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Finnische Poesie neu im Kino

Die Geschichte vom Holzfäller

Es liegt hoher Schnee im finnischen Nirgendwo. Der Holzfäller Pepe (unerschütterlicher Stoiker: Jarkko Lahti) und sein Sohn, Pikku-Tuomas (der kleine Tuomas: Iivo Tuuri), sind auf Skiern unterwegs zum Eisfischen. Schnitt. Gesellschaftlicher Mittelpunkt der Kleinstadt, deren Bewohner vom Sägewerk leben, ist die Baari. Hier wird getrunken und gezockt, Geld gesammelt für eine Geburtstagsfeier und zu den Schlagern aus der Musicbox getanzt.

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Pepe und der Vorarbeiter Tuomas (Hannu-Pekka Björkman) sind Arbeitskollegen und Freunde, spielen oft zu viert mit ihren besseren Hälften Karten oder gucken gemeinschaftlich Fernsehen. Doch die Kleinstadtidylle täuscht: Sowohl Pepes Frau Kaisa (Katja Küttner) als auch Tuomas Gattin Maija (Armi Toivanen) zieht es zum Friseur des Ortes. Als der mit Maija Schluss macht, um mit Kaisa anzubändeln, erschlägt Tuomas den Nebenbuhler. „Dieses Leben ist vorbei“: Bevor er ins Gefängnis geht, will Tuomas sich selbst umbringen.

Alle werden arbeitslos

Am anderen Morgen im Sägewerk: Nobelkarossen fahren vor, Schlipsträger informieren die Belegschaft über die bevorstehende Schließung. Die Investoren satteln um von der Bauholz-Produktion zum Bergbau. Alle werden arbeitslos und betrinken sich in der Bar. Pepe traut sich kaum nach Hause mit der schlechten Nachricht, ist sich andererseits aber sicher, wieder einen neuen Job zu finden. Und geht mit seinem Sohn erst einmal zum Eisfischen.

Die nächste Hiobsbotschaft folgt auf dem Fuße: Pepes 64-jährige Mutter Irmeli (Ulla Tapaninen), die im Ort einen kleinen Buchladen unterhält, wird mit einem Krampfanfall ins Krankenhaus gebracht und stirbt wenig später. „Da die Männer alles zerstört haben“ zieht es Kaisa mit ihrem Sohn und Maija mit ihrer Tochter in die Stadt.

Nicht versichertes Haus abgebrannt

Doch der kleine Tuomas kehrt bald zurück, als hätte er eine Vorahnung gehabt: Pepe steht vor der niedergebrannten Ruine seines nicht versicherten Hauses. Vater und Sohn kommen in einer kleinen Hütte mitten auf einem verschneiten Feld unter. Und gehen ihrer Lieblingsbeschäftigung nach: „Die Hoffnung lebt“ zischt ihnen ein Riesenfisch aus dem Eisloch zu.

Letzte Zuflucht in der kleinen Hütte: Pepe und sein Sohn (Iivo Tuuri).

Zeitsprung, 2. Kapitel. Pepe arbeitet jetzt auf einem Bohrfeld und wird von einem Schneeball getroffen, als die arbeitslosen Sägewerker gegen die Minengesellschaft protestieren. Er lebt mit seinem Sohn in einem karg ausgestatteten Container. Der kleine Tuomas ist so fasziniert vom Magier Jaakko (Marc Gassot), der behauptet, mit dem Jenseits in Kontakt treten zu können, dass er sich ihm anschließt.

Pepe spricht mit seiner toten Mutter

Pepe spricht angeblich mit seiner toten Mutter, die ihn im wahren Leben stets „Heulsuse“ genannt hat. Auch Pepes Arbeitskollege Pauli (Tomi Alatalo) gerät in den Bann des Scharlatans, aber aus anderem Grund: er hat sich in Jaakko verliebt. Der nach mehreren Vorfällen schließlich von den Minenarbeitern gelyncht wird.

Für den kleinen Tuomas ist nun klar: das Leben ist sinnlos, die spirituelle Realität Jaakkos nur Einbildung, man muss das Leben hinnehmen, wie es ist. Als er sich daraufhin in ein brennendes Auto setzt und die Türen verschließt, ist Pepe endgültig allein. Und steigt auf einen eingangs im Prolog gezeigten Hügel in karger, steiniger Landschaft, auf dem sich eine Hütte befindet. Mit entsetzt aufgerissenen Augen betritt er sie durch die geöffnete Tür…

Ein schwarzhumoriges existentielles Drama

„Die Geschichte vom Holzfäller“, das Langfilm-Regiedebüt von Mikko Myllylahti, ist ein schwarzhumoriges existentielles Drama über die Suche nach dem Sinn des Lebens, das die Frage stellt: Ist Glück flüchtig oder Hoffnung doch immer eine Option? Der in der nordfinnischen Kleinstadt Tornio geborene Regisseur, ein mehrfach preisgekrönter Lyriker, im Presseheft: „Eine Geschichte über die Möglichkeit der Hoffnung in unserer modernen Welt, die voller Unsicherheit und Angst ist.

Ich wollte ein poetisches Universum schaffen, in dem mein freundlicher Holzfäller leben kann, ein skurriles kleines Dorf, das von Schnee und Dunkelheit bedeckt ist, mit einem Ensemble seltsamer Charaktere, wie dem Friseur und dem hellseherischen Sänger oder Bergleuten, die durch den Schnee stapfen, während sie über philosophische Fragen nachdenken.“

Auf 35-mm-Format gedreht

Arsen Sarkisiants hat bewusst auf 35-mm-Format gedreht. An realen Orten und Landschaften in der Region Kainuu und Koillismaa, die sich direkt unterhalb von Lappland im südöstlichen Teil Nordfinnlands befinden, entstanden phantastische Aufnahmen, deren surreale Atmosphäre an Bunuel oder Wenders „Der Himmel über Berlin“ erinnert.

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Der 99-minütige Film ist am 19. Mai 2022 in Cannes uraufgeführt worden, die Deutsche Erstaufführung fand am 7. Oktober 2022 beim Filmfest Hamburg statt. Bei den 61. Int. Filmfestspielen Cannes gabs den Gan Foundation Award und bei den Nordischen Filmtagen Lübeck 2022 eine lobende Erwähnung. Zum Kinostart am Donnerstag, 11. Mai 2023, läuft „Die Geschichte vom Holzfäller“ im Sweetsixteen Dortmund, in der Galerie Cinema Essen sowie im Düsseldorfer Bambi.

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  • Donnerstag, 11. Mai 2023, um 20 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann