Jubiläumsveranstaltung mit Bundeskanzler Scholz und NRW-Ministerpräsident Wüst
125 Jahre Emschergenossenschaft
Bochum. Mit über 300 Gästen und im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst hat die Emschergenossenschaft am Donnerstag in der Bochumer Jahrhunderthalle ihr 125-jähriges Bestehen gefeiert – in der Stadt, in der am 14. Dezember 1899 Deutschlands erster Wasserwirtschaftsverband gegründet wurde. Die bisherige Historie der Emschergenossenschaft ist geprägt vom zunächst technischen Ausbau der Emscher-Gewässer zu einem System offener Schmutzwasserläufe einerseits und von der späteren Renaturierung derselbigen andererseits. Die Zukunft der Emschergenossenschaft dagegen hat bereits begonnen: Der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels und die Verbesserung des Hochwasserschutzes bilden das nächste große Generationenprojekt, während gleichzeitig die mittlerweile wieder vom Abwasser befreiten und revitalisierten Gewässerlandschaften städtebaulich zu blaugrünen Erlebensräumen entwickelt werden. Was vor 125 Jahren kaum jemand für vorstellbar hielt, wird in 2025 wunderbare Realität: Die Emschergenossenschaft wird den ersten Emscher-Strand eröffnen.
Industriegeschichte Deutschlands
„125 Jahre Emschergenossenschaft herzlichen Glückwunsch zu diesem Jubiläum, das wie kaum ein anderes die Industriegeschichte Deutschlands erzählt", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Wirken der Emschergenossenschaft seit 1899. Die Renaturierung der Emscher würdigte der Kanzler als „ein visionäres Generationenprojekt“, das wie viele solcher Vorhaben erst einmal auf Kopfschütteln und Skepsis traf. „Am Ende haben sich an der Emscher nicht die Skeptiker, die Mutlosen und die Meckerer durchgesetzt - sondern diejenigen, die an eine bessere Zukunft, an einen blauen Himmel über der Ruhr und an eine saubere Emscher geglaubt haben, die Zeit und Energie in dieses Projekt investiert haben. Das ist für mich die Inspiration, die wir aus diesem Jubiläum ziehen können: Es kommt darauf an, dass wir uns mutige Ziele setzen. Und dann ganz pragmatisch, Schritt für Schritt daran arbeiten, sie auch zu erreichen.“
„Die Gründung der Emschergenossenschaft und damit des ersten Wasserwirtschaftsverbandes Deutschlands vor 125 Jahren markiert den Beginn einer beispiellosen Transformation der Region, von der wir bis heute als Land profitieren. Heute ist es vor allem der Klimawandel, der uns vor neue, komplexe Aufgaben stellt und die wir nur entschlossen und innovativ bewältigen können. Nur so erreichen wir unser Ziel, Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu machen. Die Emschergenossenschaft ist und bleibt ein wesentlicher Teil des infrastrukturellen Rückgrats des Reviers und darüber hinaus Impulsgeber und Gestalter von Veränderungen, die die Region Stück für Stück attraktiver machen“, sagt Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.
Musterbeispiel für gute Zusammenarbeit über Zuständigkeitsgrenzen hinweg
Der Umbau des Emscher-Systems von 1992 bis 2021 war eines der größten Infrastrukturprojekte Europas und eine der größten Renaturierungsmaßnahmen der Welt. Längst ist es zu einem international beachteten Projekt mit Vorbildcharakter geworden. In Japan, Korea und China, in Algerien, Kolumbien und den USA interessiert man sich für den Emscher-Umbau und seine Erfolgsgeschichte. Der Emscher-Umbau „made in Germany“ ist ein Exportschlager – vor allem aber ist er ein Musterbeispiel und ein wesentlicher Baustein für einen ganzheitlich und nachhaltig umgesetzten Strukturwandel im größten Ballungsraum Deutschlands. Und er ist vorbildlich für die gute Zusammenarbeit von Kommunen, Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Unternehmen in der Region.
„Der Umbau des Emscher-Systems, geplant und umgesetzt nach dem genossenschaftlichen Prinzip, hat in der gesamten Region eindrucksvoll unter Beweis gestellt, was alles gelingen kann, wenn man es gemeinschaftlich anpackt. Mit dem Emscher-Umbau hat die Emschergenossenschaft die Bühne für mehr vorbereitet – sie hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir die grünste Industrieregion der Welt werden können“, sagt Dr. Frank Dudda, Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft und Oberbürgermeister der Emscher-Stadt Herne. Die Mehrwerte des Emscher-Umbaus können sich mehr als sehen lassen: Das blaugrüne Leben in Form von Groppen, Forellen und Stichlingen kehrt an und in die Emscher zurück. An ihren Ufern wurde nicht nur die seltene Gebirgsstelze gesichtet, sondern auch bereits die Blauflügelige Prachtlibelle. Vor mehr als 30 Jahren, als die Emschergenossenschaft die visionäre Renaturierung der Emscher ankündigte, zeigte man den Kolleginnen und Kollegen noch den Vogel – heute brütet der Eisvogel als Indikator für eine gute Gewässerökologie wieder am Ufer des zentralen Flusses des Ruhrgebietes.
