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Eindrucksvolles Solo: Maximilian von Ulardt.

„Der Sandmann“ open air am WLT

Atemlos durch die Nacht

Als von Androiden noch nicht die Rede war, hat sich E.T.A. Hoffmann Ende November 1815 mit dem ambivalenten Verhältnis von Mensch und Maschine auseinandergesetzt in seinem Schauermärchen Der Sandmann, das Regisseurin Jolanda Uhlig in einer Bühnenfassung für Zuschauer ab 15 Jahren adaptiert hat. Das Westfälische Landestheater zeigt Maximilian von Ulardts eindrucksvolles Solo passend zum Kinder- und Jugendtheater unter freiem Himmel am Samstag 20. Juni 2020, um 18 Uhr. Gespielt wird open air auf dem Parkplatz des neuen Proben- und Werkstattgebäudes neben dem Europaplatz Castrop-Rauxel, der Zugang erfolgt auch über den Gesamtschul-Parkplatz an der Bahnhofstraße (hinter McDonalds).

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Der zehnjährige Nathanael kann trotz guten Zuredens seiner Mutter nicht einschlafen, seit er Zeuge eines für seinen Vater tödlich verlaufenen alchemistischen Experiments des satanischen Advokaten Coppelius im Arbeitszimmer seines Elternhauses geworden ist. Inzwischen Student in Italien bringt ihn die Begegnung mit dem harmlosen Wetterglashändler Coppola aus der Fassung, ist Nathanael doch überzeugt, in ihm den bösartigen Coppelius zu erkennen. Auf einem Ball im Haus seines Physikprofessors Spalanzani lernt er dessen liebreizende Tochter Olimpia kennen…

Maximilian von Ulardt übernimmt sämtliche Rollen einschließlich des schwäbelnden Kommilitonen Siegmund und des „holden Engelsbildes“ von Clara, Nathanaels Verlobter. Der auch bei den WLT-Musikproduktionen begeisternde Allrounder, einst Ensemblemitglied im Kinder- und Jugendtheater und nun seit vielen Jahren ständiger Gast im Abendtheater, kommt in seinem rund sechzigminütigen Solo mit wenigen, aber markanten Requisiten aus. Die einschließlich der „shöne Oke“ von der Regiehospitantin Laura Frölich stammen: Was für Talente doch die Castrop-Rauxeler Theaterschmiede hervorbringt!

Unterstützt von einer Erzählerstimme aus dem Off schlüpft ein ungemein virtuoser Maximilian von Ulardt, der in einem zeitgenössischen Kostüm des 19. Jahrhunderts mit grüner Weste und dreiviertellanger Hose steckt, zudem in die Rolle des an seinem Schreibtisch sitzenden Autors E.T.A. Hoffmann. Er muss sein ganzes gestisches und mimisches Repertoire abrufen, um diese im Grunde monströse Gruselgeschichte dem Publikum näherzubringen. Dem er sich auch von der Bühne aus immer wieder direkt zuwendet, ein antiillusionistischer Verfremdungseffekt wie eine ganze Reihe mit einfachsten Mitteln erzeugter technischer Petitessen.

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Von „Weine nicht, wenn der Regen fällt“ über „Stand by Me“ bis hin zu „Atemlos durch die Nacht“: Auch der Soundtrack peppt diesen vor allem durch Jacques Offenbachs Oper Hoffmanns Erzählungen bekannten Klassiker ordentlich auf. Die Theaterpädagogin Ria Zittel mutiert von der Anspielpartnerin des Protagonisten mit einem Brief Claras zum Postillon d’amour, bevor Maximilian von Ulardt zum gruseligen Pas de deux mit einer Schaufensterpuppe ansetzt: der Schauwert dieser kurzweiligen Inszenierung ist enorm.

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  • Samstag, 20. Juni 2020, um 18 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann