellt sich ganz selbstverständlich Tom, als hätte er ihre Gedanken lesen können…

„Ich bin dein Mensch“ basiert auf der gleichnamigen Erzählung von Emma Braslavsky, die 2019 bei Suhrkamp erschien in der von Stefan Brandt herausgegebenen Anthologie „2029 – Geschichten von morgen“. Darin ist Alma eine international anerkannte Paartherapeutin, die mit Tom heftigen Sex hat und aufgrund eines technischen Fehlers beim Küssen erstickt. Woraufhin der geschockte Roboter einen Selbstzerstörungsmechanismus auslöst. Aus dieser dystopischen KI-Tragödie haben Jan Schomburg und Regisseurin Maria Schrader eine, so der Majestic-Verleih, „melancholische Komödie um die Fragen der Liebe, der Sehnsucht und was den Menschen zum Menschen macht“ geformt.

Die also vergleichsweise harmlose, dafür mit feinhumoriger Situationskomik punktende 104-minütige Leinwand-Adaption ist am 12. Juni 2021 beim Summer Special der Berlinale im Freiluftkino Friedrichshain uraufgeführt worden. Sie wurde in den Medien in höchsten Tönen gelobt, als deutscher Beitrag für den Auslands-Oscar nominiert und geradezu mit Preisen überhäuft, was ich so nicht nachvollziehen kann. Auch wenn die Museumsinsel-Locations (James-Simon-Galerie) spannend sind und der Cast, noch zu erwähnen Wolfgang Hübsch, Jürgen Tarrach und Inga Busch, rundum überzeugt.

Auf der Berlinale 2021 gabs den Silbernen Bären für Maren Eggert (erstmals genderneutral: Beste Hauptrolle), die auch den Deutschen Filmpreis 2021 (Beste weibliche Hauptrolle) gewann. Die gebürtige Hamburgerin, die auch schon am Schauspielhaus Bochum und an der Seite Axel Milbergs im Kieler „Tatort“ begeisterte, gehört seit 2009 zum Ensemble des Deutschen Theaters Berlin. Produzentin Lisa Blumenberg freute sich für den Deutschen Filmpreis 2021 (Bester Spielfilm) wie auch Maria Schrader (Beste Regie), während die Drehbuchautoren Jan Schomburg und Maria Schrader neben dem Deutschen Filmpreis 2021 auch beim Festival des deutschen Films 2021 in Ludwigshafen gewannen.

Sandra Hüller übrigens kehrt Mitte Mai 2022 ans Schauspielhaus Bochum zurück zusammen mit Tom Schneider und ihrem FARN.collective: Das posthumane Ritual „The Shape of Trouble to Come“ widmet sich Fragen wie: Können wir uns eine Zukunft vorstellen, in der der Mensch nicht in Konkurrenz zur Welt steht, sondern Teil von Natur, Tier- und Pflanzenwelt ist? In der Koproduktion mit dem Schauspiel Leipzig geht es auch um die Erprobung alternativer Formen des Musiktheaters. „Ich bin dein Mensch“ läuft im Kommunalen Kinos am Dienstag, 1. Februar 2022, um 15 Uhr im Casablanca Bochum.

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  • Dienstag, 1. Februar 2022, um 15 Uhr
Freitag, 28. Januar 2022 | Autor: Pitt Herrmann