
Der verlorene Sohn im Casablanca Bochum
Der neunzehnjährige Jared (Lucas Hedges) wächst in einem Baptistenprediger-Haushalt im amerikanischen Südstaat Arkansas auf. Seine Eltern freuen sich, im Cheerleader-Girl Chloe (Madelyn Cline) eine tolle Schwiegertochter zu bekommen. Doch Jared lernt Henry Wallace (Joe Alwyn) kennen. Als sein strenggläubiger Vater Marshall (Russel Crowe), der im evangelikalen Bibelgürtel mit großem Erfolg ein Autohaus führt, von der Homosexualität seines Sohnes erfährt, drängt er ihn zur Teilnahme an einer fragwürdigen Reparativtherapie. Vor die Wahl gestellt, entweder seine Identität oder seine Familie und seinen Glauben zu riskieren, lässt sich Jared auf die Conversion Therapy ein - die einer Gehirnwäsche gleichkommt.
Love and Action ist der blumig-verharmlosende Name einer streng von der Außenwelt abgeschotteten Einrichtung, die verspricht, ihre Patienten binnen zwölf Tagen auf den Pfad Gottes zurückzuführen. Jareds Mutter Nancy (Nicole Kidman) begleitet ihren Sohn zum Umerziehungscamp und mietet sich ein Hotelzimmer. Der selbst ernannte Therapeut Viktor Sykes (Joel Edgerton) führt ein auch auf körperliche Gewalt setzendes Psychoterrorregime gegen Homosexualität, Promiskuität und Abtreibung an. Jegliche Privatsphäre wird dem Kollektiv geopfert: Selbst ein Toilettengang wird überwacht, um Selbstbefriedigung zu verhindern. Auf der anderen Seite wird ein männliches Auftreten mit festem Händedruck und selbstbewusster Körperhaltung eingeübt.
Basierend auf dem autobiografischen Roman Boy Erased von Garrard Conley aus dem Jahr 2016 erzählt Der verlorene Sohn in Rückblenden die wahre Geschichte von den erschütternden Zuständen im Bible Belt der USA. Und vom nach manchen irritierenden Erfahrungen mutigen, Jahre dauernden Kampf eines jungen Mannes gegen Homophobie und für ein selbstbestimmtes Leben im Kreis Gleichaltriger. Mit Hilfe seiner Mutter, die schließlich die Polizei ruft, um ihren Sohn aus den Fängen der Gotteskrieger zu befreien, zieht Jared nach New York und erfährt erst hier von der Ärztin Dr. Muldoon (Cherry Jones), einer gläubigen Christin, dass Homosexualität keine Krankheit ist. In einer Art Selbsttherapie beginnt er, seine Erlebnisse und Erfahrungen zu Papier zu bringen.
Nach The Gift ist Boy Erased, Junge ausgelöscht in die wörtliche Übersetzung des Originaltitels, die zweite Regiearbeit des australischen Schauspielers Joel Edgerton, der vor und hinter der Kamera immer wieder ein besonderes Gespür für die inneren Kämpfe von Außenseitern gezeigt hat. In seinem Film, der ein Plädoyer gegen die kriminellen Praktiken der bis heute üblichen Umerziehung im Namen Gottes ist, hat der Drehbuchautor, Regisseur und Co-Produzent selbst ganz bewusst die Rolle des unnachgiebig fanatischen Therapeuten übernommen.
Die mit Joel Edgerton befreundeten Down-Under-Hollywood-Stars Nicole Kidman und Russell Crowe stehen hier zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera. Sie sind die Garanten für eine differenzierte Sicht auf die letztlich hilf- und ratlosen Eltern abseits jeglicher Vorverurteilung bis hin zum arg versöhnlichen Schluss: Nancy und Marshall sind zu Weihnachten nach New York eingeladen. Die zutiefst bewegende, bis in kleinste Nebenrollen (Xavier Dolan als Jon) prominent besetzte Geschichte lebt aber vor allem durch ein nach Manchester By the Sea, Lady Bird und Three Billboards outside Ebbing, Missouri erneut berührendes Spiel des frischgebackenen New Yorker Theaterdebütanten (Yen) Lucas Hedges in der Hauptrolle des Jared.
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- Dienstag, 26. Februar 2019, um 15:15 Uhr
- Dienstag, 26. Februar 2019, um 20:15 Uhr