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Julius Weckauf glänzt als Hape Kerkeling in

'Der Junge muss an die frische Luft'

Drei Herner auf dem Bildschirm

Die Ende Dezember 2018 auch in der Filmwelt Herne gezeigte biographische Komödie Der Junge muss an die frische Luft, die Verfilmung der gleichnamigen Autobiographie von Hape Kerkeling durch Ruth Thoma (Buch) und Caroline Link (Regie), wird am Donnerstag, 25. Mai 2023, zur Primetime um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt. Mit Sönke Möhring, Joachim Krol und Nicholas Bodeux sind gleich drei Herner auf dem Bildschirm zu erleben.

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Ganz im Mittelpunkt des gerade im Wissen um die autobiographische Grundierung berührenden hundertminütigen Spielfilms steht allerdings der neunjährige Julius Weckauf, ein Viertklässler vom Niederrhein, in seiner ersten Leinwandrolle als aufgeweckter, 1964 in Recklinghausen zur Welt gekommener Hans-Peter Hape Kerkeling, den ein doppelter Verlust beinahe aus der Bahn geworfen hätte: erst stirbt seine geliebte Oma Anne und kurz danach seine depressive Mutter Margret.

Buch wochenlang auf der Bestsellerliste

Die 2014 erschienene Vorlage, welche sich mit über einer Million verkaufter Exemplaren wochenlang erfolgreich auf der Bestsellerliste hielt, ist nichts weniger als eine entwaffnend ehrliche Erinnerung an die eigene Kindheit der frühen 1970er Jahre, die in 19 Kapiteln von berührenden Begegnungen und Verlusten erzählt, von Lebensmut und der Energie, immer wieder aufzustehen. Hans-Peter erzählt von der „wundervollen kleinen Frau“ Oma Bertha (Ursula Werner) aus der Recklinghäuser Vorortgemeinde Bocholt, die ihn ohne Punkt und Komma „ins Leben redet“. Und von ihrem Gatten, Opa Hermann (Rudolf Kowalski), der als Kommunist von den Nazis ins KZ gesteckt worden ist. Seither spricht der Buchenwald-Überlebende kaum noch ein Wort.

Joachim Krol als Opa Willi neben Hans-Peter (Julius Weckauf, r.).

Der Film erzählt, wie aus dem kleinen, blonden und pummeligen Jungen Deutschlands bekanntester Komiker und Entertainer geworden ist. Mutter Margret (Luise Heyer) singt am heimischen Herd ausgiebig Schlager, während Vater Heinz (Sönke Möhring), „von eher ruhiger und stets heiterer Wesensart“, ständig Faxen macht. Er ist ein begnadeter Parodist und Spracherfinder, aber selten daheim: der auf luxuriöse Inneneinrichtungen spezialisierte Schreiner richtet in halb Europa Hotelbars und Nachtclubs ein. Weshalb sich Margret häufig allein gelassen fühlt – und trotzig immer wieder „Du bist nicht allein“ anstimmt. Hans-Peter sieht es als seine vornehmste Aufgabe an, seine Mutter mit Parodien und Sketchen aufzumuntern.

Kritik am Prinzessin-Kostüm

„Wenn du weißt, was du willst, dann mach es einfach. Und kümmere dich nicht, was die Leute sagen“: Hapes resolute Oma Anne (Hedi Kriegeskotte), die in Herten-Scherlebeck mit ihrem Tante-Emma-Laden die ganze Schlägel-und-Eisen-Zechensiedlung versorgt, findet nichts dabei, dass Hans-Peter beim Recklinghäuser Straßenkarneval als Prinzessin geht. Und ihr genüsslich Zigarren rauchender Gatte Willi (Joachim Krol) widerspricht ihr nie.

Hans-Peters Lieblingstante ist Lisbeth (Birge Schade), älteste Schwester von Opa Willi. Die stets in Tracht gekleidete Nonne lüftet sogar einmal kurz ihre Haube, damit der neugierige Junge ihr langes, üppiges Haar bewundern kann. Nach Oma Annes Tod unterstützen Lisbeth und Tante Gertrud (Elena Uhlig) die überforderte Margret, die nach einer Kieferhöhlen-Operation ihren Geruchs- und den Geschmackssinn verliert – und schwer depressiv wird.

Mit Tabletten ihrem Leben ein Ende gesetzt

Nun zieht die inzwischen 72-jährige Bertha in die Stadt und Hans-Peter ist so gefordert wie nie, die niederdrückende Stimmung daheim zu vertreiben: mit Parodien von Roy Black bis Jürgen von Manger. Zu Beginn der Sommerferien spricht Opa Willi ein Machtwort: „Hans-Peter muss hier raus, sonst wird er mir noch verrückt. Der Junge muss an die frische Luft!“ Zwei herrliche Wochen Bergwandern im Salzburger Land sind nur ein kurzes Atemholen vor der Horror-Nacht seines Lebens: Ohne es zu wissen verbringt Hans-Peter die Nacht im Ehebett neben seiner mit dem Tod ringenden Mutter. Sie hat mit Tabletten ihrem Leben ein Ende gesetzt. Was niemand erfahren darf, sonst hätte Margret kein ordentliches Begräbnis bekommen.

Familie Kerkeling mit Sönke Möhring (l.) als Vater Heinz.

Caroline Links Leinwandadaption reicht aber über die Biographie Hape Kerkelings hinaus als überaus unterhaltsames Zeitporträt der immer noch der spießig-verstaubten Adenauer-Ära verhafteten, nur sehr allmählich erwachsen werdenden Bundesrepublik. Für zwei Herner, den Wahl-Berliner Sönke Möhring und den Wahl-Kölner Joachim Krol, waren die Dreharbeiten eine Rückkehr in die Heimat und ein Stück auch in die eigene Kindheit.

Die Herner Geschichte

Sönke Möhring, 1972 in Unna geboren, aber wie sein älterer Bruder Wotan Wilke Möhring in Herne aufgewachsen, stand beinahe gleichzeitig auch für Dominik Grafs Spielfilm Hannes, die Hommage an Iris Berben ist Anfang Juli 2018 auf dem Filmfest München uraufgeführt worden, vor der Kamera. Joachim Krol, gebürtiger Herner Bergmannssohn des Jahrgangs 1957, fühlte sich in der Kerkeling'schen Küche sogleich wie zuhause. Zusammen mit dem L’Orchestre de Soleil stellt er am 11. Januar 2019 im Schauspielhaus Bochum den autobiographischen Roman Der erste Mensch von Albert Camus vor – auch eine Kindheits-Geschichte.

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Dritter Herner im Cast ist Nicholas Bodeux als Onkel Kurt, der bei der Beerdigung von Mutter Margret den völlig verstörten Jungen vor dem Schlimmsten bewahrt. Der Wanne-Eickeler kam bereits im zarten Alter von fünf Jahren in der Jugendkunstschule zum Schauspiel und begann mit 14 Jahren in der Theatergruppe Allemanda semi professionell zu arbeiten. Seit 1990 spielt er vor allem für Kinder und Jugendliche. Sein Filmdebüt gab Nicholas Bodeux 1997 in Thomas Jahns Knockin' on Heavens Door, zuletzt war er als Toto Starek in Sönke Wortmanns Revier-Komödie Sommerfest nach Frank Goosens Roman auf der Leinwand zu erleben.

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  • Donnerstag, 25. Mai 2023, um 20:15 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann