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Orlando Paladino: Dongmin Lee und Tobias Glagau.

Nur noch zweimal in Gelsenkirchen

Orlando Paladino

Joseph Haydns wundervolle, als Auftragsarbeit des Fürsten Esterhazy 1782 auf seinem Schloss uraufgeführte Oper „Orlando Paladino“ ist erst 1932 zur Zweihundertjahrfeier in Leipzig wieder aufgeführt worden. Das „heroisch-komische Drama“, so der Librettist Nunziato Porta, ist Schäferidyll, Ritterdrama und Zaubermärchen zugleich, vor allem aber ein herzzerreißender Liebesreigen. Der an romantischen Orten wie einem Wäldchen und am Meeresufer spielt, aber auch in Alcinas Zaubergrotte und am Eingangstor zur Unterwelt, dem Lethe-Fluss.

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In Gelsenkirchen hat die international erfolgreiche niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen das höchst emotionale Geschehen in eine Kneipe im Vintage-Stil der 1950er Jahre (Bühne: Ben Baur, Kostüme: Jana Findeklee und Joki Tewes) verlegt: Der rasend eifersüchtige Titelheld Orlando (Martin Homrich) wird aus unglücklicher Liebe zu Angelica (glockenheller Sopran: Penny Sofroniadou) schier wahnsinnig. Diese wiederum plagt sich mit Wankelmut ihres Geliebten Medoro (erste MiR-Hauptrolle für den jungen Tenor Khanyiso Gwenxane) herum, mit dem sie sich bei typisch britischem Regenwetter vor Orlando in die von Licone (Benjamin Hoffmann) betriebene Gaststätte mit Musik-Bühne im Zentrum geflüchtet hat.

Orlando Paladino: Lina Hoffmann und Penny Sofroniadou.

Während der langmähnige Lederjacken-Macho Rodomonte (Petro Ostapenko) den „barbarischen Kerl“ herauskehrt, in Wirklichkeit aber mit solchem Gebaren nur seine Sehnsucht nach Liebe überspielt, sind sich die kokette Wirtstochter Eurilla (Dongmin Lee) und „Roadie“ Pasquale (Tobias Glagau), der zwischendurch auch 'mal zur E-Gitarre greift, als ständig über den Tresen miteinander flirtendes Buffo-Liebespärchen selbst genug.

Die Kartenleserin und selbsternannte Zauberin Alcina (im mondänen Outfit der 1920er Jahre: Lina Hoffmann alternierend mit Anke Sieloff) scheint nie um einen Ratschlag verlegen zu sein. Jedenfalls kann sie Orlandos Liebeswahn erfolgreich behandeln. Und so macht er als einzige Figur des Dreiakters eine positive Entwicklung durch: Orlando begreift, dass er seine maßlose Eifersucht überwinden muss, will er ein Stück des süßen Kuchens Liebe abbekommen, obwohl es nach drei auch musikalisch restlos beglückenden Stunden am Kennedyplatz offen bleibt, ob es ein Happy End mit Angelica gibt...

Jetske Mijnssens Inszenierung am Opernhaus Zürich, die zuerst 2016 in Winterthur herauskam bevor sie im Jahr darauf an den Sechseläutenplatz wechselte, ist nun vom Musiktheater im Revier übernommen worden, heftig umjubelte Gelsenkirchener Premiere in neuer Besetzung war am 19. Januar 2020. In der weiblichen Hauptrolle der Angelica glänzt Penny Sofroniadou, Mitglied des Opernstudio NRW. Als musikalischer Leiter konnte mit dem Kölner Werner Ehrhardt einer der wichtigsten Experten der historischen Aufführungspraxis gewonnen werden.

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„Orlando Paladino“, ein ausgesprochenes Ensemblestück, wirkt hier in Gelsenkirchen vollkommen zeitlos und modern. Und die enorme Spielfreude auf den Brettern überträgt sich nahtlos über den Graben hinweg ins Parkett, obwohl nicht nur mir die Doppelungen der Protagonisten durch Statisten nicht wirklich einleuchten. Allerdings macht die Vervierfachung der hübschen Wirtstochter optisch 'was her wie auch solche szenischen Gags: Zum 2. Akt präsentiert sich die Bühne seitenverkehrt, als Medoro und Angelica wie zu Beginn des ersten Aktes die Kneipe betreten – nun aber mit Kind und Kinderwagen. Um beide soll sich gefälligst Medoro kümmern! So kommt auch die komische Seite dieser Opera semiseria nicht zu kurz, zumal das Motto gilt: Gesungen wird in jeder Lage – und das ganz ausgezeichnet.

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  • Freitag, 7. Februar 2020, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 29. Februar 2020, um 19:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann