
'Gondola' von Veit Helmer kommt ohne Dialoge aus
Eine Liebeserklärung ans (Stummfilm-)Kino
Eine alte, an vielen Stellen schon arg rostige Seilbahn verbindet ein Dorf in den Bergen Georgiens mit einer kleinen Stadt im Tal. Als der alte Schaffner stirbt, kehrt seine Tochter Iva (Mathilde Irrmann) zurück und tritt seine Nachfolge an. Was ihre nun verwitwete Mutter (Naira Chichinadze) mit kalter Missachtung quittiert. Der schon recht betagte Stationsvorsteher (Zuka Papuashvilli) freut sich umso mehr über eine zweite attraktive junge Frau neben Nino (Nino Soselia), die seinen Rosenstrauß in hohem Bogen aus der Gondel geworfen hat. Nun versucht er sein Glück bei der Neuen mit Pralinen.
Stößt aber auch bei Iva auf Granit, die sich allmählich mit Nino, welche ihr die Tricks des Seilbahnfahrens mit dieser museumsreifen Technik verrät, anfreundet. Beide begegnen sich alle dreißig Minuten auf halber Strecke, sodass ihr Schachspiel häufig über den ganzen Arbeitstag läuft. Sie machen sich gegenseitig Geschenke, es dauert aber eine ganze Weile, bis aus dem Flirt etwas Ernsteres werden könnte. Was durch Ninos Bewerbung als Stewardess bei Georgian Airways verhindert wird.
Seilzug für den alten Mann im Rollstuhl
Erst als Iva diese Entscheidung akzeptiert, lehnen sich beide gegen ihren verbitterten und eifersüchtigen Chef auf, der einem alten Mann im Rollstuhl (Vachagan Papovian) die Fahrt in der Gondel verweigert. Die beiden jungen Frauen bauen ihm einen Seilzug für den luftigen Transport und verwandeln ihre Gondeln in die verrücktesten Objekte – vom Flugzeug über ein Auto mit Rädern und ein Schiff mit qualmendem Schornstein bis hin zu einem Raumschiff. Und bringen zwei kleinen Kindern (Luka Tekladze und Elene Sharadze) das Glasharfenspiel bei…

Veit Helmers Film „Gondola“ ist eine 82-minütige Liebeserklärung an das (Stummfilm-) Kino. Der Regisseur verzichtet gänzlich auf Dialoge und erzählt die Geschichte der zwei Gondelfahrerinnen durch die subtile Körpersprache der beiden hervorragenden Protagonistinnen des Jahrgangs 1993: Nino Soselia ist in ihrer georgischen Heimat ein Theater- und Filmstar und die in Straßburg geborene Französin Mathilde Irrmann lebt als Theater- und TV-Schauspielerin („Soko Stuttgart“) in Berlin.
Dialog und Kino müssen nicht Hand in Hand gehen
Veit Helmer im jip-Presseheft: „Ich glaube nicht, dass Dialog und Kino unbedingt Hand in Hand gehen müssen. Dialoge werden am besten im Theater oder im Hörspiel eingesetzt. Aus künstlerischer Sicht waren die Filme gegen Ende der Stummfilmzeit in der Art, ihre Geschichten zu erzählen, sogar anspruchsvoller als heute. Aber auch in der Stummfilmzeit waren Dialoge/Texte manchmal erforderlich, die das Publikum auf Titelkarten lesen mussten, um der Erzählung folgen zu können. Aber diese Karten und das Kino passen eigentlich nicht zusammen, sie braucht es auch nicht, wenn die Bilder sich selbst erklären.“
„Gondola“, am 23. Oktober 2023 auf dem Tokyo International Film Festival uraufgeführt und am 27. Oktober 2023 bei den Internationalen Hofer Filmtagen erstmals in Deutschland gezeigt, lebt auch von den sorgfältig komponierten Bildern (Kamera: Goga Devdariani) und dem eindrucksvollen Sounddesign (Musik: Malcolm Arison & Sóley Stefánsdóttir). Der poetische Film über Sehnsucht, Liebe und Gemeinschaft, der die Zuschauer auf eine Reise nicht nur in eine ferne Bergregion mit grandioser weiter Landschaft, sondern in ein fernes Universum nimmt, ist bei uns im Essener Filmstudio Glückauf und im Dortmunder Sweetsixteen zu sehen und läuft anschließend zunächst bei Sky.