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Falsche Feststellungen in rechtskräftigem Strafurteil?

Bochum/Herne/Recklinghausen. Die Verurteilung zu drei Jahren Haft wegen des Transports von Drogen akzeptierte ein 31 Jahre alter Mann aus Recklinghausen im November 2014 sofort. Immerhin hatte sich sein Arbeitgeber Lidl durch eine Willenserklärung verpflichtet, ihren Mitarbeiter bei offenem Vollzug als Leiter einer Filiale in Bochum weiter zu beschäftigen und die Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel jederzeit über Verspätungen, Erkrankungen oder sogar Kündigung zu informieren.

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Gleichzeitig bemühte man sich bei Lidl um eine Abschrift des Strafurteils, was jedoch aus Datenschutzgründen abgelehnt wurde. Der Mitarbeiter, Familienvater von zwei Kindern, stellte der Personalabteilung das Urteil freiwillig zur Verfügung. Das hatte schlimme Folgen für ihn, denn im Urteil, sechs Wochen nach Urteilsverkündung und Verzicht auf Berufung zugestellt, fand sich zweimal der Hinweis auf versuchte Anbahnung von Drogengeschäften während der Arbeitszeit bei Lidl. Die Folgen waren fatal: Fristlose Kündigung am 1. April und Haftantritt zur restlichen Verbüßung der Haftstrafe in der geschlossenen JVA Bielefeld.

Strafverteidiger Hans Reinhardt, der dann auch arbeitsrechtlich die Lage des Mannes in Herne vertrat, sprach jetzt im Termin vor der Kammer von Arbeitsrichterin Große-Wilde "von falschen Feststellungen" im Strafurteil. Die zwei Gespräche seines Mandanten mit einem möglichen Kunden hätten zwar stattgefunden, aber nicht während der Arbeitszeit bei Lidl sondern privat in einer Filiale von McDonalds. "Und die haben mit Lidl eindeutig nichts zu tun," so Reinhardt in Richtung von Lidl-Prozessvertreterin Brämer vom Einzelhandelsverband.

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Wegen der schwerwiegenden Folgen des Strafurteils für die Familie, deren Mutter auf 800-Euro-Basis ebenfalls bei Lidl arbeitet, versuchte Richterin Große-Wilde, die Parteien behutsam auf einen von beiden Seiten gangbaren Lösungsweg zu bringen. Allerdings sei das Strafurteil mit seinen Feststellungen "in Rechtskraft erwachsen", dämpfte die Kammer überzogene Hoffnungen der Klägerseite auf mehr als eine Abfindung. Die wurde schließlich bei Umwandlung des fristlosen Kündigungsdatums auf den 31. Juli ohne Abrechnung bis dahin nach mehreren Unterbrechungen auf 2.500 Euro brutto beziffert. Außerdem muss der Kläger eine Gehaltsüberzahlung von noch 2.700 Euro nicht zurückzahlen. Als Filialleiter hatte er bei der Verfolgung eines Ladendiebes Verletzungen erlitten und war längere Zeit arbeitsunfähig, hatte aber sein Gehalt netto über den Ablauf der Lohnfortzahlung hinaus irrtümlich weiter bekommen. Über den Vergleichsabschluss muss der wegen der Haft am Erscheinen gehinderte Kläger aber noch selbst entscheiden und hat dazu drei Wochen Zeit. Bei Widerruf wird das Gericht am 1. Oktober ein Urteil verkünden. (AZ 3 Ca 903/15)

| Autor: Helge Kondring
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