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v.l. Nuray Aksoy, Vildan Kizilirmak, Dilek Bagci

Hernerinnen kochen gegen die Ahornsirup-Krankheit

Der Imam fiel in Ohnmacht

"Eiweiß-armes Essen wird mit diätischen Lebensmitteln gekocht. Für einen gesunden Menschen wären diese Produkte auf Dauer unerträglich, da sie zur Behandlung von angeborenen Stoffwechselstörungen gebraucht werden“, erklärte uns Vildan Kizilirmak (35) beim halloherne Besuch am Montag (17.10.2016) im Protisa-Laden an der Stöckstraße. Trotzdem hat sie sich beruflich auf das Entwickeln von eben solchen Rezepten spezialisiert. Kizilirmak ist Mutter von vier Söhnen. Der Jüngste (3) kam mit der Stoffwechselkrankheit MSUD (Maple syrup urine disease) zur Welt. Das bedeutet, dass der Junge sich sein Leben lang an eine eiweißarme Diät halten muss. Wird die Krankheit nicht erkannt - und bekommen die Patienten keine spezielle Diät - dann führt das zwangsläufig zu schweren Erkrankungen, geistigen Behinderung und schließlich zum Tod.

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MSUD nennt man auch die Ahornsirup-Krankheit", erklärt Kizilirmak. "Wenn die Erkrankten zu viele Proteine essen, beginnen sie, nach Ahornsirup zu riechen, besonders der Ohrenschmalz und der Urin", sagt die vierfache Mutter. Die Deutsche mit türkischen Wurzeln musste nach der Diagnose für ihren Sohn erkennen, "dass es keine türkischen Rezepte mit eiweißarmen Lebensmitteln gibt." Zusammen mit einer Diätetik-Firma entwickelt sie ein Rezeptheft. Daraufhin fasste sie mit ihren Freundinnen Nuray Aksoy (39) und Dilek Bagci (38) den Entschluss, Kochvideos zu drehen. Darin stellen die Frauen eiweißarme Gerichte vor. Die stellten die Drei regelmäßig ins Internet - auf Youtube und facebook. Kurz darauf wurden Produzenten von proteinarmen Lebensmitteln auf die Hernerinnen aufmerksam. Man kam ins Geschäft. Ihr Unternehmen Protisa dreht nun Rezeptvideos mit deren Produkten: "Ich habe natürlich zugesagt, weil ich mir schon viel früher gewünscht hätte, dass es solche Rezepte zum Anschauen gibt.

Nuray Aksoy im Protisa-Lager.

Die Frauen drehen ihre Videos im Protisa-Laden in Eigenregie. "Wir haben uns alles selber beigebracht", sagt Nuray Aksoy. Die Kochanleitungen sind auf dem Protisa-Youtube-Kanal zu finden. Es gibt sie auf deutsch und auf türkisch, in Zukunft auch in Englisch. "Unser erster Clip hat schon über 1.800 Klicks bekommen", ist Aksoy stolz.

In Deutschland gibt es weniger als 100 Menschen mit MSUD", weiß Vildan Kizilirmak. So war sie über die große Resonanz erstaunt. "Viele User kommen aus der Türkei. Dort leben die meisten Menschen mit dieser Diagnose", so Kizilirmak. "Es geht uns aber wirklich nicht darum, berühmte 'Youtuber' zu werden", betont Dilek Bagci. "Wir wollen den Menschen einfach nur helfen, mit der Krankheit besser leben zu können.“ Die Drei stellen die Rezepte zur Verfügung und wollen auch bald die entsprechenden Lebensmittel verkaufen. "Der Protisa-Online-Shop ist noch im Aufbau. Bis er läuft, dauert es noch etwas", erzählt Kizilirmak. Gerade für die Kunden in der Türkei sei es hilfreich, alles aus einer Hand zu bekommen. "Fleisch ist Gift für die Patienten, genauso wie Milch- und Hülsenprodukte. Schon als 'normaler' Mensch ist es schwierig, jeden Tag zu überlegen, was man kocht. Für die MSUD-Erkrankten ist es noch viel schwieriger. Wenn es die Spezialprodukte nicht geben würde, dürften sie immer nur Obst und Gemüse essen."

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Vielen Deutschen ist das Gericht Der Imam fiel in Ohnmacht ein Begriff. Es handelt sich um ein vegetarisches Essen, dass einem Imam so gut geschmeckt haben soll, dass er unwahrscheinlich viel davon gegessen hat. Anschließend sei er in Ohnmacht gefallen. Dieses Rezept haben die drei Frauen auch auf ihrer Youtube-Seite veröffentlicht.

Bei Protisa an der Stöckstraße.
| Autor: Patrick Mammen