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Wer ist hier fett?

Dick - Schön – Gesund

In ihrer aktuellen Ausgabe propagiert die große Frauenzeitschrift in Deutschland (jene, die seit Jahrzehnten mit der nach ihr benannten Diät für ihre Leserinnen das ernährungsphysiologische Maß der Dinge sein möchte) das dick sein jetzt auch schön sei. In der gleichen Ausgabe lässt sie einen Zahnarzt zu Wort kommen, der Zähneputzen für überflüssig, ja geradezu schädlich hält, weil dadurch die natürliche Mundflora geschädigt würde, was wiederum allerlei Krankheiten wie Herzinfarkt, Rheuma etc. fördere. Derartige Meinungen sind natürlich verfassungsrechtlich geschützt. Man darf auch Meinungen haben, die jeder halbwegs vernünftige Mensch nur mit der berühmten Scheibenwischer-Geste kommentieren würde.

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Die Autorin des Leitartikels über Fettleibigkeit nennt ihre Maße: 1,72 cm groß und 74 kg schwer. Damit ist sie nach allen geltenden wissenschaftlichen Kriterien normalgewichtig. Solange sie mit sich und ihrer Umwelt im Reinen ist, interessiert das keinen Arzt und es erübrigt sich jede weitere Diskussion. Allerdings wird der Artikel von Fotos einer gewaltig fettleibigen Frau umrahmt. Und da hört für mich aus medizinischer Sicht der Spaß auf. Ein derartiges Übergewicht mag in unserer heutigen Alltagswelt nicht ungewöhnlich sein – normal ist es nicht und schon gar nicht gesund. Hersteller von Dessous erweitern ihr Angebot für Übergewichtige. Natürlich, sie wollen dieses wachsende Markt-Segment nicht unbeackert lassen. Umsatz und Gewinn sind das Interesse. Es hat das nichts damit zu tun, dass Fettleibigkeit gesundheitlich unproblematisch sei.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich will niemanden zu Sklaven des Body-Mass-Indexes machen. Das sind Faustregeln. Statur und Geschlecht werden meist nur sehr eingeschränkt berücksichtigt. Innerhalb der Toleranzen, die von der WHO festgelegt sind und auch leicht darüber gibt es keinen medizinischen Konsens, was das als Normalgewicht zu bezeichnende „wünschenswerte“ oder „natürliche“ Körpergewicht eines Menschen sein sollte. Diese Toleranz deckt die Bandbreite von ziemlich gertenschlank bis füllige Rubens-Figur ab. Alle innerhalb dieser Toleranz sollten sich, sofern sie ansonsten gesund sind, keine Gedanken machen. Es ist sogar strittig, ob es ein derart festzulegendes Idealgewicht überhaupt gibt.

Dennoch gibt es klare Vorstellungen, außerhalb welcher Gewichtsbandbreite eine Person als (krankhaft) unter- oder übergewichtig zu beurteilen ist. Das in der Brigitte dargestellte Model ist nicht dick, nicht mollig – sie ist krankhaft fett. Sie wird (wenn sie es nicht schon hat) einen Diabetes Typ 2, einen Bluthochdruck, eine Fettstoffwechselstörung, eine koronare Herzkrankheit, eine Fettleberhepatitis oder alles zusammen, das so genannte metabolische Syndrom, bekommen. Das Darmkrebsrisiko steigt ebenso wie die Wahrscheinlichkeit schwerer orthopädischer Schäden. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist bei einem derartigen Übergewicht deutlich eingeschränkt. Darüber gibt es in der Wissenschaft keine zwei Meinungen.

Man mag es auch als ungerecht empfinden, dass Dicke im Berufsleben benachteiligt sind. Solange sie sich halbwegs innerhalb der WHO-Toleranzen befinden, ist es sicher auch unfair und diskriminierend. Insbesondere Frauen werden am modischen Idealgewicht gemessen. Alle, die darüber liegen, haben es deutlich schwerer. Ich weiß von etlichen Unternehmen, dass sie weibliche Personaler bevorzugen, weil diese auf Qualifikation schauen und sich nicht von maskulinen Lustmolchgedanken leiten lassen.

Das fettleibige Brigitte-Model allerdings hätte auch ich in meiner Praxis nicht eingestellt. Der Grund: die Funktionsräume meiner Praxis waren für derartige Körpermaße einfach nicht ausgelegt. Vergleichbare Einschränkungen gibt es an zahlreichen Arbeitsplätzen und so sind die Nachteile im Arbeitsmarkt keineswegs obligat als Diskriminierung einzustufen. Natürlich können fettleibige Lehrer gute Pädagogen und sympathische Menschen sein. Rainer Callmund war schließlich auch ein erfolgreicher Fußballmanager. Als Mittelstürmer hätte er sich aber wohl eher nicht eingestellt. Und, da machen wir uns mal nichts vor, eine Fettleibigkeit diesen Ausmaßes lässt auch auf einen gehörigen Mangel an Selbstdisziplin und Realitätsverweigerung schließen. Es ist nachvollziehbar, wenn das bei einer Bewerbung nicht als Pluspunkt gewertet wird.

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Eine veritable Fettleibigkeit ist eine Körperbehinderung und ein gesundheitliches Risiko. Es ist für meine Begriffe unverantwortlich, das nur als die gestörte Wahrnehmung durch das Diktat der Modeindustrie darzustellen. An diesem Diktat hat im übrigen auch die Brigitte in den letzten Jahrzehnten maßgeblich mitgewirkt.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey