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In der Haranni-Clinic an der Schulstraße betreibt Josef Wiemann seine Praxis.

Schlaflabor steht vor dem Aus

Josef Wiemann.

Herne. Wer sich heute als Kassenpatient um einen Termin in der Praxis von Lungenfacharzt Josef Wiemann (Schwerpunkt: Schlaflabor) in der Haranni-Clinic bemüht, muss sich auf einen Behandlungs-Beginn im Februar 2015 einstellen. Der Andrang von Patienten ist - seit Jahren - enorm. Allein im vergangenen Quartal behandelte die Praxis 1582 Patienten. Gleichwohl: "Ich werde die Praxis zum 1. Januar 2015 schließen müssen", sagte Josef Wiemann. Der Grund: Die Praxis trägt sich nicht mehr. Und nicht nur das. Aber der Reihe nach.

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Seit 2008 ist Wiemann, der in Herten-Westerholt lebt, in der Haranni-Clinic an der Schulstraße ansässig - mit 21 Mitarbeitern und elf Schlafplätzen. Ab dem 3. Quartal 2010 änderte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe die Abrechnungspraxis für die niedergelassenen Schlaflabor-Mediziner, indem sie die Kosten für Untersuchungen im Schlaflabor deckelte. Mit dem Ergebnis im Fall Wiemann: Sein Honorar sank um 39 Prozent. Quartal für Quartal. Dagegen legte er Widerspruch ein - Quartal für Quartal seit 2010, aber bis heute hat die KV noch keinen der Widersprüche beschieden.

Parallel stellte er mehrfach Anträge auf Anerkennung eines Sonderbedarfs wegen der hohen Patientenzahlen, um einen weiteren Arzt einstellen zu können. Aber der Zulassungs-Ausschuss bei der KV sah keinen Sonderbedarf und war der Auffassung, dass Josef Wiemann das Patienten-Aufkommen allein bewältigen könne. Was er seit vier Jahren auch tut.

Mit dem Ergebnis: Pro Quartal macht er Leistungen im Wert von rund 210.000 Euro geltend, und die KV bewilligt jeweils rund 150.000 Euro. "Die Leistungen für 60.000 Euro im Quartal erbringe ich umsonst" (Wiemann). Das führte dazu, dass seine Praxis im Jahr 2013 bei 1.038.000 Euro Einnahmen und 1.053.000 Euro Kosten ins Minus rutschte. Für ihn selber blieb nicht nur nichts, sondern ein Fehlbetrag von 15.000 Euro.

Damit nicht genug. Am 27. November 2013 teilte ihm die KV mit, dass eine Plausibilitäts-Prüfung bei ihm ein "auffälliges Leistungsverhalten" ergeben habe. Mit anderen Worten: Wiemann arbeite zuviel. Nach einer Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung seien Quartals-Abrechnungen "auffällig", die - umgerechnet - mehr als 46.800 Minuten Arbeitszeit (780 Stunden) pro Quartal ergeben. Und er komme nach seinen vorgelegten Abrechnungen regelmäßig auf 55-65.000 Minuten. Außerdem habe er an drei Tagen mehr als 12 Stunden gearbeitet. Auch das sei nach der genannten Richtlinie "auffällig."

Deshalb, so die KV im November 2013, bereite man eine Honorar-Rückforderung gegen ihn vor. Die trudelte (nach diversen Stellungnahmen von beiden Seiten) am 12. Juni 2014 in der Praxis ein: 524.139,15 Euro. "Diese Summe ist sofort fällig", so die KV - und: "Es erfolgt ein Abzug von 40 Prozent der anstehenden Teil- und Restzahlungen." Das heißt: Wenn Josef Wiemann nicht sofort 524.139,15 Euro bezahlt ("Wie soll ich das machen?"), werden ihm pro Quartal von den rund 150.000 Euro, die er bekommt, noch einmal 40 Prozent abgezogen; bis die Schuld der Honorar-Rückforderung getilgt ist. Wiemann bekommt also ab dem 3. Quartal 2014 nur noch 90.000 Euro - bei Vorlage von Abrechnungen über 210.000 Euro.

Aber auch das ist noch nicht alles. Am 21. Mai 2014 teilte ihm die KV mit, dass man ein Disziplinar-Verfahren gegen ihn eingeleitet habe "wegen des Vorwurfs, in den Quartalen 1/2010 bis 1/2014 gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen zu haben." Sollte der Disziplinar-Ausschuss den Vorwurf bestätigen (und Wiemann mit einer zusätzlichen Geldstrafe belegen oder gar die Kassenzulassung entziehen), wäre damit der Straftatbestand des Betruges erfüllt, und das ist dann ein Fall für die Staatsanwaltschaft.

Josef Wiemann hat längst das Protokoll seiner Stempel-Uhr bei der KV vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, das er 10 bis 14 Stunden pro Tag in der Praxis verbringt. Er ist auch bereit, jede einzelne Patienten-Abrechnung (aus welchem Quartal auch immer) prüfen zu lassen - "ich habe ja jede abgerechnete Leistung auch wirklich und tatsächlich erbracht" (Wiemann). Aber eine solche Prüfung hat die KV nicht gemacht. Sie stützt ihre Honorar-Rückforderung und die Einleitung eines Disziplinar-Verfahrens einzig auf die errechnete Arbeitszeit von mehr als 46.800 Minuten pro Quartal.

"Einen Sonderbedarf wegen der hohen Patienzahlen erkennt man mir nicht an - mit der Begründung, der Wiemann schaffe das schon alleine. Und wenn ich das dann alleine schaffe, bestraft man mich dafür", sagte Josef Wiemann, der "die Welt nicht mehr versteht."

Natürlich wehrt er sich mit anwaltlicher Hilfe gegen sämtliche Bescheide, aber diese Verfahren dauern. "Wenn ich in ein oder zwei Jahren Recht bekomme, dann habe ich gar nichts mehr davon", so Wiemann. Schließlich erhält er ab sofort von der KV nur noch rund 90.000 Euro pro Quartal, und damit ist die Praxis finanziell nicht überlebensfähig.

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Dazu der Kommentar von Dr. Gerd Dunkhase: Über das Irrenhaus Kassenarzt-System

| Autor: Günter Mydlak
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