
Multimedia-Spektakel im Gelsenkirchener Musiktheater
'Der fliegende Holländer'
Als das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier noch unter Schillertheater NRW firmierte, stand Richard Wagners am 2. Januar 1943 im Dresdener Hoftheater uraufgeführte romantische Oper „Der fliegende Holländer“ das letzte Mal auf dem Spielplan.
Auf der bis zum Bersten überfüllten Matinee am 11. Oktober 1998 las der Senior des Ensembles, der Herner Schauspieler Waldemar Mauelshagen, das in Amsterdam spielende Kapitel aus Heinrich Heines 1834 erschienener Erzählung „Die Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“, Grundlage des 29-jährigen Komponisten Richard Wagner für sein erstes Werk, das für würdig empfunden wurde, bei den Bayreuther Festspielen aufgeführt zu werden.
Fluchbeladener Titelheld
Regisseurin Karin Mauksch, deren Wuppertaler Inszenierung am 25. Oktober 1998 an den Kennedyplatz wechselte, hat sich nicht für den fluchbeladenen Titelhelden interessiert, der alle sieben Jahre eine neue Frau freit, weil er angeblich nie eine treue Gattin gefunden hat. Wobei der Treue-Begriff Wagners der des 19. Jahrhunderts ist: Treue bis in den Tod. Dabei bringe, so Mauksch, doch erst Senta das Opfer – mit ihrem eigenen Leben. Also: Erlösung des Mannes durch die Frau. Schon recht und keineswegs unzeitgemäß. Aber deshalb gleich sterben?
Richetta Manager hat seinerzeit blutigen Selbstmord begangen, das bleibt der kindlich-bezopften Susanne Serfling 27 Jahre später glücklicherweise erspart. „Ich bin ein Kind und weiß nicht, was ich singe“: Im sehr stringenten Gesamtkunstwerk-Konzept der in Wanne-Eickel aufgewachsene Regisseurin Gabriele Rech, das krankheitsbedingt Igor Pison bis zur mit Ovationen gefeierten Premiere am 27. September 2025 umsetzte, wird wie immer wieder auch in Bayreuth der hier von Benedict Nelson gesungene Titelheld nicht als Phantasmagorie Sentas interpretiert, sondern als Traumvorstellung eines immer wieder auf der Bühne präsenten kleinen Mädchens (Marie Wöhrl alternierend mit Selma Albrecht und Mia Werner), der die Amme Mary (Dania Durmus alternierend mit Anna-Lucis Lens als junge Mary) die Geschichte vom Fliegenden Holländer vorliest.
Detailreiche Bühne
Die raffiniert-detailreiche Bühne der Ausstatterin Nicola Reichert stilisiert zunächst einen Schiffsrumpf, in dem die Seesäcke der Matrosen unter der Decke hängen wie die Kleidungskörbe der Bergleute in der Waschkaue. Und sich die Protagonisten wie in längst vergangen geglaubten Tagen kaum von der Rampe entfernen. Im wesentlich lebendigeren 2. Akt mutiert dieser Rumpf zur Fabrik mit Näherinnen an Maschinen, die freilich erst nach 1843 entwickelt wurden: Bei Wagner sitzen Fischersfrauen als Heimarbeiterinnen am Spinnrad im Haus von Sentas Vater Daland (Tobias Schabel).

Bereits die Puppenstube im schon zur Ouvertüre hinter einem Gazevorhang schimmernden Kinderzimmer linkerhand weist auf das spätere Geschehen hin, ist sie doch bis hin zur barock-ausladenden Robe Sentas die originalgetreue Kopie der unteren Hälfte der horizontal zweigeteilten Bühne im zweiten Akt. In der sich Senta – wenn auch nur für einen kurzen Moment – die flämische Haube einer verheirateten Hausfrau wie eine Königinnenkrone aufs Haupt setzt.
Selbstbewusste Senta
„Wir brauchen heute eine Senta, die nicht nur davon träumt aufzubrechen, sondern ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Senta soll sich nicht für die Liebe opfern“ bekundet Igor Pison im MiR-Programmheft und so bleiben nach höchst unterhaltsamen, zu Beginn geradezu multimedial-spektakulären zweieinhalb Stunden die letzten Fragen offen. Denn auch Sentas Verlobter, der Jäger Erik (Martin Homrich), entpuppt sich am Ende nicht als Objekt ihrer Begierde. Ihr Hochzeitskleid wird, ein augenzwinkernd-versöhnlicher Abschluss, die überglückliche Braut des fröhlich-lebensbejahenden Steuermanns (Adam Temple-Smith alternierend mit Khanyiso Gwenxane) tragen.
Dem optischen Wolkenmeer und Wellenrauschen (Video: Gregor Eisenmann) folgt unter Rasmus Baumanns Leitung ein gewaltiges Blitzlichtgewitter und Donnergrollen aus dem Graben, von den angekündigten „volkstümlichen Melodien“ oder gar „Belcanto-Augenblicken größter Zartheit“ war mit der Ausnahme der einmal mehr überragenden Gelsenkirchener Chöre wenig bis nichts zu vernehmen. Was freilich an Richard Wagners Partitur seines sogenannten Erlöserdramas liegt.
Karten unter musiktheater-im-revier.de oder unter Tel. 0209 – 4097200. Die weiteren Vorstellungen:
- Freitag, 17. Oktober 2025, 19.30 Uhr (Bargespräche im Anschluss an die Vorstellung)
- Sonntag, 26. Oktober 2025, 16 Uhr (Hör.Oper: Vorstellung mit Audiodeskription)
- Donnerstag, 6. November 2025, 19.30 Uhr
- Samstag, 22. November 2025, 19 Uhr
- Sonntag, 28. Dezember 2025, 18 Uhr
- Samstag, 10. Januar 2026, 19 Uhr
- Sonntag, 18. Januar 2026, 18 Uhr
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