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Unter anderem Dachdecker haben volle Auftragsbücher - bekommen derzeit aber kaum oder nur sehr teure Materialien.

Erhebliche Preissteigerungen und deutlich längere Lieferzeiten

Handwerker klagen über Materialmangel

Trotz voller Auftragsbücher werden die Bau- und Ausbauhandwerke derzeit wegen Baustoffmangels und stark gestiegener Rohstoffpreise ausgebremst. Immer mehr Betrieben geht das Material aus. Zudem gibt es erhebliche Preissteigerungen und deutlich längere Lieferzeiten zu verzeichnen.

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Bereits Ende März 2021 informierte die Dachdecker- und Zimmererinnung Herne/Castrop-Rauxel/ Wanne-Eickel über dieses Phänomen (halloherne berichtete). Seitdem ist die Situation nur noch schlechter geworden. Martin Diekmann, Chef des gleichnamigen Dachdeckerunternehmens aus Herne, wird gegenüber halloherne deutlich: „Die Lage ist absolut prekär und erstreckt sich über mehrere Handwerkerbranchen. Bei uns als Dachdecker fehlt quasi jegliches Material derzeit.“ Neben den Dachdeckern seien beispielsweise auch Maurer, Zimmerleute, Elektriker und Sanitärbetrieb betroffen.

Unter das fehlende Material fallen zum Beispiel Styropor und Mineralfaserdämmstoffe. Lieferzeiten von sechs Wochen bis hin zu drei Monaten seien derzeit eher die Regel, als eine Seltenheit. „Beim Holz haben wir eine Preissteigerung von 500 Prozent - und das nur im Vergleich zum Februar 2021“, sagt der Inhaber. „Das liegt daran, dass kanadisches Holz noch mit Strafzöllen belegt wird und die USA darum, trotz des weiteren Weges, sämtliches Holz günstiger in Europa einkaufen. Daher bleibt für hier viel weniger, obwohl die Produktion auf Hochtouren läuft.“

Nur noch Tagespreise

So sei die Exportmenge von Holz um das dreifache gestiegen, deutsche Sägewerke etwa würden fast nur noch für den Verkauf in die USA produzieren. „Ich arbeite daher nur noch mit Tagespreisen. In Verträgen werden nun sogenannte Preisgleitklauseln eingebaut, um auf mögliche höhere Preise zum Zeitpunkt der Arbeiten reagieren zu können, da das meist zwei bis drei Monate nun Vorlauf braucht. Mache ich das nicht, zahle ich häufig zu viel drauf“, berichtet Diekmann.

Die Resonanz von Kunden sei aufgrund der Berichterstattung in den Medien noch erträglich, dafür bricht aber die private Nachfrage ein. „Die Leute warten nun mit ihren Renovierungen ab. Ich sag denen auch: Ich kann euch ein Angebot machen, aber ich rate euch, damit zu warten.“ Anders sieht das bei gewerblichen Aufträgen aus, vor allem Neubauten im Rohbau könnten nicht ewig auf ein neues Dach warten. Daher habe Diekmann derzeit viel Kontakt mit verschiedenen Architekten, um entweder geplante Fertigstellungstermine zu ändern oder Aufträge ganz abzusagen. Denn eigentlich sind die Auftragsbücher bis Ende des Jahres schon voll.

Martin Diekmann (re.), hier auf einer Veranstaltung im Jahr 2016 mit Axel Klein (Archivbild).

In Kurzarbeit habe Diekmann noch keinen seiner Mitarbeiter schicken müssen, auch weil andere Termine, die noch abgearbeitet werden können, vorgezogen werden. „Im Februar hatte ich noch rund drei Tage Lieferzeit, um mit Arbeiten starten zu können“, so der Dachdecker. „Das ist nun ein ähnliches Phänomen wie mit Masken, Desinfektionsmittel und Klopapier. Es wird sich aber in absehbarer Zeit wieder einpendeln, die Rohstoffe sind auch in Schiffen auf dem Weg, nur können sie in den Häfen nicht entladen werden und kommen daher nicht an.“

Erhebliche wirtschaftliche Probleme möglich

Die Handwerkskammer Dortmund (HWK) spricht auch von schier unmöglichen verbindlichen Planungen. „Bei Handwerksbetrieben, die in ihren Angeboten und Verträgen Preise festgelegt haben und vertraglich gegenüber ihrem Auftraggeber daran gebunden sind, kann dies insbesondere bei längerfristigen Projekten zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen führen“, weiß Henrik Himpe, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Justiziar der HKW Dortmund.

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Er empfiehlt den Handwerksbetrieben, möglichst frühzeitig das Gespräch mit Kunden zu führen und Kompromisse zu finden. Bevor der Vertrag geschlossen wird, sollten sich Betriebe Materialpreise vom Händler zusichern lassen und Angebote auf jeden Fall befristen. Unverbindliche Angebote sollten gerade gegenüber Verbrauchern deutlich als solche gekennzeichnet werden. Eine neue Serviceseite auf der Homepage gibt weitere Informationen.

| Autor: Marcel Gruteser