Apropos Ufer: Wer hätte 1991 – geschweige denn 1899 – gedacht, dass entlang des einst dreckigsten Flusses Europas einmal Weinberge entstehen würden…?!? Das aktuell größte Weinanbaugebiet an der Emscher ist jüngst erst mit rund 6700 Reben in Castrop-Rauxel entstanden – der Emscher-Umbau ist seit dem Erreichen der Abwasserfreiheit Ende 2021 abgeschlossen, das neue blaugrüne Leben beginnt gerade erst!
Tristes Grau weicht blaugrüner Infrastruktur
„Ganz nach dem genossenschaftlichen Prinzip steht im Mittelpunkt all unserer Aktivitäten immer das Allgemeinwohl – im Interesse der Bürgerinnen und Bürger haben wir die einst offenen Schmutzwasserläufe von ihrer Abwasserfracht und ihren Betonkorsetten befreit, ihnen geben wir ihre Flüsse und Bäche zurück. Das triste Grau der früheren Köttelbecken weicht einer blaugrünen Infrastruktur, die zum Entdecken einer völlig neuen Vision der Emscher einladen wird“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, und kündigt an: „Im kommenden Jahr werden wir im Bereich des Natur- und Wasser-Erlebnis-Parks in Castrop-Rauxel und Recklinghausen den ersten Emscher-Strand fertigstellen. Und es wird garantiert nicht der letzte sein!“ Weitere Emscher-Strände werden in den kommenden Jahren unter anderem in Gelsenkirchen/Stadtgrenze Essen und Oberhausen entstehen. Auch wenn das Baden in dem ehemaligen Industriefluss aus hygienischen Gründen (noch) untersagt bleibt, wird es an den Emscher-Stränden Möglichkeiten zum Verweilen, Entspannen und Spielen geben. Balkone und Terrassen sollen neue Blicke auf die sich in der nächsten Zeit wandelnde Emscher ermöglichen – und einer echten Strandpromenade würdig wird es selbstverständlich auch Sand vor Ort geben.
Das Konzept der Emscher-Strände geht Hand in Hand mit der Entwicklung blaugrüner Erlebensräume, die sich von der Quelle bis zur Mündung wie an einer Perlenkette entlang der Emscher erstrecken. Mit der Verzahnung von Wasserwirtschaft und Städtebau setzt die Emschergenossenschaft ihre Strategie fort, ausgehend von der Abwasserentsorgung eine maximale Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität für die Bevölkerung in der Region zu erzielen. Der Betrieb von Abwasserkanälen, Pumpwerken, Kläranlagen und Hochwasserschutzeinrichtungen bildet nicht nur das Rückgrat der Emschergenossenschaft, sondern ist der Dreh- und Angelpunkt der sozial-ökologischen Transformation entlang der Emscher.
„Mit der Abwasserwirtschaft erledigen wir tagtäglich eine der wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Region. Ohne die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen bei der Emschergenossenschaft würden weite Teile der Region unter Wasser stehen und unter hygienischen Missständen leiden – so wie es bereits vor genau 125 Jahren war, vor der Gründung der Emschergenossenschaft. Ohne Abwasserwirtschaft würde es zudem auch keine blaugrünen Erlebensräume wie beispielsweise den Natur- und Wasser-Erlebnis-Park in Castrop-Rauxel geben“, sagt Dr. Frank Obenaus, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.
Der Emscherland-Park ist in der Tat eine Weiterentwicklung des wasserwirtschaftlichen Umbaus der Emscher. Ohne die Abwasserfreiheit und ohne die Renaturierung der Emscher würde es weder den Park noch das spektakuläre Brückenbauwerk „Sprung über die Emscher“ in Castrop-Rauxel geben, das seit der Einweihung Ende September die Menschen begeistert und bereits zu einem neuen Wahrzeichen der Region geworden ist. Der Bau der Brücke wurde maßgeblich durch den Emscher-Umbau inspiriert und befindet sich damit in guter Gesellschaft: Auch der Phoenix See in Dortmund-Hörde, entstanden auf dem Gelände eines ehemaligen Stahlwerkes, wäre genauso wie der Umbau der ehemaligen Kläranlage Bernemündung in Bottrop-Ebel zum weit über die Region bekannten BernePark ohne das Abwasserprojekt Emscher-Umbau vermutlich nicht erdacht worden – und die Alte Emscher im Duisburger Norden wäre heute kein offizielles Fischereigewässer. „Auch in Zukunft wollen wir unsere abwassertechnischen Maßnahmen in der Region gemeinsam mit unseren Partnern und Mitgliedern städtebaulich weiterdenken, um das Emscher-Gebiet lebenswert und wettbewerbsfähig zu gestalten“, sagt Uli Paetzel.