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Gedenken an die Judenverfolgung und die Opfer in der Reichsprogromnacht 1938 in Herne.

Gedenken an die Opfer der Pogromnacht und NS-Zeit

'Ungerechtigkeiten die Stirn bieten'

„Auch in diesem Jahr wollen wir wieder gemeinsam an die Reichspogromnacht 1938 erinnern und der zahlreichen Nazi-Opfer der Jahre 1933 bis 1945 in Herne und Wanne-Eickel gedenken. Erinnern macht nur Sinn, wenn es Konsequenzen hat. Gedenken sollte in diesen Zeiten der Krisen, der Hochrüstung und Kriege, zum Nachdenken und Eingreifen führen", sagte Luca Priebe, von der ver.di Jugend bei der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am Dienstag (9.11.2022) vor dem Shoah-Mahnmal (halloherne berichtete).

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Auch in diesem Jahr gab es das Gedenken an die Opfer der Pogromnacht und NS-Zeit.

Im Weiteren erinnerte er in seiner Rede an die mehr als 400 jüdischen Mitbürger, über 1.700 ausländischen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, zahlreichen politischen und religiösen Nazi-Gegner, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Emigranten sowie Widerstandskämpfer, aber auch an die 1.500 Bombenopfer.

'Nie wieder Faschismus- nie wieder Krieg'

„Der Schwur der überlebenden Häftlinge des KZ-Buchenwalds 'Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg' ist uns Verpflichtung. Auch insofern verstehen wir das Gedenken als Mahnung und Protest gegen Intoleranz, Nationalismus, Juden- und Ausländerfeindlichkeit in unserer Zeit", so Priebe weiter.

Mehrere hunderte Menschen verschiedenen Alters nahmen an der Gedenkveranstaltung teil.

Ferner erinnerte er ebenfalls daran, dass es seit 1990 219 Todesopfer rechter Gewalt gebe und „sich den rechten Kräften" entgegengestellt werden müsse.

Im Bündnis gedachten die DGB-Geschichtswerkstatt, das Unterrichtsfach „Kohlengräberland“ der Erich-Fried-Gesamtschule, der Förderverein „Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis Herne“, die Herner Friedensinitiative, ver.di-Jugend Stadtverwaltung, das Herner Sozialforum und das „Bündnis Herne“ in diesem Jahr wieder der NS-Opfer. Mehrere hundert Menschen verschiedenen Alters nahmen an der Gedenkveranstaltung und dem anschließenden Schweigemarsch zum Mahnmal an der Bebelstraße unweit des ehemaligen Polizeigefängnisses teil.

Gedenken auch an die Opfer des Widerstandes

Vor dem Mahnmal für die Opfer des Widerstandes an der Bebelstraße hatten die Initiatoren bereits im Vorfeld zur Veranstaltung Kränze niedergelegt und hielten, wie auch am Shoah-Mahnmal, eine Schweigeminute ab. Dort sprach zunächst Miriam Kraft, Vorsitzende der ver.di-Jugend Stadtverwaltung: „Wir müssen gemeinsam dafür einstehen, dass sich das Leid niemals wiederholt. Wir dürfen Rassisten und Faschisten nicht das Feld überlassen und müssen allen Arten von Unmenschlichkeiten die Stirn bieten."

'Schaut hin und ergreift das Wort, wenn andere schweigen'

Dabei gedachte sie nicht nur der Opfer des Zweiten Weltkrieges, sondern erinnerte auch an politische Verfolgung und Kriege. „Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass Menschen an den Grenzen zu Europa zu Tode kommen. Wir müssen uns aktiv für Toleranz und Vielfalt einsetzen. Schaut hin und ergreift das Wort, wenn andere schweigen", so Kraft abschließend in ihrer Rede.

Die Initiatoren hatten bereits im Vorfeld zur Veranstaltung Kränze niedergelegt.

Norbert Arndt von der DGB-Geschichtswerkstatt erinnerte in seiner Rede unter anderem daran, dass nicht nur in Herne, sondern überall in Deutschland am 9. November die jüdischen Mitbürger drangsaliert wurden, aber ein Großteil der Bevölkerung still blieb. „Keiner schritt ein. Aus Angst, aus Gleichgültigkeit oder vielleicht sogar aus klammheimlicher Sympathie", so Arndt.

Ferner erinnerte er an die Indoktrination der Herner Bevölkerung. „Wenn es die Lehrer sagen, wenn es der Pastor sagt, wenn es in der Zeitung geschrieben steht, dann muss es doch die Wahrheit sein. Es war aber natürlich alles gelogen. Aber es war niemand mehr da, der hätte dagegensprechen können. Sie saßen in Zuchthäusern, im Hafthaus oder warteten auf ihren Abtransport in die Todeslager", so Arndt weiter.

Jedoch machte er deutlich und wandte sich direkt an die teilnehmenden Schüler: „Aber es gab sie noch, die Widerstandskämpfer, die unter Gefahr für ihr Leben, Flugblätter verteilten oder mit Farbe die Wahrheit an die Wände schrieben. Sie waren kaum älter als ihr es jetzt seid. Auch ihner möchten wir heute gedenken."

Gedenken als Nachdenken

Er veranschaulichte, dass „Gedenken mit Nachdenken" zu tun habe. So riet er allen Anwesenden, Informationen und ihren Ursprung kritisch zu hinterfragen. Hierbei ging er auch kritisch mit den Medien ins Gericht.

Die Teilnehmenden legten weiße Rosen nieder.

Dies verdeutliche Arndt mit einem Zitat des Journalisten und Publizisten Paul Sethe (Sethe schrieb es 1965 in einem Leserbrief an den Spiegel, Anm. d. Red.): „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten".

Abschließend führte Arndt aus: „Die Interessen der Superreichen und Einflussreichen stimmen nicht mit unseren Interessen überein. Bei ihnen spielen immer eigene Interessen eine Rolle. Deshalb schaut genau hin, hört genau hin, zweifelt öfter mal und hinterfragt."

Mittwoch, 9. November 2022 | Autor: Julia Blesgen