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„Don“: Der selbstverliebte Titelheld (Sebastian Schiller) trifft auf Dulcinea (Zsófia Safranka-Petri).

„Don Q“ überzeugt am MiR

Fiktion und Realität in der medialen Welt

Es ist die 400 Jahre alte Geschichte eines Mannes, für den die eigene Fiktion zur Realität wird, an der er letztlich scheitert: In Miguel de Cervantes zweiteiligem Abenteuerroman „El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha“ ist die Titelfigur, ein niederer, aus alter christlicher Familie stammender Landadeliger, so versunken in seine geliebten Ritterromane, dass er selbst ein eiserner Held werden will. Nicht zuletzt, um seine Angebetete, ein Bauernmädchen, dem er den Namen Dulcinea gegeben hat, für sich zu gewinnen. Begleitet von seinem treuen Knappen Sancho Panza besteigt er sein klappriges Pferd Rosinante, kämpft gegen Windmühlen, bekriegt harmlose Schafsherden und hält auf seiner Reise einfache Herbergen für prächtige Schlösser. Immer weiter verfällt er in seinen kriegerischen Wahn, bis er schlussendlich seine Illusion erkennen muss…

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Im ebenfalls zweiteiligen, knapp zweistündigen Tanzabend „Don Q“ werfen jetzt zwei Choreographien am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier einen neuen, heutigen Blick auf den Ritter von der traurigen Gestalt. In der ersten, „Don“ betitelt, möchte der sich selbst als „Erlöser der Musik“ fühlende Titelheld (Sebastian Schiller) als Rockstar auf Welttournee gehen und ewigen Ruhm erlangen. Erst widerwillig, aber dann mit Feuereifer dabei begleitet ihn Sancho (Urvil Shah) als sein Manager. Als Don auf die schöne Dulcinea (Zsófia Safranka-Petri) trifft, scheint das Glück perfekt. Doch ist es eine Traumwelt, in der sich er immer mehr verliert…

„Q“: Durch ein Erdbeben verliert der einflussreiche Mann (hinten: Joonatan Zaban) seine Gattin (Chiara Rontini).

Guiseppe Spota, der Direktor der MiR Dance Company, bringt in „Don“ Gesang, Schauspiel und Tanz spartenübergreifend zusammen. Mit Livemusik von Christof Littmann, in der sich spanische Folklore, Rock, Pop und elektronische Musik eindrucksvoll verbinden unter der musikalischen Leitung von Askan Geisler – mit einem grandiosen Schlagzeuger auf der Bühne (alternierend Robert Jambor/Torsten Müller) und der Neuen Philharmonie Westfalen im Graben. Spotas Choreographie, die mit Einfallsreichtum und Tempo begeistert, erhält durch ein neues Compagnie-Mitglied, den indischen Tänzer und Choreographen Urvil Shah, neue Impulse in den für Opernhäuser ungewöhnlichen Bereichen Hip Hop und Street Dance.

Über sich hinausgewachsen ist Sebastian Schiller. Der Berliner des Jahrgangs 1981, der bereits im Alter von neun Jahren auf der Bühne der Komischen Oper Berlin stand und erstmals 2015 am MiR als Baltasar in der Steampunk-Oper „Klein Zaches genannt Zinnober“ überzeugte, gehört seit der Spielzeit 2016/17 zum MiR-Ensemble. Musical-Protagonisten müssen singen, tanzen und spielen können – aber tänzerisch so gefordert war der multitalentierte Publikumsliebling bisher noch nicht.

Der inhaltlich umfassendere, musikalisch abwechslungsreichere und von Giuseppe Spota kongenial in seinem horizontal gekippten „Don“-Bühnenbild ausgestattete zweite Teil des Abends nach der Pause mit dem Titel „Q“ (wie „Questions“) beginnt mit Zerstörung: Nach einer nicht näher bezeichneten Katastrophe, die seine Frau (Chiara Rontini) in den Tod reißt, muss sich der Protagonist in Jasmin Vardimons Choreographie, ein einflussreicher Mann an der Spitze der Gesellschaft (Joonatan Zaban), mit früheren Untergebenen auseinandersetzen, die aus den Trümmern klettern. Eine Putzfrau (Camilla Bizzi), ein alkoholkranker Mitarbeiter (Yu-Chi Chen) und ein Kellner (Inwoong Ryu) wenden sich nun gegen ihn, bis sie nach einem neuerlichen Erdbeben entschwinden. Der allein Zurückbleibende, der sich – in einer „sprechenden“ Bilderrahmen-Szene - nach seiner verstorbenen Gattin sehnt, erschafft eine neue illusionäre Welt, um das Überleben erträglich zu machen: ein Roboter (E.T.A. Hoffmanns Olimpia im flotten Marine-Look: Marie-Louise Hertog) nimmt ihren Platz ein.

Der Frage, welchen Traumgespinsten wir nachjagen in unserem Bestreben, eine möglichst unsterbliche Rolle in unserer (medialen) Gesellschaft zu spielen, hat sich die israelisch-britische Choreografin mit einem ebenfalls höchst energiegeladen, mir bezüglich der flotten Olimpia-Wiedergängerin ironisch erscheinenden Stück gewidmet mit sehr unterschiedlicher, nun vom Band kommender Musik u.a. von Dom La Nena, Kandy Ray und Thomas Walschot.

Die Vorstellungen im Großen Haus des MiR

  • Freitag, 3. November 2023, 19:30 Uhr
  • Sonntag, 5. November 2023, 18 Uhr
  • Samstag, 11. November 2023, 19 Uhr
  • Sonntag, 26. November 2023, 18 Uhr
  • Donnerstag, 30. November 2023, 19:30 Uhr
  • Samstag, 30. Dezember 2023, 19 Uhr
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Karten

Karten ab 15 Euro an der Theaterkasse am Kennedyplatz in Gelsenkirchen (Montag und Samstag von 10 bis 14 Uhr, Dienstag bis Freitag von 10 bis 18:30 Uhr), unter musiktheater-im-revier.de sowie unter Tel 0209 – 40 97 200.

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  • Montag, 30. Oktober 2023, um 19:30 Uhr
  • Freitag, 3. November 2023, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 5. November 2023, um 18 Uhr
  • Samstag, 11. November 2023, um 19 Uhr
  • Sonntag, 26. November 2023, um 18 Uhr
  • Samstag, 30. Dezember 2023, um 19 Uhr
Montag, 30. Oktober 2023 | Autor: Pitt Herrmann