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'In den Uffizien': Auch das um 1597 entstandene Gemälde Schlangenhaupt der Medusa von Caravaggio gehört zu den Publikumsmagneten.

Spannender Blick hinter die Kulissen

'In den Uffizien'

Die jahrhundertealte Sammlung der Medici ist seit 1581 in einem ursprünglich für die Florentinischen Ministerien und Ämter (Uffici, dt. Büros) errichteten grandiosen Gebäude unmittelbar am Ufer des Arno zwischen Ponte Vecchio und Ponte alle Grazie errichtet worden von keinem Geringeren als dem Architekten und Hofmaler Giorgio Vasari, der heute als „Vater der Kunstgeschichte“ gilt. Welche Ehre für den 1968 in Freiburg/Breisgau geborenen Kunsthistoriker Eike D. Schmidt, Ende 2015 als erster Ausländer zum Direktor dieser in alle Welt ausstrahlenden Galleria degli Uffizi ernannt worden zu sein.

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Die beiden „Lola“-Preisträger Corinna Belz („Gerhard Richter Painting“) und Enrique Sánchez Lansch („Rhythm is it!“) haben gut zwei Jahre lang seinen bemerkenswerten, für Italien-Kenner geradezu revolutionären Weg verfolgt, das Museum neuen künstlerischen Tendenzen zu öffnen, es insgesamt besucherfreundlicher zu gestalten und nicht zuletzt diese 440 Jahre alte Institution erstmals in der digitalen Welt zu verorten. Diese Ikone der italienischen und europäischen Kultur mit Werken von der Antike bis zum Spätbarock, wobei der Schwerpunkt auf der italienischen Renaissance liegt, wurde in Vor-Corona-Zeiten jährlich von über zwei Millionen Kunstliebhabern besucht.

'In den Uffizien': Dr. Eike D. Schmidt ist seit November 2015 der erste Ausländer auf dem Direktorenstuhl der Galleria degli Uffizi in Florenz.

Weil die Kunst einst zum Statussymbol der reichen Kaufleute mutierte, können hier in der toskanischen Hauptstadt Firenze, selbst ein architektonisches Meisterwerk der Renaissance, Inkunabeln von Botticelli, Caravaggio, Michelangelo, Raffael oder Leonardo da Vinci im Original bestaunt werden. Und so taucht die Kamera Johann Feindts und Thomas Riedelsheimer immer wieder in ihre Bilderwelten ein, auch in Tizians „Venus von Urbino“, in Artemisia Gentileschis „Judith und Holofernes“ oder Andreas Commodis „Engelsturz“. Dabei ist die knapp 100-minütige, am 5. Mai 2021 auf dem Münchner Dokfilm-Festival (VoD) uraufgeführte und nun am 25. November 2021 in den Kinos startende Dokumentation alles andere als ein trockener Volkshochschul-Kurs.

Sie nimmt sich Zeit zur kontemplativen Bildbetrachtung, einerseits. Andererseits ermöglicht die auf großer Leinwand brillante TV-Koproduktion Einblicke hinter die Kulissen eines aufregenden, ja spannenden (Ausstellungs-) Geschehens hinter den Kulissen eines Sammlungs- und Forschungsortes mit wissenschaftlichem Anspruch, dessen vielsprachiger Direktor Dr. Schmidt in erster Linie Managerqualitäten offenbaren muss. Um in zweiter Linie als so eloquenter wie charmanter Interessenvertreter „seines“ Hauses bedeutende Förderer und Sponsoren zu hofieren, besser: zu überzeugen, etwa für die Restaurierung von Museumsteilen wie des Geographiesaales, die nicht im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stehen, mehrere Millionen Euro locker zu machen.

Der Film folgt den Wachleuten in den grandiosen Sälen, den Besuchsgruppen und ihren Führerinnen, der Restauratorin ebenso wie dem Hausmeister und den Handwerkern, die sich beim Aufbau einer Ausstellung des Gegenwartskünstlers Antony Gormley dessen sich ständig ändernden Sonderwünschen ausgesetzt sehen – bis zur schieren Verzweiflung. Nur gut, dass es in Italien – noch – die segensreiche Institution der pausa pranzo, der Mittagspause, gibt.

Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch im Piffl-Presseheft: „Immer wieder waren wir bei unseren Recherche- und Drehreisen erstaunt über die große Zahl junger Besucher, die sich vor den Bildern und Skulpturen drängten. Wenn sie die Meisterwerke mit offenem Blick betrachteten, war da, trotz der Unruhe um sie herum, oft ein Staunen, manchmal sogar Erschrecken, als würden sie in den Bildern ihren eigenen Sehnsüchten und unbewussten Ängsten begegnen. In solchen Momenten hatte man das Gefühl, dass nicht nur die Betrachter die Bilder anschauten, sondern umgekehrt auch die auf den Bildern dargestellten Menschen die Besucher. Dieser Blickwechsel, wie man ihn aus der Filmmontage kennt, überträgt sich hier jeden Tag in den musealen Raum. Hier ereignet sich seit Jahrhunderten ein Dialog, den die Künstlerin Louise Bourgeois einmal ‚the thrill of looking and beeing looked at‘ genannt hat.“

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In den Uffizien“ startet am 25. November 2021 in den Kinos, bei uns zu sehen u.a. im Casablanca Bochum und im Essener Filmstudio Glückauf. Die beiden Filmemacher Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch sind auf ihrer bundesweiten Premierentour am Mittwoch, 1. Dezember 2021, um 19 Uhr im Düsseldorfer Bambi zu Gast.

| Autor: Pitt Herrmann