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„Convenientia & Aemulatio (Paare)“ nennt Ferdinand Ullrich seine höchst narrativen Obst- und Gemüse-Stillleben, hier Rhabarber.

Ausstellung in der Künstlerzeche

„Still Leben“ auf Unser Fritz

Stillleben, eine seit der Spätrenaissance und dem Barock traditionelle, stark symbolhaltig eigene Themen setzende Gattung der Kunstgeschichte, wird in der am Samstag, 4. September 2021 um 17 Uhr eröffnende Ausstellung „Still Leben“ in der Wanne-Eickeler Künstlerzeche Unser Fritz neu interpretiert: Vom Realismus der einfachen Dinge bis zu Sinnbildern der Vergänglichkeit. Kurator Peter Buchwald konnte für die anschließend bis zum 26. September 2021 gezeigte Schau die beiden freiberuflichen Künstler Christina Böckler und Evangelos Koukouwitakis aus Duisburg sowie den ehemaligen langjährigen Leiter der Kunsthalle Recklinghausen, Professor Ferdinand Ulrich, gewinnen.

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Evangelos Koukouwitakis hat eigene Gemälde aus den 1990er Jahren zum Hintergrund einiger seiner Stillleben genommen.

Gleich im schmalen Eingangsbereich zur Weißkaue begrüßt die vierteilige, ganz aktuell aus diesem Jahr stammende Collage „Stillhalt“ die Besucher, die nach der bekannten 3-G-Regel (Geimpft, genesen oder getestet) Zugang zur Zeche am Rhein-Herne-Kanal erhalten – wie gewohnt bei freiem Eintritt und Spendenglas im Foyer. Diese Szenarien erzählen eine Geschichte und stammen wie die vierzehnteilige Assemblage „Stillhaus“ in der Raummitte der Weißkaue von der Duisburgerin Christiana Böckler, die Modellbahn-Häuser zumeist im gängigen HO-Maßstab mit Wohlstandsmüll collagiert. Die beschädigten Modelle entstammen zum großen Teil aus dem Abfall eines Duisburger Geschäftes, das neben Spielzeugeisenbahnen auch Whiskey offeriert – eine surreale Angebotsmischung, die zumindest auf den ersten Blick auf Christiana Böcklers Werke übertragen werden kann. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass sie eine eigene Biographie in sich tragen und mit Materialien aus Glas, Porzellan und Stoff ergänzt worden sind.

Drei ihrer „Stillhalt“ genannten Assemblagen hat Christina Böckler für die Ausstellung auf Unser Fritz neu geschaffen.

Und damit mit geradezu klassischen Bestandteilen aus der Blütezeit der Gattung, dem „Goldenen Zeitalter“ der prosperierenden Niederlande. Unmittelbar an Werke etwa von Pieter Claesz oder Harmen Steerwijck aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, dazu an die spezielle Farbgebung eines Rembrandt van Rijn, vom dem selbst nur ein einziges Stillleben bekannt ist, erinnern die Fotografien von Evangelos Koukouwitakis, 21 mit „Natura morte“ bezeichnete Fine-Art-Prints aus den letzten Jahren. Welke Blumen, faulige Früchte und Schädel zumeist vor schwarzem Hintergrund weisen auf das Vanitas-Motiv der Vergänglichkeit des Lebens hin. Und stellen damit die Verbindung zu Christina Böcklers bewusst menschenleeren Miniatur-Häusern her. Der in Griechenland geborene Duisburger hat in jüngster Zeit eigene Gemälde aus den 1990er Jahren neu genutzt als Hintergrund seiner Still-Life-Photography, der er so eine neue Räumlichkeit verleiht.

Kurator Peter Buchwald (l.) und Ferdinand Ullrich in der Ausstellung „Still Leben“, die am 4. September 2021 in der Künstlerzeche Unser Fritz eröffnet wird.

Ferdinand Ullrich hat sich in seiner Fotografie zunächst, das wird an den beiden Arbeiten „Spargelbündel“ und „Spargelstange“ im Übergang von der Weiß- zur Schwarzkaue deutlich, an Inkunabeln der Kunstgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, hier an zwei Gemälden von Édouard Manet, orientiert. Seine höchst artifiziellen Bilder, Inkjetprints auf Hahnemühle Fineart Rag Baryta, lassen Obst und Gemüse aus unserem Einkaufskorb in neuem Licht erscheinen – wie alltägliche Gegenstände durch den Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg. Der Kunsthistoriker und Münsteraner Hochschullehrer geht allerdings noch einen Schritt weiter, indem etwa Rhabarber-Stangen, Zitronen oder Paprika in seinen Fotografien unzweideutige narrative Elemente aufweisen. Eine Erweiterung der Gattung bilden auch sechs Sfumato-Arbeiten, in denen Ullrich bewusst Unschärfe und Fehlbelichtung nutzt, um den Realismus der Dinge zu hinterfragen. Gleichzeitig verbindet er so seine Arbeiten mit dem Raum und damit mit den Werken der beiden anderen Künstler: Je weiter die Entfernung des Betrachters ist, desto deutlicher erkennbar sind die Motive wie Möhre, Orange oder Apfel.

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Zur Vernissage am 4. September 2021 um 17 Uhr spricht der Historiker Thomas Hensolt. Die Ausstellung „Still Leben“ kann danach noch bis zum 26. September 2021 in der Künstlerzeche Unser Fritz 2/3, Zur Künstlerzeche 10 in Herne-Wanne, zu folgenden Zeiten angesehen werden: Mittwochs und samstags jeweils von 15 bis 18 Uhr, sonntags zwischen 14 und 17 Uhr sowie nach Vereinbarung. Es gelten die aktuellen Beschränkungen der Corona Schutzverordnung, es besteht Maskenpflicht.

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  • Samstag, 4. September, um 17 Uhr bis Sonntag, 26. September 2021, um 17 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann