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Tee gab es bei der Pflegefamilie aus Marokko.

Ein Besuch bei Pflegefamilie Fenichi

Nach dem Gespräch mit Gorden Stelmaszyk, dem Leiter des Fachbereichs für stationäre Hilfen für Kinder bei der Interkulturellen Kinder- und Jugendhilfe PlanB (Kindern eine Chance geben), und dem Besuch bei Familie Jentsch (Besuch bei einer...) folgte der Besuch bei Pflegefamilie Fenichi. Samira (50) und Salah (63) Fenichi kommen aus Marokko und Algerien. Sie leben im Norden von Herne und sind Pflegeeltern mit drei eigene Söhne. Der älteste wohnt in Recklinghausen und studiert. Die beiden anderen Brüder (19 + 16) leben mit im Haus. Durch sie entstand auch die Idee, ein Pflegekind aufzunehmen. „Die Jungs hatten das bei einer befreundeten Familie erlebt.“

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Für die Familie stand fest: Wir wollen ein Dauerpflegekind. So ist im Juni 2018 ihr Pflegesohn - wir nennen ihn hier jetzt Samuel - zu ihnen gekommen. Damals war Samuel 2 1/2 Jahre alt und lebte seit fast anderthalb Jahren in der Bereitschaftspflege. Seine Mutter war vor Jahren alleine aus Nigeria geflüchtet. Samuel kam in Deutschland zur Welt. Er hat einen älteren Bruder, der 10 Jahre alt ist. Beide Kinder wurden von der Mutter vernachlässigt, so dass Samuel in eine Bereitschaftspflege kam.

PlanB: Annika Schepers, Westfälische Pflegefamilien, Pflegefamilien, systemische Familientherapeutin, Heilpädagogin (B.A.)

Annika Schepers von PlanB: „Wir haben vom Jugendamt eine Anfrage bekommen, ob wir eine afrikanische Pflegefamilie hätten. Da hat meine Kollegin eher scherzhaft gefragt: Geht auch Nord-Afrika?“ So kam das erste Treffen mit der Familie Fenichi zustande. Samira erzählt: „Eigentlich wollte ich ein Mädchen in Pflege nehmen. Aber als mir mitgeteilt wurde, dass dort ein kleiner Junge seit langer Zeit in der Bereitschaftspflege lebt und auf ein sicheres zuhause wartet, bin ich hingefahren und habe ihn mir angesehen. Da war es um geschehen. Die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt.“

Ein Kind als mein eigenes Kinde anzunehmen, ist sicherlich schon schwierig, aber bei Samuel kommt noch hinzu, dass er dunkelhäutig ist. Sind da Probleme nicht vorprogrammiert? Samira: „Ganz ehrlich, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Ich persönlich habe noch keine Ausländerfeindlichkeit erfahren, mein Mann aber schon - er ist dunkler als ich. Aber mit Samuel habe ich so etwas noch nie erfahren.“ Auch in der Nachbarschaft ist Samuel sehr beliebt und wird behütet. Die Menschen gehen offen auf Samuel zu und haben ihn in ihr Herz geschlossen

Wie es war, als Samuel zu ihnen kam, erzählt Samira: „Wir hatten einiges aufzuholen. Er sprach nicht, hat nicht gegessen und auch nicht geschlafen. Samuel hat stundenlang an einer Schnitte Brot gemümmelt. Die erste Zeit war nicht einfach für uns. Samuel ist nachts aufgestanden und durch das Haus gelaufen. Ich bin dann mitgelaufen und irgendwann haben wir uns in mein Bett gelegt.“ Heute schläft Samuel immer noch nicht alleine. Das ist geblieben. „Er kann überhaupt nicht alleine sein, auch nicht im Nebenraum, er muss immer Sichtkontakt mit seinen Menschen haben.“

„Samuel war sehr stark traumatisiert“, sagt Annika Schepers. „Er hat niemanden angucken können, war ganz in sich gekehrt und hat nur auf den Boden geschaut. Er war extrem traurig und man hat ihn auch wirklich nicht zum Lachen bringen können. Das ist heute ist das ganz anders. Samuel geht auf die Menschen zu, er hat hier ein großes Vertrauen bekommen. Samuel ist eines von den Kinder, die eine Wahnsinns-Entwicklung gemacht haben - in allen Bereichen. Und es ist so schön zu sehen, wie er aufgeblüht ist. Er war sehr verunsichert und fing schnell an zu weinen.“

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Das Samuel heute auf Menschen zugehen kann, mit ihnen sprechen kann und Vertrauen in sich und seine Umgebung hat, das alles hat Samira mit ganz viel Geduld und mit noch mehr Liebe geschafft. Samuel kann immer noch nicht haben, wenn jemand die Stimmer erhebt und lauter wird. Aber er ist wieder neugierig auf seine Umwelt geworden.

| Autor: Carola Quickels